Eine Frau in der Gewalt eines Psychopathen. Sie ist Polizeipsychologin, darauf spezialisiert, mit solchen Menschen umzugehen. Doch es ist ein Unterschied, ob sie es freiwillig tut, in einem geschützten Raum, oder ob sie selbst Gefangene ist. In “Das einsame Haus am See” zieht sich die Heldin, Ellen Weiss, zum Abtauchen in ihre Vergangenheit an einen Ort zurück, an dem sie zuletzt mit ihrer Familie war. Hier hat ihr der Ex-Mann gesagt: “Ich liebe dich, aber ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr warten, bis du anfängst zu leben.” Kaum sind diese Worte aus der Erinnerung verhallt, raunt es ihr noch bedrohlicher entgegen: “Sie werden hier nicht lebend heraus kommen”, prophezeit ihr Leon, ein seltsam gehemmter, nach Dominanz gierender Nachbar, der die Absicht hat, der Psychologin einen qualvollen Tod zu bereiten.
Suzanne von Borsody spielt die Psychologin, die zu Beginn dieses Psycho-Thrillers noch ein glühendes Plädoyer für die Therapierung von männlichen Sexualverbrechern hält. Auch bei ihrer eigenen “Prüfung” bewegt sie sich stets auf dem schmalen Grat zwischen Heilung und Hackebeil. Je mehr im Gespräch die Kindheitsverletzungen der Hauptfiguren ins Zentrum rücken, desto mehr wird die lebensbedrohliche Genre-Situation menschlich dramatisch unterfüttert. So kann die Spannung bis zum Schluss aufrechterhalten bleiben. Denn der Film, der in Sujet und Stimmung deutliche Parallelen zu “Schweigen der Lämmer” aufweist, ist fast eine Stunde lang ein zwielichtiges Kammerspiel für zwei. Ein Katz-und-Maus-Spiel, wie man es schon oft gesehen hat, aber in dieser Eindringlichkeit gespielt bisher nur selten.
Foto: Sat 1 / Kuhroeber
Der Zwang, in Zeiten, in denen Produzenten mit TV-Movies kaum noch Geld verdienen, nicht mit einem Riesentross und einem Dutzend Schauspieler von Dreh- zu Drehmotiv zu ziehen, hat zu einer weitgehenden Reduktion auf jenes titelgebende Haus am See als Schauplatz geführt. Dem Film tut diese klassische Einheit von Raum, Zeit und Handlung gut. Sigi Rothemund, der zuletzt Commissario Brunetti durchs pittoreske Venedig schlendern ließ, fürchtete, dass das Ganze zu düster und bedrohlich werden würde und verlegte eine Szene von Autor Stefan Kolditz kurzerhand aus dem Haus ins Freie. “Wir dachten, dieses Klaustrophobische würde kein Zuschauer durchhalten”, so Max Tidof, der seinen Psychopathen ungewöhnlich facettenreich verkörpert. “Im Nachhinein betrachtet, wäre es nicht nötig gewesen. Der Mensch ist enorm leidensfähig.” (Text-Stand: 16.11.2004)