Donna Leon – In Sachen Signora Brunetti

Król, Auer, Brandt, Furtwängler. Die Schwere der frühen "Donna Leon"-Adaptionen

Foto: Degeto
Foto Tilmann P. Gangloff

In der Regel spielt die Gattin des Commissario nur eine Nebenrolle, hier jedoch ist sie als Titelfigur Auslöserin der Ereignisse: Kurz nachdem Paola Brunetti den Besitzer eines Reisebüros öffentlich bloßgestellt hat, weil er Sexreisen vermittelt, wird der Mann ermordet. „In Sachen Signora Brunetti“ war 2002 der dritte Venedig-Krimi der ARD. Die Unterschiede zu den jüngsten Adaptionen sind enorm, und das nicht nur, weil damals noch Joachim Król die Hauptrolle gespielt hat. Viele bekannte TV-Gesichter am Anfang ihrer Karriere!

„In Sachen Signora Brunetti” war seinerzeit die dritte Verfilmung eines Romans von Donna Leon und der vorletzte Auftritt von Joachim Król und Barbara Auer als Ehepaar Brunetti. Dem Titel entsprechend steht zunächst die Gattin im Zentrum, was der Handlung einen besonderen Reiz gibt. In den folgenden Adaptionen ist Paola Brunetti (ab Film Nummer fünf von Julia Jäger verkörpert) nur für den familiären Hintergrund der Hauptfigur wichtig; für die eigentlichen Fälle ist sie meist entbehrlich. Hier aber dominiert sie sogar die erste Hälfte des Films. Die Geschichte beginnt mit einem beherzten nächtlichen Steinwurf in ein Schaufenster: Die Signora findet es unerträglich, dass das Reisebüro Mitri Sextourismus anbietet. Der Commissario, sonst stets ein Verfechter von Anstand und Moral, lässt das polizeiliche Protokoll mit ihrem Geständnis verschwinden, was prompt zu seiner Suspendierung führt; im Hause Brunetti kommt es zu einer handfesten Ehekrise. Als Mitri kurz drauf ermordet wird, nachdem Paola ihre Vorwürfe lautstark in einem Restaurant wiederholt hat, kehrt der Commissario in den Dienst zurück und findet heraus, dass der Unternehmer als Besitzer mehrerer Pharma-Firmen noch weitaus unanständigeren Dreck am Stecken hatte.

Obwohl „In Sachen Signora Brunetti“ noch gar nicht so alt ist (TV-Premiere war am 10. Oktober 2002), liegt ein weiterer Reiz des Films in der Besetzung der Nebenfiguren. Für Matthias Brandt war der miese Mitri ein Jahr vor seinem Durchbruch als Günther Guillaume („Im Schatten der Macht“) eine seiner ersten Fernsehrollen überhaupt. Maria Furtwängler (als Signora Mitri) war damals schon einen Schritt weiter: Ein halbes Jahr zuvor hatte sie ihre Premiere als niedersächsische „Tatort“-Kommissarin gefeiert. Auch Harald Schrott (als Mitris Angestellter, der die Sexreisen organisiert) stand damals noch am Anfang seiner Laufbahn. Am interessantesten aber ist naturgemäß der Vergleich der beiden Brunetti-Darsteller. Joachim Król, dessen Filmografie gleich mehrere vorzeitig abgebrochene Kommissarskarrieren enthält („Wilsberg“, Brunetti, „Lutter“, „Tatort“), ist ein völlig anderer Typ als Uwe Kockisch, der seinem Commissario viel Eleganz verleiht; Króls Brunetti ist ein vollbärtiger Pullover-Typ mit biederen Beamtenanzügen und langweiligen Krawatten. Auch die Inszenierung ist eher brav und unauffällig. „In Sachen Signora Brunetti“ ist der erste Venedig-Film des unzertrennlichen Duos Sigi Rothemund (Regie) und Dragan Rogulj (Kamera), das bis heute (2015) an die fünfzig Filme miteinander gedreht hat. Das Tempo ist jedoch unüberschaubar, selbst in den wenigen Action-Szenen bricht keine Hektik aus. Immerhin hat Rogulj dafür gesorgt, dass Barbara Auer und Maria Furtwängler buchstäblich im besten Licht erscheinen.

Zu den insgesamt eher düsteren Bildern passt auch der weitgehende Verzicht auf witzige Momente; in den späteren Filmen muss Michael Degen als Brunettis tragikomischer Chef Patta immer wieder mal in diverse Fettnäpfchen treten (was nicht jedermanns Sache ist). Auch die sinfonische Musik, vorgetragen vom Filmorchester Babelsberg, signalisiert eine Schwere und Strenge, die Produzent Nico Hofmann, der die Reihe einige Jahre darauf übernommen hat, den Filmen ausgetrieben hat. Ob das ein Fortschritt war, ist Geschmacks-Sache; unter Hofmanns Einfluss sind die Inszenierungen in jedem Fall luftiger geworden, was sie weniger kammerspielhaft wirken lässt als diesen Film. (Text-Stand: 15.7.2015)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Joachim Król, Barbara Auer, Peter Fitz, Michael Degen, Annett Renneberg, Karl Fischer, Matthias Brandt, Laura-Charlotte Syniawa, Patrick Diemling, Maria Furtwängler, Harald Schrott

Kamera: Dragan Rogulj

Szenenbild: Stephanie Ernst

Schnitt: Darius Simaifar

Musik: Florian Appl, Titelmelodie: André Rieu

Produktionsfirma: TPI Trebitsch Produktion International

Drehbuch: Kathrin Richter, Ralf Hertwig

Regie: Sigi Rothemund

EA: 10.10.2002 20:15 Uhr | ARD

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