Drunter und Drüber – Chaos auf dem Friedhof

Nicholas Ofczarek, Julia Jentsch, Windisch, Tscharre, Christopher Schier. Memento mori

Foto: Amazon Studios
Foto Tilmann P. Gangloff

„Drunter und Drüber – Chaos auf dem Friedhof“ (Prime Video / Rundfilm) ist eine sehr muntere und stellenweise schwarzhumorige österreichische Serie mit Nicholas Ofczarek und Julia Jentsch, dem Duo aus der Sky-Serie „Der Pass“: Als der Leiter eines Wiener Friedhofs stirbt, sieht sich sein penibler Stellvertreter bereits als Nachfolger, aber die Stadt setzt ihm eine völlig unerfahrene Frau vor die Nase. Prompt sabotiert er die zum Missgeschick neigende neue Chefin, wo er nur kann; dabei können die beiden als Kombination von Kosmos und Chaos den Friedhof nur gemeinsam vor der drohenden Schließung bewahren. Unter der Erde verfolgen die Verstorbenen das Geschehen droben derweil in Form einer Dauerserie.

Friedhöfe werden im Allgemeinen als das Ende der Lebensreise betrachtet. Tatsächlich sind sie nur eine Zwischenstation. Unten drunter befindet sich ein Transitbereich, der einen etwas in die Jahre gekommenen Charme verströmt. Hier harren die Verstorbenen aus, bis sie ihren ganz persönlichen „Memento mori“-Moment erleben. Bis dahin sorgt eine Dauerserie für Kurzweil, denn auf Bildschirmen können die Verblichenen verfolgen, was sich auf dem Gottesacker tut, und das ist eine ganze Menge: Jüngster Zugang in der Wartezone ist der von einem steinernen Engel erschlagene Friedhofsleiter. Sein Vize betrachtet sich selbstverständlich als natürlicher Nachfolger, aber der Chef des zuständigen Stadtamts setzt ihm eine völlig fachfremde Kollegin vor die Nase. Ursula Fink hat eine gewisse Neigung zum Missgeschick und sorgt zur Bestürzung des peniblen Helmut Wondratschek, Arbeitsmotto „Der Tod schafft Tatsachen“, umgehend für allerlei Unordnung. Was beide nicht ahnen: Der Wiener Friedhof soll abgewickelt werden. Nur ein Wunder kann die Renaturierung verhindern. Sie als Chaos-Queen und er als Repräsentant der komischen Ordnung könnten dieses Wunder bewirken, weil sie sich perfekt ergänzen, aber dafür müsste Wondratschek über seinen Schatten springen und aufhören, die kreativen Ideen seiner Vorgesetzten im kindischen Kleinkrieg zu sabotieren.

Drunter und Drüber – Chaos auf dem FriedhofFoto: Nikolette Kustos / Amazon Studios
Dem Vize eine fachfremde Frau vor die Nase gesetzt: Nicholas Ofczarek & Julia Jentsch. Wien, Freud, Todestrieb, der Mythos Zentralfriedhof – in dieser Konnotationslinie steht in gewisser Weise auch diese Prime-Video-Serie von Christopher Schier.

Schon allein der Einfall mit den zwei Welten drunten und droben ist famos, und natürlich hat Judith Westermann ihre Geschichte mit allerlei schwarzem Humor gewürzt. Für den Rest sorgt das Mit- und Gegeneinander des um eine Bestatterin ergänzten neunköpfigen Teams, für das sich die Autorin allerlei Befindlichkeiten ausgedacht hat. Prägnanteste Figuren sind neben der gutgelaunten Ursula (Julia Jentsch) und ihrem von allem bloß „Heli“ genannten Vize (Nicholas Ofczarek) der Steinmetz Werner (Harald Windisch) und seine Frau Kornelia (Ulrike C. Tscharre). Weil sie sich in Wirklichkeit mit Heli zum Sex trifft, wenn sie sich zurückzieht, um angeblich eine Trauerrede zu verfassen, hält sie mehr oder weniger immer wieder die gleiche Ansprache („Der Tod lächelt uns alle an“). Ihre Gärtnerei befindet sich zum Glück außerhalb des Geländes, denn Tochter Selbi (Ella Lee) hat eine ausgeprägte Friedhofsphobie, über deren Ursache eine gleichermaßen lakonische wie makabre Rückblende informiert. Momente dieser Art sind die stärksten der insgesamt acht im Schnitt circa 25 Minuten kurzen Episoden: wenn Westermann und ihr Koautor, Regisseur Christopher Schier, nicht viel Worte machen, sondern die Bilder für sich sprechen lassen.

Drunter und Drüber – Chaos auf dem FriedhofFoto: Amazon Studios
Angemessen düster und erwartungsgemäß schwarzhumorig. Nicholas Ofczarek & Ulrike Tscharre in „Drunter und Drüber“ (2025)

Schier hat mit Ofczarek auch die Sky-Serie „Die Ibiza Affäre“ gedreht, dafür sind beide 2022 mit dem Grimme-Preis geehrt worden. „Drunter und Drüber“ hätte gut und gern etwas mehr von diesem Biss vertragen können, zumal das Inszenierungstempo zwischendurch jener Gemütlichkeit entspricht, mit der Wondratschek im Golfmobil über den Friedhof zuckelt, aber allein die Spielfreude des Ensembles gleicht das locker aus; Ofczarek und Julia Jentsch waren schon in den drei Staffeln der Sky-Serie „Der Pass“ (2019-2023) ein ausgezeichnetes Duo. Mindestens genauso viel Spaß machen die vielen erzählerischen Facetten. Für große Heiterkeit sorgt unter anderem der Vorschlag, mit einem „Tag des offenen Grabs“ neue Kundschaft zu gewinnen. Was als fröhliches Fest für die ganze Familie geplant war, läuft prompt komplett aus dem Ruder. Die Anarchie, in die das Ereignis schließlich ausartet, ist ein typisches Beispiel für die Geistesblitze Ursulas, die das Wort „Feuereifer“ bei der Umsetzung ihrer Einfälle mitunter allzu wörtlich nimmt, wie gelegentliche Rückblenden in ihre Zeit beim Stadtamt offenbaren.

Die Kombination mit der Endlos-Soap „Die Drüber“ mit ihren weit über 700.000 Episoden ist zudem weit mehr als nur ein zusätzlicher Gag. Die Personen im Wartesaal kommentieren nicht bloß lautstark, was die Menschen eine Etage höher treiben, sie können das Geschehen dank einer speziellen Fähigkeit von Totengräber Fred (Gerhard Greiner) auch beeinflussen. Zwischendurch gibt’s anlässlich der Bestattung eines „Furrys“ auch mal ein Erklärstück. Ansonsten ist die im Format 4:3 gestaltete Dauerserie inklusive dramatischer Musik, Cliffhangern und Werbung für kompostierbare Särge wie eine typische tägliche Serie konzipiert. Am Ende tragen „die Drunter“ sogar erheblich zur Rettung des Friedhofs bei. Bei der Umsetzung ihrer Anregung geht zwar wieder Einiges gründlich schief, aber gerade deshalb wird die Aktion überhaupt erst zu einem kleinen Wunder.

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Mit Nicholas Ofczarek, Julia Jentsch, Harald Windisch, Ulrike C. Tscharre, Ella Lee, Johanna Orsini, Nikolai Baar-Baarenfels, Sarah Viktoria Frick, Gerhard Greiner, Susanne Wuest, Xiting Shan, Edi Jäger, Rafael Gareisen

Kamera: Andreas Berger

Szenenbild: Desiree Salvador

Kostüm: Amanda Frühwald

Schnitt: Nina Worisch, Philipp Kleibel

Musik: Philipp Steinke, Tobias Felix Kuhn

Soundtrack: Philipp Steinke („C‘est la vie”)

Produktionsfirma: Rundfilm

Produktion: Constanze Schumann, Thomas W. Kiennast

Drehbuch: Judith Westermann, Christopher Schier

Regie: Christopher Schier

EA: 09.05.2025 10:00 Uhr | Amazon Prime Video

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