Sie war auf dem besten Weg, die jüngste und beziehungstechnisch glücklichste Herzchirurgin aller Zeiten zu werden… Jetzt sitzt Fritzi Frühling auf dem Land, irgendwo in der brandenburgischen Pampa, in einem Kuhkaff namens Kanada, ihrer alten Heimat. Sie hat dort einen Bauernhof geerbt – und weil auf dem Land Hausarztmangel herrscht, hat sie bald auch eine Praxis an der Backe, eine Gemeinschaftspraxis, ausgerechnet mit ihrer Jugendliebe Falk, den sie einst ziemlich böse abserviert hat. Mensch und Tier werden hier abwechselnd behandelt – Falk ist Veterinärmediziner – und vorzugsweise geht dabei der eine dem anderen zur Hand. Denn die Krankenfälle sind nicht ganz ohne: Finger fressende Schweine, Notfall-OPs auf dem Esszimmertisch, ein depressiver Pinguin, ein alter Freund, der plötzlich Ute heißt, ein Ast im Brustkorb, ein Blindenhund, der blind zu werden droht, und viele eklige Ausschläge, Entzündungen und Vergiftungen gibt es in Gottes schöner Natur. Doch erst einmal will sich von der etwas ruppigen Jung-Ärztin keiner im Dorf behandeln lassen.
Foto: RTL / Gordon Mühle
„Bis es euch gefällt“, der alte, selbstironische Wahlspruch der TV-Unterhaltung scheint auch als Motto der RTL-Serie „Doc meets Dorf“ ausgegeben worden zu sein. „Erste Tage – einfach drauf geschissen“, heißt es in der zweiten Folge. Erste Serienfolgen – dito. „Landarzt sein wollen ist nicht schwer“ zeigt, wie die Heldin mit trotzigem Lächeln, süßer Zahnlücke, frechem Mundwerk und mit einer Kettensäge im Behandlungszimmer das Vertrauen der Dörfler gewinnen möchte. Als alles nichts hilft, gibt sie sich in der Dorfkneipe einer Fressorgie mit Tequila-Beilage hin, will eine Rede halten und rettet einen Lokalbesucher vorm Erstickungstod. Selbst das hilft nicht – die Praxis bleibt leer. Das chaotische Wesen der Heldin färbt deutlich auf die Dramaturgie dieser achtteiligen Serie aus dem Hause TeamWorx ab, die „Doctor’s Diary“ von Sujet und Schrägheit und eine Serie wie „Desperate Housewives“ von seinen hippen Manierismen her nachzueifern versucht. Versucht. Zwei Folgen jedenfalls reichen nicht aus, um dem (wo)möglichen Charme dieser Serie zu erliegen. Perfekt ist auf den ersten Blick allein der animierte Vorspann. Vielleicht, wenn sich die gewollt, ziemlich ausgedacht wirkenden Setzungen der Serie gelegt haben, wenn die Figuren ein Eigenleben entwickeln und man sie freundschaftlich lieb gewonnen hat – vielleicht ist dann mehr drin für Fritzi Frühling & Co. Vielleicht erschließt sich dann langsam auch der von RTL behauptete Mikrokosmos. Vorausgesetzt allerdings, die von Hingucker Inez Bjørg David locker flockig verkörperte Hauptfigur plappert sich und diese Serie nicht weiterhin in Grund und Boden.
Dieses bedeutungsschwangere, altkluge, egozentrische Ich-Ich-Ich-Geseiere kann einem schon gehörig auf die Nerven gehen. Beispiel gefällig: „Das ist die andere Seite von diesen Neuanfängen. Denn egal, welche Grenzen man da überklettert, man ist danach nicht mehr derselbe. Man weiß nur: das hier könnte ein Anfang sein. Der Anfang von etwas ganz Großem.“ Diese Hoffnung bleibt – was die Serie angeht – gering. Diese Kommentare klingen gewichtig und sind doch banal und völlig unironisch – da hat die durchaus talentierte Nachwuchsautorin Miriam Rechel die US-Vorbilder völlig missverstanden. Ein bisschen besser wird’s in der dritten Folge „Aufgeben ist für Pussies“. Langsam gewinnt die Serie in punkto Drama, Emotionalität und Empathie – auch die disparaten Tonlagen finden besser zueinander. Und das Finale, das Ende einer Junggesellenversteigerung, hat sogar so etwas wie einen „Magic Moment“. Aber es bleibt bei verschwurbeltem Selbstfindungsgeraune Marke „Manchmal bedeutet Mut, in ein dunkles Loch zu springen und nicht zu wissen, was einen erwartet… und manchmal erfordert es mehr Mut, aus dem Dunkel wieder aufzutauchen…“ Und damit auch mal Gefühle aufkommen und Stimmungen ein paar Sekunden gehalten werden können, müssen starke Popsongs her wie Aimée Mann’s „Wise up“. Besser kondensierte Emotion als gar keine… Fazit: ganz „nett“ ausgedacht, aber das Gelbe vom Ei ist das alles nicht. Vielleicht bedarf es ja drei, vier Folgen, bis „Doc meets Dorf“ (uns) gefällt?