Die Titelheldin dieser neuen ZDF-Serie macht ihrem Namen alle Ehre, denn Dr. Klein ist, wie sie heißt. In ihrem Beruf erweist sich die Kleinwüchsigkeit allerdings als Vorteil, denn Valerie Klein (ChrisTine Urspruch) ist Kinderärztin; sie kann ihren Patienten buchstäblich auf Augenhöhe begegnen. Allerdings hat sie einen Gegenspieler, der ein Vorurteil auf zwei Beinen ist. Der Mann heißt Lang und war überzeugt, man werde ihn zum leitenden Oberarzt der Stuttgarter Kinderklinik Rosenstein berufen. Den Job hat jedoch Valerie Klein bekommen; kein Wunder, dass dieser nicht gut auf die neue Kollegin zu sprechen ist.
Die Voraussetzungen für pfiffige Geschichten sind also perfekt: Die medizinische Ebene bietet fesselnde Fälle, das Konkurrenzdenken garantiert Spannungen ganz anderer Art, und für die tragikomischen Momente gibt’s die Demenzerkrankung von Kleins Vater (Kranzkowski), der mitunter vergisst, dass er das Büro des Klinikchefs vor geraumer Zeit seinem Nachfolger Magnus Eisner (Nemec) überlassen hat. Allerdings wirkt die Etablierung der Titelfigur wie die Verfilmung der Redensart „Klein, aber oho“. Außerdem unterläuft Regisseur Weinreuter in Folge 1 bei dem Versuch, die Erzählstränge miteinander zu kombinieren, ein Fehler, der den Rhythmus für diesen Moment komplett zerstört: Valerie Klein operiert einen Jungen mit Milzriss, es gibt keine passenden Blutkonserven; Lang ist dafür, das Organ zu entfernen. Dank rascher Schnittfolge und beweglicher Kamera ist die Szene packend und temporeich, aber mittendrin wechselt die Handlungsebene, weil ja noch Valeries Familie eingeführt werden muss; das ist kein retardierendes Moment, sondern ein echter Spannungskiller.
Im Verlauf der von Torsten Lenkeit entwickelten Serie gelingt die Kombination der Erzählstränge weitaus harmonischer, zumal sich die Dramaturgie der Geschichten oft gerade erst aus der Verknüpfung ergibt. Damit „Dr. Klein“ auch dem Etikett Familienserie gerecht wird, ist die Ärztin mit einer pubertierenden großen Tochter geschlagen, der Valeries Kleinwüchsigkeit so peinlich ist, dass sie ihre Mutter am liebsten verstecken würde. Das Klinikpersonal wiederum ist so gestaltet, dass selbst im Pressematerial des ZDF angemerkt wird, Dr. Klein sei „nicht der einzige ‚Exot’“ in der Klinik: Der Chefarzt (Nemec) ist schwul, ein Assistenzarzt dunkelhäutig und die Oberschwester übergewichtig. Ansonsten freut man sich beim „Zweiten“, dass sich „Dr. Klein“ zwischen „großen Emotionen und pointiertem Humor bewegt, der sich nicht vor politisch unkorrekten Zwischentönen scheut.“ Von Zwischentönen kann allerdings keine Rede sein, denn Kleins zynischer Macho-Kollege Lang macht keinerlei Hehl aus seiner Feindseligkeit. Umso interessanter ist die Handlung von Folge drei, als er einer im sechsten Monat schwangeren Patientin (Chiara Schoras), die ein kleinwüchsiges Kind erwartet, mehr oder weniger unverblümt rät, das Kind abzutreiben.
Natürlich ist die Moral der Geschicht’, dass sich wahre Größe nicht in Zentimetern messen lässt, und dafür ist ChrisTine Urspruch selbstredend die beste Besetzung: Valerie Klein ist eine ähnlich selbstbewusste Frau wie Silke „Alberich“ Haller im „Tatort“ aus Münster; auch die Bildgestaltung erfolgt „auf Augenhöhe“. Andererseits lässt es sich kaum vermeiden, dass man bei den Auseinandersetzungen mit ihrem Gegenspieler unwillkürlich an die Verbalduelle denkt, die sich Urspruch regelmäßig mit Jan Josef Liefers liefert; der Vergleich ist jedoch nicht angebracht, denn der boshafte Lang ist im Gegensatz zu Boerne kein bisschen liebenswert. Leider beweist die Serie auch, wie schwierig es ist, gute Kinderdarsteller zu finden; die Sätze der jüngsten Mitwirkenden klingen durchweg aufgesagt. Für eine Familienserie geht es außerdem mitunter recht unverblümt zu; und das gilt keineswegs nur für die Dialoge.