Eigentlich hätte sich Sat.1 den reißerischen Titelzusatz sparen können. Andererseits ist er ein nützliches Signal für Zuschauer, die angesichts der Mitwirkung von Annette Frier eine Komödie erwarten: Es gibt zwar komische Momente, doch „Die Truckerin“ ist vor allem Krimi, Drama und sogar Action-Thriller; der Film wirkt stellenweise wie „Alarm für Cobra 11“ (RTL) mit LKW. Dazu passt nicht nur der Regisseur, sondern auch die Produktionsfirma: Sebastian Vigg (zuletzt „Gegen den Sturm!“) hat bereits diverse Folgen der Autobahnserie für action concept gedreht. Die entsprechenden Stunts sind hier zwar nicht ganz so explosiv und spektakulär, aber viele Szenen spielen auf der hauseigenen Autobahn des Unternehmens.
Ungewöhnlich ist auch die Titelrolle für Annette Frier, der man die kernige Fernfahrerin aber abnimmt, zumal sie den Truck in einigen Szenen tatsächlich selbst gefahren hat. Drehbuchautor Sven Böttcher, der vor Jahren für Sat 1 „Manatu“ und „Die Krähen“ geschrieben hat, konfrontiert die Heldin gleich zu Beginn mit einem Schicksalsschlag. Toni, Ehefrau eines Spediteurs, ist noch dabei, ihrem Mann eine telefonische Nachricht zu hinterlassen, als das Büro bereits von Blaulicht erleuchtet wird: Andy ist bei einem Unfall verbrannt. Seine Frau ist überzeugt, dass er seinen Tod nur vorgetäuscht hat, auch wenn sie nicht weiß, was er mit dem angeblichen Ableben bezwecken wollte.
Foto: Sat 1
In flotter Schnittfolge und gern auf geteiltem Bildschirm zeigt Vigg, wie Toni fortan versucht, gleichzeitig Andys Schuldenberg abzubauen und seine letzten Fahrten nachzuvollziehen. Wichtigster Auftraggeber der kleinen Firma ist Großspediteur Oskar (Michael Lott), der seinen Fahrern jede Menge Druck macht. Die entsprechenden Szenen sorgen dafür, dass vom romantischen Trucker-Klischee nicht mehr viel übrig bleibt: Dank GPS kann jede Bewegung der Laster in der Zentrale verfolgt werden; sobald jemand vom Zeitplan abweicht, meldet sich Oskars „Big Brother“ (Paul Faßnacht). Den Kontrolleuren vom Zoll wiederum ist es völlig egal, warum erlaubte Fahrtzeiten überschritten worden sind. Vermutlich werden sich nicht alle Fernfahrerinnen eines ähnlich kernigen Tonfalls bedienen wie Toni, aber dass es in dieser Männerwelt robuster zugeht als anderswo, ist plausibel. Die Frau teilt ordentlich aus, zunächst nur verbal, aber später muss sie sich auch körperlich verteidigen: Da Michael Lott ständig Schurken spielt, ist es keine Überraschung, dass Oskar ein Ganove ist. Als er einen von Toni transportierten Container mit Zigaretten im Wert von einer Million Euro klauen lassen will, gerät die Truckerin, die sich das nicht gefallen lässt, erstmals in Gefahr.
Mitunter wirkt der Film allerdings wie ein Entwurf, weil einige Figuren nicht richtig eingeführt werden und der Erzählrhythmus nicht immer flüssig ist. Auch die Dramatik der Actionszenen vermittelt sich mitunter nur mittelbar, etwa wenn Frier als Beifahrerin bei einer eher harmlos aussehenden Verfolgungsjagd ständig „Was macht der da?“ oder „Pass auf!“ schreien muss. Die Szene mündet in einen typischen „Cobra 11“-Stunt, als Tonis geklauter LKW in eine Reihe gelber Fässer kracht, die prompt in Flammen aufgehen. Warum das explosive Material ausgerechnet neben einer Autobahn steht, gehört zur den Fragen, die man nicht stellen darf; es muss genügen, dass Toni Kopf und Kragen riskiert, um ihren Truck zu retten. Als sie ihn später säubert, stößt sie zufällig auf ein geräumiges Versteck, in dem Andy für Oskar Waffen transportiert hat; diese Entdeckung macht sie zu einer Zeugin, die beseitigt werden muss.
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Trotz des Thriller-Potenzials ist „Die Truckerin – Eine Frau geht durchs Feuer“ insgesamt seltsam unentschlossen. Im Vergleich zu den „Cobra 11“-Neunzigminütern scheinen die Autobahnszenen wie mit angezogener Handbremse inszeniert, damit „Die Truckerin“ auf jeden Fall ein Annette-Frier-Film bleibt. Andererseits fühlen sich die heiteren Momente wie Fremdkörper an; das gilt vor allem für zwei Nebenfiguren aus der Kategorie „Dicke sind immer komisch“. Ähnlich disparat ist die Wirkung der Bilder. Das Finale, bei dem Toni in ihrem Truck zu ertrinken droht, sieht zwar aufwändig aus, aber echte Spannung will sich nicht einstellen. Außerdem bedient sich Vigg eines Tricks, der belegt, dass das Budget doch nicht ganz so üppig war, wie der Film aussehen soll: Der Hubschrauber, der bei der Rettungsaktion zum Einsatz kommt, knattert nur auf der Tonspur. Dank der vielen Autobahn- und Nachtsequenzen ist der Action-Krimi trotzdem ausgesprochen bilderreich, selbst wenn einige Split-Screen-Passagen etwas unmotiviert wirken und an LKW-Werbespots erinnern.
Auch inhaltlich bleiben wichtige Fragen offen. Die attraktive Geschäftsführerin einer Raststätte zum Beispiel versichert, sie kenne Andy gar nicht, dabei war er hier Stammgast; eine Quittung enthält eine handschriftliche Notiz, die sich wie eine Liebes-Erklärung liest. Aber womöglich werden diese Details ja noch geklärt, vielleicht sogar im Rahmen einer Serie; beim Sat-1-Film „Einstein“ war es ähnlich, die Serie startet im Frühjahr. Ein weiterer Beleg für eine Fortsetzung sind die Fotos von Andy; die Besetzung dieser „Rolle“ ist ein kleiner Knüller. Die Schlusspointe liefert ohnehin die perfekte Vorlage für einen zweiten Teil.