„Ich war kein normaler Befehlsempfänger, da wäre ich ja ein Trottel gewesen, sondern ich habe mitgedacht. Ich war ein Idealist gewesen.“ Vor 50 Jahren fasste der israelische Geheimdienst Adolf Eichmann, den letzten überlebenden NS-Funktionär, der entscheidenden Anteil an der Deportation und Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden hatte. „Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod“ zeichnet die letzten Jahre des NS-Verbrechers nach, erzählt davon, wie ein drehbuchreifer Zufall in Buenos Aires für Eichmann zum Verhängnis wird und zeigt die Recherchen eines deutschen Generalstaatsanwalts, der die „Operation Eichmann“ wohlweislich dem israelischen Geheimdienst überließ, anstatt sie in die Hände der deutschen Justiz zu legen. Herzstück des Films von Raymond Ley sind die unzähligen Tonbandaufnahmen aus den späten 1950er Jahren, in denen der niederländische Journalist Willem Sassen, einst SS-Mann und Kriegsberichterstatter, den eiskalten Deportations-Logistiker interviewt für ein Buch, das den „alten Kameraden“ in der Heimat Mut machen soll.
Foto: NDR / Julie A. Larramendi
Alles beginnt mit der Liaison zwischen Nick Eichmann und Silvia Hermann. In Buenos Aires lebten in den 1950er Jahren die Opfer und die Täter aus Deutschland Tür an Tür. Viele der Hermanns sind in den KZs vergast worden. Silvias Vater konnte rechtzeitig aus Dachau entkommen. Jetzt will er den Naziverbrecher seiner gerechten Strafe zuführen. Seine Tochter hilft ihm dabei. Doch die Gerechtigkeit fordert Opfer: Die Hermanns werden durch diese Aktion, an deren Ende 1962 die Hinrichtung Eichmanns steht, abermals auseinander gerissen.
„Eichmanns Ende“ steht ganz im Zeichen der „Banalität des Bösen“, jenes Erklärungsmodells, mit dem Hannah Arendt die aus der Normalität geborenen Gräueltaten eines NS-Funktionärs wie Eichmann umschrieb, denen keine krankhaften Motive, allenfalls die deutschen Sekundärtugenden zugrunde liegen. Seinem Sohn sagt er, worauf es ankommt: „Respekt, Ehre, Anstand und zu seinem Wort stehen.“ Und natürlich Gehorsam: „Führerwort hatte Gesetzeskraft“, betont Eichmann lauthals. Sassen, der an der Vermarktung der mitunter widersprüchlichen und nebulösen Ausführungen interessiert ist, treibt den in seinem Selbstwert erschütterten Eichmann in die Enge. Eichmann redet sich in Rage: „Ich habe mich in keinster Weise zu rechtfertigen; ich habe nichts zu gestehen.“
Der Dokumentarist Raymond Ley über die Wirkungsannahme des Films:
„Dieser Stoff könnte ja Gedanken-Futter sein für den einen oder anderen von rechter Couleur. Ich glaube nur, so wie wir es gemacht haben, in der Konstruktion, in dem Widerspruch, in dem sich auch Eichmann in unserem Stück verwickelt, in dieser Schlichtheit von Eichmanns Gedankenwelt, in all dem gibt es wenig Angriffspunkte für heroische Verehrung. ‚Unser Eichmann‘ entzieht sich einer möglichen ‚Bewunderung‘. Ich habe deshalb gerade auch die Sätze ausgewählt, die Eichmann in seiner Schlichtheit, in seiner Borniertheit, in seinem unglaublichen Rassenhass entkleiden. Man hat wenig Freude an dem ‚Helden'“.
Foto: NDR / Julie A. Larramendi
Drehbuchautor und Regisseur Raymond Ley führt mehrere Lebenswege zusammen. Die eindringlichsten Momente fußen auf Sassens Tonbandprotokollen. In „Eichmanns Ende“ gilt das gesprochene Wort – und doch gelingt es Ley immer wieder aus den düsteren 50er-Jahre-Herrenzimmern auszubrechen und sich in die Straßen von Buenos Aires zu begeben. Der kalten Technologie des Tonbandes stellt er die Sinnlichkeit des Tangos gegenüber, dem Wort das Bild, der Politik die Gefühle. Die Montage bricht immer wieder die Chronologie auf, verschneidet Recherche und Rückblenden, wechselt von Deutschland nach Südamerika und sie versucht auch, dem nach über 65 Jahren noch immer Unfassbaren mit Bildern zu begegnen: Leichenberge, die Opfer des so banalen Bösen – und der Zuschauer muss hinsehen, ins nackte Grauen (und kein konventionalisierter Musikschwulst Marke Knopp schützt ihn).
„Eichmanns Ende“ ist nicht leicht goutierbar und doch ist der Film weniger spröde als erwartet. Das Spiel, die Ästhetik bestimmt den Grundton, das Dokumentarische lebt vor allem in der Sprache auf. Und auch da kommt das Spiel zu seinem Recht: Herbert Knaup gibt den „lebenden Aktenbock, der sich seine Gedanken machte“, er leuchtet in die hintersten Winkel einer verängstigten Kleinbürgers und kaltblütigen Schreibtischtäters, der stets um die Aufwertung seines Selbst bemüht ist. Ulrich Tukurs gibt seinen Sassen Tukur-like: intelligent, raffiniert und ein wenig überheblich. Und Axel Milbergs Generalstaatsanwalt verschlingt Akten und gibt sich in 50er-Jahre-Grau. Den Farbtupfer des Films setzt Henriette Confurius: sie spielt den weiblichen Racheengel, die Schicksalsbotin, die Adolf Eichmann identifiziert.