In den 70er Jahren müssen die Eltern von Alex aus Argentinien vor der Militärjunta fliehen. Das junge Paar strandet mit ihrem Sohn in Berlin. 35 Jahre später kommt Alex das erste Mal nach Buenos Aires, um seinen Vater zu besuchen, der im Sterben liegt. Dabei erinnert er sich, wie es Mitte der 80er Jahre war, als eine Fabriketage sein Zuhause und eine bunt zusammen gewürfelte WG aus Medienleuten, einer Punkerin, einem Behinderten und einem Pfleger seine Familie war. Der Vater kultivierte eine Deutschland-Aversion, die Mutter, eine politisch engagierte Filmemacherin, war ständig auf Reisen, die Welt zu retten. Und Alex rettete bei ihnen, was zu retten war, auch mit Hilfe seiner telekinetischen Fähigkeiten. Er erinnert sich an die Abende im eigenen Heimkino, an das Endspiel der Fußball-WM 1986, Deutschland gegen Argentinien, er erinnert sich an die Schule, er hört den Tango seiner Eltern, er fühlt wieder die vielen Schläge, die er beim Judo abbekam und er sieht Hanna, seine erste große Liebe.
Zur Vita des Filmemachers Alejandro Cardenas Amelio:
Er wurde 1977 in Peru als Sohn einer Argentinierin und eines Peruaners geboren. Sein Vater schloss sich der linksradikalen Untergrundgruppe „MRTA“ an, seine Mutter wurde von der argentinischen Militärjunta gesucht. Über Argentinien, Brasilien, Spanien und Italien verschlug es die Cardenas 1988 nach Deutschland.
„Die Tränen meiner Mutter“ ist mehr als eine der üblichen Coming-of-age-Storys. Der pubertierende Held ist ein sein Schicksal passiv Erduldender. Er beobachtet genau seine Umgebung, er registriert die kleinsten emotionalen Veränderungen innerhalb der verrückten Wohnverhältnisse. Die Loftwohnung ist die Bühne für Alex’ Welt – und es ist zugleich ein Umschlagplatz der Ideen und Ideologien der politischen Berliner Subkultur, die sich in den 80ern noch viel vom Zeitgeist der 70er bewahrt hat. Alles ist politisch, das Private geht im gemeinsamen WG-Alltag auf, die Intimsphäre ist begrenzt. Und der kleine Held will vor allem, dass es den Großen gut geht, weil er weiß, dass es nur dann, auch ihm gut gehen kann.
Adrian Goessel spielt seinen Alex sehr überzeugend. Er erinnert an Louis Klamroth in „Das Wunder von Bern“, auch er ein stiller Erdulder. Der Film verzichtet auf eine Dramaturgie der großen Konflikte. Man folgt den Figuren mit zunehmendem Interesse, gewinnt die Menschen lieb, man fühlt mit ihnen und hält zugleich Distanz. Es gibt schöne, wundersame Momente in diesem Debüt von Alejandro Cardenas-Amelio, die dem Film etwas Schwebendes geben – am Ende setzt sich die Melancholie durch in dieser Familiengeschichte, bei der allein die Rahmen-Handlung zu dramatisch geraten ist und mit der Grundstimmung des Erinnerten kollidiert.