Die Polizeipsychologin Jo hat einen ungewöhnlichen Doppelauftrag. In Dreileben, einer Kleinstadt im Thüringer Wald, soll sie das LKA-Team dabei unterstützen, einen entflohenen Sexualmörder zu fassen. Außerdem soll sie den Fall einer jungen Polizistin untersuchen: Diese hat auf einen Kollegen geschossen, der sich, wie sie behauptet, vor ihren Augen in ein Tier verwandelt habe. Das Klima auf der Dienststelle ist gereizt. Es hat nicht den Anschein, als ob hier zusammenwächst, was zusammen gehört. Da ist Jo froh, dass sie bei einer alten Freundin und ihrem neuen Lebenspartner, einem erfolgreichen Schriftsteller, wohnen darf. Zu dritt philosophieren sie nächtelang bei viel Rotwein über das Leben und die Liebe. Mit Vera schwelgt Jo in Erinnerungen über die gemeinsamen Jahre in München. Durch Zufall entdeckt Jo, dass sie beide vor 15 Jahren einen Sommer lang in denselben Mann verliebt gewesen sind. Vera lässt diese verhinderte Liebe nicht mehr los. Sie will jenen Patrick besuchen. In der Zwischenzeit erhärtet sich der Verdacht der Korruption bei der Polizei in Dreileben. Und auch, was den entlaufenen Sträfling angeht, hat Jo einen Plan: sie setzt einen rothaarigen Köder aus.
Dominik Graf über seinen Genre-Wechsel:
„Ich wollte mal von außen auf das Thrillergenre schauen, ich wollte eine Story finden, die wie von einem anderen Autor/Regisseur ist, einem Regie-Alter-Ego von mir sozusagen, der mit Thrillern nicht so recht etwas anfangen kann, sondern dessen Filmographie nur aus kleinen Beziehungsgeschichten besteht.“
Foto: Degeto / Julia von Vietinghoff
„Komm mir nicht nach“ spielt mit den Motiven Verschwinden und Gesuchtwerden. Da ist der Mädchenmörder Molesch. Und da ist Patrick, dem es offenbar zu viel Nähe war in jenem Sommer 1995 und der sich damals von den Frauen zurückgezogen hat. So erzählen es sich jedenfalls die beiden. Und es gab eine zweite Geschichte, Jahre später, von der Vera erst beim Besuch bei Patrick erfährt. Mit dieser Geschichte bestätigt sich der Eindruck, den man als Zuschauer von dieser Jo (magisch: Jeanette Hain) bekommt. Sie ist eine eigenwillige, allein erziehende Mutter um die 40, in deren ehemaligem Kinderzimmer noch alles so aussieht wie früher, die an ihren Cassetten hängt und CDs verabscheut. „Komm“, „Psych“, „Mathe“, „Soz“, „Kunst“ ist auf den Ordner-Deckeln ihres Studiums zu lesen. Das sind die Koordinaten ihrer Persönlichkeit. Sie ist ein Kontrollfreak. „Wussten Sie, dass es in den alten Bundesländern ein Gesetz gegen das Ziehen von Rollkoffern auf Kopfsteinpflastern gibt?“, sagt sie beiläufig und reißt dem Hoteldiener den Koffer aus der Hand. „Eine Frau, die ihre Enttäuschungen für sich behält. Eine Frau, die Rache nehmen muss, wenn sie verletzt wurde. Sie ist nachtragend und einsam – und dennoch liebenswert“, so beschreibt Regisseur Dominik Graf Markus Buschs Schöpfung. Auch sie bevorzugt das Muster des Verschwindens. Die impulsive Vera ist da ganz anders. Sie ist schnell mal eben weg – aber sie kommt wieder.
Dominik Graf ist einer der wenigen Regisseure hierzulande, den man als „Männerfilmer“ bezeichnen könnte. Zwar hat er in zwei starken „Polizeiruf 110“-Episoden zwei starke Frauenfiguren gezeichnet, doch die Konzentration auf „sein“ Genre, den Polizeifilm, lässt die männliche Perspektive dominieren. Die Milieus, Rot- und Blaulicht, tun ihr Übriges. In seiner Episode zur Regisseurs-Trilogie „Dreileben“ hat er sich nach langer Zeit mal wieder dem „Beziehungsfilm“ zugewendet, für den der Krimi nur den Rahmen bildet. Wer Filmesehen als Begegnungen begreift, wer Filme gern mag, in denen sich Menschen begegnen und über sich und die Welt diskutieren, schwadronieren – der kann sich von diesem Film, der auf drei großartige Schauspieler setzt, nur verführen lassen. Auch das „Soz 97“ vom Aktendeckel der Heldin kommt in Grafs poetischem Realismus zu seinem Recht. Privatheit definiert sich in „Komm mir nicht nach“ auch durch den öffentlichen Raum. Volksfeste, Karaoke, winkende Nachbarn am Gartenzaun – das ist nicht das Leben von zwei westdeutschen Intellektuellen. Ganz nebenbei zeichnet Graf ein Sittenbild einer thüringischen Kleinstadt. Und statt des Polizeifunks liegt dann schon mal die Bundesliga-Schaltkonferenz über den Bildern.