Schorsch, der ewige Angsthase, springt nur ein einziges Mal über seinen Schatten. Da aber richtig. Mit einer Verzweiflungstat setzt er unaufhaltsam eine Lawine der Gewalt in Gang. Joachim Król spielt jenen ganz normalen Kleinbürger mit den ganz normalen Vorstellungen vom Glück in Horst Sczerbas „Die Unschuld der Krähen“. Und wie zuletzt in „Zugvögel“ beweist er in dem mollgetönten Film mit einer im TV selten gewordenen existentialistischen Wucht, dass er auch einen glänzenden tragi(komi)schen Helden abgeben kann.
Georg Finkes Leben gerät aus den Fugen. Keine Arbeit, kein Geld und morgen auch keine Wohnung mehr. Ein halbes Jahr lang hatte der kleine Buchhalter sogar auf die Hälfte seines Gehaltes verzichtet, um die Firma am Leben zu erhalten. Sie machte trotzdem Konkurs: Sein Chef fiel auf die Füße, er stürzte in tiefe Existenznot. Weil er seine Frau Paula (Nina Petri) über alles liebt, will er seinen ehemaligen Arbeitgeber um das gestundene Geld bitten. Doch wieder verlässt ihn der Mut. Lieber will er sich das nehmen, was ihm zusteht. Doch beim nächtlichen Einbruch ist plötzlich eine Pistole auf ihn gerichtet. Und dann fällt ein Schuss.
Für das Drehbuch zu „“Die Unschuld der Krähen““ wurde Sczerba 1999 in der Kategorie „Bestes Buch“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
„Brillante Chronik einer Verzweiflungstat“ (TV-Spielfilm)
Foto: NDR
Sczerba ließ sich von einer Kurzgeschichte des düster-surrealistischen Krimiautors Cornell Woolrich („Das Fenster zum Hof“) inspirieren. „Schon immer war ich von diesem Autor fasziniert, von seiner Düsternis, diesem Aussichtslosen in seinen Geschichten, von diesem Leidenschaftlichen“, so der Kölner Filmemacher, der als Arzt begann, bevor er mit Wolfgang Becker („Kinderspiele“) zusammenarbeitete und 1994 mit „Die Schamlosen“ sein Regie-Debüt feierte. Hervorstechendstes Merkmal seines dritten Films ist die Unaufhaltsamkeit, mit der das Schicksal zuschlägt. Ihr gegenüber steht „die Unbedingtheit, mit der der Held alles für seine Frau tut“. Er wird zum Mörder. Sczerba: „Er will es nicht und macht es trotzdem bewusst.“
Stärker als Woolrichs Vorlage verortet Sczerba seine Geschichte im Koordinatenkreuz von Psychologie und sozialem Umfeld. „Meine Figuren beziehen ihr Leben nicht aus dem Plot, sondern aus ihrem Innenleben, aus ihren Ängsten, ihren Hoffnungen, ihren Wünschen“, so der 50Jährige. „Bei aller Poesie und Abstraktion ist bei meinen Geschichten ein realer Kern zu erkennen.“ Das Problem Arbeitslosigkeit schwingt mit, aber vor allem wird ein Menschen- und Weltbild vermittelt, das unzynisch ist: „Schorsch ist einer, aus dem durchaus etwas hätte werden können – aber die Umstände waren halt nicht so.“ Für Król ist Georg Fink „ein Mann mit ganz gewöhnlichen Energien, also auch mit kriminellen“. Der Schauspieler mit dem Hang zu skurrilen Typen verkörpert diesen amoklaufenden Durchschnittsmenschen auf seine unterspielt beiläufige Art, dass man reichlich Mitleid mit ihm empfindet. (Text-Stand: 1998)