Ein Herz und eine Seele

Heinz Schubert, Wolfgang Menge. Ekel Alfred = Sinnbild des reaktionären Spießers

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Foto Rainer Tittelbach

Wolfgang Menge WDR-Serie „Ein Herz und eine Seele“ besitzt eine Ausnahmestellung in der deutschen Fernsehgeschichte. Sie war ein Politikum, spiegelte Anfang der 70er Jahre die gesellschaftliche Politisierung und sie war hierzulande (für lange Zeit) die erste deutsche Sitcom. Ein Unsympath als TV-Held: Alfred Tetzlaff wettert gegen die SPD-Regierung, gegen Ausländer, Gastarbeiter, Juden und den linken Schwiegersohn. Ekel Alfred macht das Wohnzimmer zum Stammtisch, die Salatschüssel zur Fußbadewanne, die „Bild-Zeitung“ zur Schule des Wissens. Und er führte „Scheiße“ & „Arschloch“ ins Serienvokabular ein.

Alfred Tetzlaff ist ein reaktionärer Spießer. Weil er ein bisschen klein geraten ist, schwingt er gern große Reden. Am liebsten sitzt er in seiner Bochumer Reihenhaus-Wohnung und ergeht sich in Hasstiraden. Beliebtes Ziel seiner Schmäh-Monologe sind die SPD-Regierung, Ausländer, Gastarbeiter, Juden und ganz besonders sein verhasster Schwiegersohn, der aus der DDR stammt und politisch den Jusos nahesteht. Überall wittert „Ekel Alfred“ Verschwörungen, er kuscht nach oben, tritt nach unten. Er ist feige und verlogen, derb und ordinär in seiner Ausdrucksweise. Seine Frau Else fällt durch ihr dürftiges Allgemeinwissen auf. Weshalb Alfred sie vorzugsweise „dusselige Kuh“ nennt. Sie wirkt gehemmt, unterwürfig und plappert – sich und ihren Kopf vergessend – immer wieder drauflos, verwechselt Pompidou mit Pompadour, Kiesinger mit Kissinger. Die vorzugsweise in knappen Miniröcken durch die Wohnung stolzierende Tochter Rita versucht gelegentlich, zwischen den Eltern zu vermitteln, aber auch sie wird Objekt des Spotts ihres Vaters („Man braucht sich ja nicht mal zu bücken, um die unter den Rock zu gucken“). Alfred macht das Wohnzimmer zum Stammtisch, die Salatschüssel zur Fußbadewanne, die „Bild-Zeitung“ zur Schule des Wissens. Und während die Familie noch zu Tische sitzt, schnippelt er an seinen Fußnägeln herum.

Ein Herz und eine SeeleFoto: WDR
Schrieb politisch und formatästhetisch Fernsehgeschichte: Wolfgang Menges „Ein Herz & eine Seele“ (ARD/WDR). Mit Diether Krebs, Elisabeth Wiedemann, Heinz Schubert & Lotti Krekel

Der „Silvesterpunsch“ sorgt in der gleichnamigen Folge aus dem Jahre 1973 für besondere Stimmung im Hause Tetzlaff. Nicht allein, dass die Bemühungen, ein besonders festliches und versöhnliches Silvesterfest zu verbringen, durch die angeborene „Herzlichkeit“ von Ekel Alfred von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Nein, dummerweise hat sich das politische Klima im Deutschland in jenen Jahren geändert. Helmut Schmidt ist Bundeskanzler – ein „Sozi“ – und das bringt Alfred erst recht auf die Palme und lässt ihn mit seinem „roten“ Schwiegersohn aneinander geraten. Und der Punsch tut seine Wirkung… (Alexander Röder)

„Ein Herz und eine Seele“ besitzt eine Ausnahmestellung im deutschen Fernsehen. In einer Zeit der Politisierung schaltete sich die 1973 bis 1976 laufende Serie immer wieder in die öffentliche Diskussion ein. Da die Sendungen erst wenige Stunden vor der Ausstrahlung aufgezeichnet wurden, konnte sich Autor Wolfgang Menge immer wieder in tagesaktuelle Ereignisse einschalten. Politische Anspielungen, die Ross und Reiter beim Namen nennen, waren vorher und nachher im deutschen Fiktion-Fernsehen die Ausnahme. Ästhetisch war „Ein Herz und eine Seele“ ein früher Vorreiter der Sitcom-Welle, die hierzulande erst mit dem Privat-TV, Anfang der 90er Jahre, Eingang in die Eigenproduktionen der Sender fand. Das theaterhaft reduzierte Setting mit standardisierter Aufnahmetechnik ermöglichte ein relativ preiswertes Fernsehen. Zwischen 60.000 und 85.000 Mark kostete eine Serien-Folge.

Die Serie, die zunächst fast ein Jahr lang in Schwarzweiß im dritten WDR-Programm lief, wurde in Farbe in die ARD befördert. So wurde „Ein Herz und eine Seele“ mehr und mehr zum Gesprächsthema oder für Menschen, die die Serie ablehnten, zum Politikum. Säcke von Protestbriefen gingen bei den Sendern ein – auch weil Alfred Tetzlaff Worte wie „Scheiße“ oder „Arschloch“ in den Mund nahm. Die meisten Zuschauer erkannten die satirische Überspitzung, das Spiel mit dem Vokabular der ewig Gestrigen. Doch es soll auch andere gegeben haben, Anhänger bräunlichen Gedankenguts, die sich durch die Wutreden des kleinen Mannes in ihrer Ideologie bestätigt sahen. Sogar Politiker machten sich die Popularität von „Ekel Alfred“ zunutze. So wetterte Horst Ehmke (SPD) während einer Bundestagsdebatte in Richtung Opposition: „Wenn ich Alfred Dregger mit Alfred Tetzlaff vergleiche, erscheint mir Tetzlaff sehr sympathisch, vor allem, weil er unverblümt sagt, was er denkt.“ (Text-Stand: Juni 2023)

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WDR

Mit Heinz Schubert, Elisabeth Wiedemann, Hildegard Krekel und Diether Krebs; Helga Feddersen und Klaus Dahlen (1976)

Kamera: u.a. Wolfgang Feld, Kurt Wolfrum, Franz-Josef Bruns

Szenenbild: Dela Fredrich, Claus von Schilling, Manfred Lütz

Produktionsfirma: Westdeutscher Rundfunk

Drehbuch: Wolfgang Menge – nach der britischen Sitcom „’Till Death Us Do Part“ (1966-74)

Regie: Jürgen Preen, Jürgen Flimm

EA: 15.01.1973 20:15 Uhr | WDR

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