Die Fotografin Esther befindet sich in einer Sinnkrise. Die Frau um die 50 hat die letzten Jahre ihres Lebens an den Verleger und Kulturmäzen Rolf Berghoff verschwendet. Jetzt gibt er der ewigen Geliebten den Laufpass. Noch bevor er ihr von dem Kind erzählt, das er mit seiner Assistentin erwartet, hatte sie sein Angebot angenommen, in seinem Ferienhaus in den Bergen zur Ruhe und wieder zu sich zu kommen. Hier verbringen sie ihre letzten gemeinsamen Stunden. Wenig später ist Rolf Berghoff tot. Bei Paul, dem forschen, etwas unverschämten jungen Mann, der sich im Nachbarhaus mit Drogen, Sex und Rock & Roll eingerichtet hat, findet Esther bald Rolfs Portemonnaie. Hat Paul ihren Ex-Geliebten im Suff tot gefahren? Bald taucht ein zweiter Nachbar auf: Stephan Rainbold, ein alter Freund von Rolf. Hier in den Bergen haben sich ihre Familien über Jahre jeden Sommer getroffen – bis ein Selbstmord das alljährliche Idyll zerstörte. Esther ist neugierig, sie will herauskriegen, was damals passiert ist.
„Ich schreibe gern psychologische Dramen, die ich in die Form eines Thrillers verpacke. Mir gefällt es, Abgründe auszuloten und von den sich daraus ergebenden unvorhersehbaren Handlungen, Gewalttaten oder intimen Übergriffen zu erzählen.“ (Autorin Hannah Hollinger)
„Ein geheimnisvoller Sommer“ ist ein Beziehungskammerspiel vor dem Panorama der Berge. Die Dialoge haben das Sagen: es wird viel über die Vergangenheit geredet, innere Befindlichkeiten werden erklärt und Haltungen oft unvermittelt zum Besten gegeben. Sätze wie „Finde einen magischen Ort“, „Ich habe Angst, alt zu sein“ oder „Haben Sie Angst vor der Zukunft, vor den vielen Tagen, an denen man nicht mehr geliebt wird?“ aus dem Mund einer 17-jährigen Alpen-Sexy-Hexy deuten eine existenzialistische Tiefe an, die die Handlung nicht erfüllen kann. Die Figuren reden klug daher, sogar der schwer erziehbare Heimzögling hebt an zu großen Sätzen über die Liebe und belehrt die doppelt so alte Fotografin.
Für ein philosophisches Findungsdrama könnte diese Sprache angehen. Doch das ZDF wollte offenbar mehr: mehr Drama, mehr Krimi, mehr schicksalhafte Vergangenheit. Der selbst verordnete Zwang in Mainz, ein Beziehungsdrama nie ohne Tod und Polizei, ohne Verdachtsmomente und Verstrickungen zu erzählen, schlägt in diesem Falle merklich auf die Qualität des Films zurück. Auch wenn es immer wieder Momente gibt, in denen Hannah Hollinger ihre Klasse als Drama-Autorin beweist, in denen Suzanne von Borsody und Ludwig Blochberger ihre allzu schwergewichtigen Texte vergessen lassen, so bleibt „Ein geheimnisvoller Sommer“ insgesamt enttäuschend. „Ich suche den Ausschnitt, der mir gefällt und mache ihn zu meiner Wahrheit“, sagt Esther einmal. Das Motiv Fotografie hätte dramaturgisch und filmästhetisch mehr hergeben können. Doch dann hätte man wohl einen anderen Regisseur gebraucht als Krimi-Routinier Johannes Grieser. (Text-Stand: 8.9.2009)