„Die zertanzten Schuhe“ ist eines der weniger bekannten Märchen der Gebrüder Grimm. Es ist der krönende Abschluss von ARD-Märchenstaffel 4. Im Grunde gehört der Film in die abendliche Hauptsendezeit: Die Geschichte entspricht dem Muster der romantischen Komödie, ist aber gleichzeitig perfektes Familienprogramm. Im Mittelpunkt steht Puppenspieler Anton (Carlo Ljubek), dem eines Tages ein Angebot unterbreitet wird, das er nicht ablehnen kann: Wenn er herausfindet, wie es den Töchtern von König Karl (Dieter Hallervorden) Nacht für Nacht gelingt, Löcher in ihre Schuhe zu tanzen, obwohl ihr Schlafgemach Abend für Abend verriegelt wird, darf er sich eine Prinzessin aussuchen und Karls Nachfolger werden. Der Vertrag hat allerdings seine Tücken: Gelingt es Anton nicht, das Geheimnis zu lüften, droht ihm der Galgen. Genau darauf spekuliert der intrigante Hofmeister (Andreas Schmidt), denn aus seiner Sicht gibt es nur einen, der der Krone würdig ist, und das ist natürlich er selbst.
Wolfgang Eißler inszeniert den Film mit einem gewissen Augenzwinkern, das der Geschichte (Buch: Gabriela Kreis) eine herzerwärmende Leichtigkeit verleiht. Die Figuren sind moderat modernisiert, fallen aber in keinem Moment aus dem Rahmen des Märchens. Gerade Ljubek versieht seinen cleveren Puppenspieler immer wieder mit einer ironischen Distanz, ohne die Figur dabei zu beschädigen. Und natürlich sind die schönsten Szenen jene mit dem potenziellen Liebespaar: Die zwölf Prinzessinnen verschwinden jede Nacht in einer Zwischenwelt, wo sie bereits von elf hübschen jungen Prinzen erwartet werden. Einzig die älteste, Amanda (Inez Björg David), hat keinen Tanzpartner. Von Mal zu Mal fällt es ihr schwerer, Anton seinen Schlaftrunk zu verabreichen, damit ihre Schwestern ungestört zum Tanze entschwinden können; und am Galgen will sie ihn erst recht nicht enden sehen.
Andreas Schmidt muss ein bisschen viel schreien und grimassieren, aber das wird die Kinder ebenso wenig stören wie die situationskomischen Slapstickeinlagen, wenn der Hofmeister mit dem Hintern auf eine Heugabel fällt. Als Erwachsener fragt man sich allerdings, was es mit der Halbwelt auf sich hat, in der die Prinzessinnen regelmäßig entschwinden. Andererseits: Wenn jedes Geheimnis erklärt würde, wär’s ja kein Märchen mehr. (Text-Stand: 2011)