„Was wirklich zählt, das muss man sich erkämpfen.“ Diesen Leitsatz gibt der Vater auf dem Sterbebett seiner Tochter mit auf den Lebensweg. Hope Bridges Adams zieht nach dem Tod ihres vom Sozialismus überzeugten Vaters in die Heimat ihrer Mutter: in Leipzig aber gehen die Uhren anders als in London. Hope möchte Medizin studieren. Gegen alle Widerstände erkämpft sie sich nicht nur den Zugang zum Studium, sondern 1880 auch das Recht zum Examen. Sie war damit die erste Frau in Deutschland, die ein medizinisches Staatsexamen ablegen durfte. Auch wenn sie nicht „weggeheiratet“ werden möche, gibt sie wenig später dem Werben ihres Kommilitonen Otto Walther nach. Gemeinsam praktizieren sie in Frankfurt, bevor sie ein Sanatorium für Tuberkulosekranke eröffnen. Der Hintergrund: Hope selbst war an TBC erkrankt und ist im Licht und in der Höhenluft des Schwarzwaldes gesund geworden. Für die Frau, die ihre Behandlungsmethoden stets gern aus der eigenen Erfahrung statt nur aus überholten Theorien abgeleitet hat, war dies ein Zeichen.
Hope – der Name ist ein Versprechen. Die außergewöhnliche Frau, eine Pionierin der Frauenbewegung, löste es ein. Das Wohl der Frauen lag ihr ein Leben lang am Herzen. Sie wagte sich zur Visite in die Armenviertel, sie schrieb Bücher, in denen sie Hygiene, Sexualität, Verhütung und Kinderpflege thematisierte und mit gesellschaftspolitischen Themen wie Ehe und Familie, Armut und Ernährung kurz schloss. Dabei verstieg sie sich nicht ins politisch Polemische, dem Pragmatischen, der Lebenshilfe für die weitgehend rechtlosen Frauen, gab sie den Vorrang. Stark machte sie sich auch für eine Liberalisierung des Abtreibungsverbots, was ihr 1914 eine Klage wegen illegaler Schwangerschaftsabbrüche einbrachte. Ihr letzter Traum war ein Frauen- und Geburtshaus. Wegen des Krieges und ihrer angeschlagenen Gesundheit blieb dieser Traum unerfüllt.
„Dr. Hope – Eine Frau gibt nicht auf“ klingt nach großem Schicksals-TV-Roman. Und auch dieses Versprechen löst der Film ein. Es reicht bei einem Zweiteiler nicht, eine Vita – und mag sie noch so reich sein – in eine chronologische Abfolge spannender Lebenssituationen zu überführen; der große Bogen will gespannt sein. Und was bietet sich als Band zwischen den Stationen eines Lebens Geeigneteres an als der Kampf einer Frau gegen die Männergesellschaft, einer liberalen Streiterin für die lebenspraktischen Belange ihrer Geschlechtsgenossinnen gegen die überkommenen Verhältnisse des Kaiserreichs? So nachvollziehbar die Überlegungen der Produzenten, Redakteure und der Autoren auch sind – die seifige Dramatisierung eines Lebens hat eine Kehrseite: So wird jede Aktion zur sozialen Herausforderung; jede gute Tat steht für das große Ganze. Eine schwere Bürde für die, die gegen diese dramaturgischen Widrigkeiten Leben in die durcheilten 44 Jahre pumpen sollen.
Nichtsdestotrotz gelingt es Heike Makatsch, einen mit auf die dreistündige Reise zu nehmen. Es ist ein wohlfeiles Ritual vieler Fernsehkritiker, gebetsmühlenhaft die Schauspieler zu loben. Bei „Dr. Hope“ liegt der Fall anders: die Hauptdarstellerin kann nicht genug gepriesen werden. Sicher, in diesem historischen Bilderbogen schlägt einmal mehr die Stunde der Ausstatter, der Requisiteure und der Kostümbildner. Doch ohne dieses Gesicht, das einen durch die Jahrzehnte führt, ohne das eigenwillige Aussehen dieser Frau, die nicht dem aktuellen Schönheitsideal entspricht und deren spannende Biographie man beim Zuschauen unbewusst mit abruft, ohne diese ausdrucksstarke Schauspielerin wäre „Dr. Hope“ grandios gescheitert. Gut, dass Dr. Hope Lehmann, wie sie sich nach ihrer zweiten (!) Heirat nannte, in Deutschland keine Berühmtheit ist und sie in einer Zeit lebte, in der die (fotografische) Medienpräsenz noch keine Rolle spielte. So kommt der Betrachter nicht in Verlegenheit, Vergleiche mit der realen Persönlichkeit anzustellen. Und so dürfte „Dr. Hope“ – ähnlich wie einst „Margarethe Steiff“ – nicht dasselbe Schicksal bei der Kritik erleiden wie „Hilde“.
Ohne Heike Makatsch würde einem wohl immer nur die gediegene Machart des ZDF-Zweiteilers ins Auge stechen. Oder dieser „leicht pudrige Tonfall der Figuren“ (Autor Torsten Dewi) in den Ohren liegen? Was nicht ausschließt, dass die zweifelsohne bemerkenswerte Lebensgeschichte für den geneigten Zuschauer ein guter Grund sein kann, sich zwei Abende freizuhalten. Was die Inszenierung im Detail angeht, wechseln hier Licht und Schatten im doppelten Sinne. Zwischen Stil und Kunsthandwerk pendelt der Oldtime-Look. Visuell konsequent stellt „Frauen-Regisseur“ Martin Enlen seine Heldin immer wieder in ein überhelles, warmes Licht. Er macht sie zur Ikone der Frauenbewegung, zu einer Lichtgestalt, die immer wieder von den dunklen, reaktionären Kräften im Kaiserreich angegangen wird. Konfrontiert wird sie aber auch mit Krankheit und sozialer Not. Da fallen dann lange Schatten auf die sonnige Seele einer Unverzagten.