Erwin wohnt noch immer bei seiner Mama. Doch mit 41 Jahren wird es Zeit – das meint sogar die Mutter, der es ansonsten schwer fällt, den Sohn sein eigenes Leben leben zu lassen. „Es gibt für alles einen Markt“, spricht sich der verschüchterte Erwin selbst Mut zu, als er sich zur Brautschau nach Rumänien aufmacht. Mithilfe einer Heiratsagentur wird er fündig: die Krankenschwester Irina gefällt ihm. Sie kann auch ein wenig Deutsch. Also nimmt er sie mit. Doch Erwins Deutschland ist nicht das, was sich die hübsche junge Rumänin unter Deutschland vorgestellt hat. Eine Tankstelle im Niemandsland, weit und breit keine Ortschaft. Da muss man so werden, wie Mutter und Sohn Kobarek: weltfremd und missmutig.
„Die zweite Frau“ erzählt von einem unselbstständigen Sohn, der aus dem Schatten der alles beherrschenden Mutter heraustreten will. Das mit den beiden Frauen, der resoluten Mittsechzigerin und der aufgeweckten Dreißigjährigen, die lieber bauchfrei trägt als Kittelschurz, das kann nicht lange gut gehen. Auch Erwin hat Probleme mit der emotionalen, lebenslustigen Frau. Er ist nicht nur lebensuntüchtig, trifft fast immer den falschen Ton („auf gute Zusammenarbeit“), er scheint auch noch Jungfrau zu sein. Jedenfalls sträubt er sich gegen Zärtlichkeiten. Und er zweifelt lange daran, ob die junge Rumänin die Richtige ist. Verunsichert von der Mutter („Die will doch nur unser Geld oder glaubst du, dass die sich für dich interessiert!“), geplagt von Ängsten und vor den Kopf gestoßen von Irinas Lebendigkeit, auch anderen Männern gegenüber, fällt seine Bilanz negativ aus: „Du bist ein Fehlkauf.“
„Die zweite Frau“ ist einer der ehrlichsten und schönsten Filme über die Liebe, die es in den letzten Jahren im Fernsehen zu sehen gab. Kuschelkitsch à la Pilcher und Lindström beherrscht die TV-Szenerie, mit Liebe wird in solchen tranigen Schmonzetten die Dramaturgie geschmiert, das Happy End ist das höchste der Gefühle. Was danach kommt will keiner wissen. Genau davon erzählen Grimme-Preisträger Hans Steinbichler („Hierankl“) und Drehbuchautor Robert Seethaler in ihrem Film. Es geht um real gelebte Liebe mit all ihren Enttäuschungen, Machtspielen, Hoffnungen. Es geht um Mutterliebe, Ersatzliebe, um nie gelernte Gefühle, um die Überwindung der Fremdheit zwischen zwei Menschen. Für das gesuchte Glück kommt erschwerend hinzu, dass die Hauptfigur das Leben und die Liebe mit über 40 erst lernen muss. Da schleicht sich bei aller Tristesse der Lebensumstände auch Komisches in viele Situationen ein. Die atmosphärisch dichte Inszenierung Steinbichlers und die stimmungsvolle Fotografie von Christian Rein („Stellungswechsel“), der sich nicht schert um die Konventionen der TV-Ausleuchtung, sondern der mit Farbe und hell/dunkel-Kontrasten die Geschichte dem Zuschauer sinnlich näher bringt, zaubern auch Szenen voller Poesie.
Entsprechend reich an Zwischentönen ist das überragende Spiel von Matthias Brandt. Der Sohn von Willy Brandt ist der Darsteller des Normalen, des Unauffälligen, des Bescheidenen. Sein Erwin in „Die zweite Frau“ ist die ideale Rolle für ihn. Obwohl er ein gutes Händchen für die richtigen Angebote hat – so viele unterschiedliche Nuancen eines Menschen hatte er lange nicht zu spielen. In nichts nach stehen ihm Monica Bleibtreu und vor allem die Newcomerin Maria Popistasu, die 2005 für ihren Kinofilm „Sex Traffic“ ausgezeichnet wurde.