Die Westentaschenvenus

Jeanette Hain und Jochen Horst überzeugen als zwei schräg-skurrile Schöngeister

Foto: Degeto
Foto Rainer Tittelbach

Jeanette Hain ist die poetische Schaltzentrale dieses modernen Liebesmärchens. Gewohnt leise und unprätentiös ist ihr Spiel. Ihre Buchhändlerin Sophie Dukakis ist eine Frau, die in einer anderen Welt lebt: der Welt der Literatur. Regie führte Jungtalent Kirsten Peters.

Jeanette Hain gehört nicht zu jener unvermeidlichen “Frauen-für-alle-Fälle”-Darstellerinnen-Riege. Sie ist anders, unprätentiös und leise ist ihr Spiel. Als Sophie Dukakis wirkt sie mal wieder wie eine Frau, die in einer anderen Welt lebt: es ist die Welt der Literatur, die Welt der Poesie. Sie arbeitet in einer Buchhandlung, doch sie träumt von einem Literatur-Café. Wäre da nicht dieser halsabschneiderische Klempner und die feindseligen Nachbarn, die ihr einen Strich durch die schöngeistige Rechnung machen wollen – sie wäre kurz vor dem Ziel. Nicht zuletzt deshalb, weil bei ihr, der so Verschlossenen, die Liebe auch Kräfte freizusetzen vermag. Der Mann ihres Herzens ist promovierter Germanist, den irgendwann kaputte Wasserleitungen und Rohrbrüche besser nährten als Kafka, Dramatheorie und Thomas Mann.

“Die Westentaschenvenus” ist ein modernes Märchen, das von seinen skurrilen Figuren und schrägen Situationen lebt. Es hat schon was, wenn Ex-Balko Jochen Horst romantisch vor sich hinstammelt: “Würden Sie es vielleicht mal in Erwägung ziehen, mit mir irgendwann mal einen Kaffee trinken zu gehen?” Oder wenn ein Haschisch-Kuchen zwischenzeitlich die Figuren durcheinanderbringt und sogleich die Handlung einigermaßen auf den Kopf stellt.

Dramaturgisch ist das nicht immer zwingend – aber im Fernsehen der starken Kontraste, der überbetonten Fallhöhe und der schnellen Schnitte ist eine solch literarisch strukturierte Story wie eine kleine Erholung. Der Mut von Produzentin Tanja Ziegler, der preisgekrönten Nachwuchsregisseurin und Absolventin der Filmakademie Baden-Württemberg Kirsten Peters ihr TV-Debüt zu ermöglichen, hat sich ausgezahlt. Für jenes Timing des Absurden und Romantischen bedarf es aber auch der geeigneten Schauspieler: Saskia Vester, Daniela Ziegler und Andreas Mannkopff sind für solch kleine Ecken und Kanten genau die richtigen. Jeanette Hain sowieso. Und dass Jochen Horst sich so gut macht als nicht mehr ganz jugendlicher Liebhaber, das liegt nicht allein an seinen strahlend blauen Augen. (Text-Stand: 26.4.2002)

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Jeanette Hain, Jochen Horst, Saskia Vester, Cecilia Kunz, Daniela Ziegler

Kamera: Michael Wiesweg

Schnitt: Melanie Werwie

Musik: Jürgen Kramlofsky

Produktionsfirma: Ziegler Film

Produktion: Tanja Ziegler, Nanni Erben

Drehbuch: Daniel Maximilian, Thomas Pauli

Regie: Kirsten Peters

EA: 26.04.2002 20:15 Uhr | ARD

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