Die Toten von Salzburg

Florian Teichtmeister, Michael Fitz, Fanny Krausz, Erhard Riedlsperger. Salzburg verpflichtet

Foto: ZDF / Hubert Mican
Foto Rainer Tittelbach

Das Besondere an „Die Toten von Salzburg“, dem ersten Film einer möglichen deutsch-österreichischen Reihe, ist die Hauptfigur: ein junger Kommissar im Rollstuhl, gut besetzt mit Florian Teichtmeister, charmant, sarkastisch und immer mit einer gewissen Lässigkeit unterwegs, wenn nicht gerade der deutsche Kollege, ein unangenehmer Besserwisser, um die Ecke schaut. Nicht nur das Muster vom ungleichen Paar wirkt bemüht, auch dramaturgisch und filmsprachlich ist das alles arg old-fashioned, vor allem die betuliche Parallelmontage nervt. Den Zuschauer wird das wenig stören: Hauptsache Mord, Hauptsache Krimi!

Der kleine Grenzverkehr & ein Anlagebetrüger, den die Wildschweine mögen
Peter Palfinger (Florian Teichtmeister) ist der neue Mann bei der Kripo Salzburg. Er hat beste Referenzen und sitzt – was sein Vorgesetzter Hofrat Anton Seywald (Erwin Steinhauer) erst beim Vorstellungsgespräch erfährt – im Rollstuhl. Was der Neue seinerseits nicht weiß: Er wird regelmäßig mit der deutschen Polizei in Gestalt des bayerischen Besserwissers Hubert Mur (Michael Fitz) zusammenarbeiten müssen. Und das gleich schon beim ersten Fall. Ein österreichischer Anlagen- und Immobilienbetrüger, der sich mit seiner fetten Beute ins Nachbarland abgesetzt hat, wird nahe der deutsch-österreichischen Grenze tot aufgefunden: gefesselt, alkoholisiert und von Wildschweinen übel zugerichtet. Ein brisanter Fall – könnte doch ans Tageslicht kommen, dass die Salzburger Behörden den Prozess gegen den Millionenbetrüger verschleppt haben, weil einige hohe Herren dafür gut bezahlt wurden. „Eine angemessene Vorgehensweise“, fordert denn auch die werte Frau Landratspräsidentin. Doch Diplomatie ist Palfingers Sache nicht. Und das ist so ziemlich das einzige, was ihn mit seinem pragmatischen deutschen Kollegen verbindet. Dieser schießt sich sogleich auf die Witwe des Toten (Isabel Karajan) ein, während der Österreicher und seine junge Kollegin, die Hobby-Opernsängerin Irene Russmeyer (Fanny Krausz), eher an einen Fall von Selbstjustiz glauben.

Die Toten von SalzburgFoto: ZDF / Hubert Mican
„Das ist unser Fall!“ Das Herzstück der neuen ZDF/ORF-Krimireihe: Der goscherte Bulle im Rollstuhl (Florian Teichtmeister) und seine junge Kollegin (Fanny Krausz)

Ein verkopfter Deutscher & ein eher intuitiv auf den Fall zurollender Österreicher
Deutsch-österreichische Krimi-Koproduktionen haben Konjunktur. Nach der Ausnahme-Reihe „Spuren des Bösen“ mit Heino Ferch und dem Riesenerfolg der ersten drei Episoden der „Toten vom Bodensee“ kooperiert das ZDF nun ein weiteres Mal mit der Alpenrepublik: „Die Toten von Salzburg“ heißt das Projekt, dessen zweite Episode bereits in der Schublade liegt und das nach den 925.000 Zuschauern (32 Prozent Marktanteil) in Österreich auch realisiert werden dürfte. Das Besondere am ersten Film ist die Hauptfigur: ein junger Kommissar im Rollstuhl, mal charmant, mal sarkastisch, der mit seiner Behinderung ironisch umzugehen versucht und auch sonst eine angenehme Lässigkeit an den Tag legt. Florian Teichtmeister, der auch hierzulande mit seinen beiden Hauptrollen in „Das Attentat – Sarajewo 1914“ und „Eine Handvoll Briefe“ positiv auffiel, spielt ihn als Sympathieträger, der eher intuitiv auf die Lösung des Falls zurollt. Sehenswert sein Zusammenspiel mit Fanny Krausz: Palfinger und Russmeyer sind das Herzstück des Films. Dass Michael Fitz’ Mur der Kopf des Krimis mit komödiantischem Anstrich ist, wäre zu viel gesagt: Der Deutsche wird als verkopfter Pragmatiker eingeführt, ein ungehobelter Kotzbrocken, voller Aktionismus und ohne jeglichen Humor. Schade für den bayerischen Schauspieler, der nur ein Klischee reproduzieren darf.

Meckern auf hohem Niveau: TV-Krimi-Konzeptionen von gestern für morgen?
Das dramaturgische Konzept ist denn auch die größte Schwäche von „Die Toten von Salzburg“, der als launiger Krimi und in der ironischen Art, wie er die Behinderung des Helden und die Reaktionen seiner Umwelt auf ihn ins Spiel bringt, durchaus zu gefallen weiß. Aber die Konzeption insgesamt ist Fernsehen von gestern. Figuren-Setting, Themenbearbeitung, Witz und Dramaturgie erinnern an eine Reihe wie „Wilsberg“; diese aber wurde vor fast 20 Jahren auf die Schiene gesetzt. Ausgedachte Charaktere, behauptete Gegensätze, konstruierte Plots, Salzburg in ein gutes Licht gerückt – besonders zwingend wirkt das alles nicht, bestenfalls gefällig. Auch das Muster „zwei, die sich nicht riechen können, sich dann aber doch zusammenraufen“, wie es sich in der Schlussszene völlig unmotiviert abzeichnet, ist immer noch sehr beliebt im deutschsprachigen Fernsehen; aber so übertrieben und simpel hat man es lange nicht gesehen. Der Kontrast zwischen dem Österreicher und dem Deutschen erzählt so gut wie nichts, er verhindert die Kommunikation – und hat allenfalls dramaturgische Funktion für die Geschichte. Auch die Pointen im Dialog sind insbesondere darauf ausgerichtet, dass die Handlung gut „fließt“, den berühmten österreichischen Hintersinn darf hier keiner erwarten. Weniger gut fließen dagegen einige Informationsdialoge, in denen die Vorgeschichte dem Neu-Salzburger (und dem Zuschauer) von seinem Bruder erklärt werden.

Die Toten von SalzburgFoto: ZDF / Hubert Mican
Das ist mein Fall, ist sich der besserwisserische Deutsche (Michael Fitz) sicher und schießt sich auf die Witwe des Toten (Isabel Karajan) ein. Vorurteile ermitteln mit.

Schauwerte, altbackener Schnitt & andere handwerkliche Ungereimtheiten
Ganz besonders old-fashioned – um nicht zu sagen: ungelenk, ohne Gespür für Erzähllogik und Rhythmus – ist Regisseur Erhard Riedlspergers Umgang mit der Parallelmontage: Kommt man in einer Szene A gerade auf den (springenden) Punkt, wird in Szene B umgeschnitten, um nach einigen Minuten, in Szene A inhaltlich da anzuschließen, wo man vorher aus dieser Szene herausgegangen ist. Eine solche allein dramaturgisch begründete und darüber hinaus sehr betulich wirkende Montage gibt es nach dem Abschied von „Pfarrer Braun“ heute selbst in vergleichsweise langsamen, dialoglastigen Krimis der leichten Gangart kaum noch. Für leichte Irritationen sorgen auch die vielen unmotivierten Kameraschwenks im Film (bei denen nicht selten Statisten überraschend auffällig ins Bild gerückt werden). Das sieht so aus, als ob man der Barockstadt etwas filmisch Ebenbürtiges, etwas ästhetisch Schwelgerisches, entgegensetzen wollte. Während dies reichlich missglückt ist, besitzen die Locations, ob ein nächtlicher Spaziergang an der Salzach, eine Leichenschau mit Aussicht oder Rolli-Ausflüge durchs schöne Salzburg, häufig mehr als nur einen touristischen Schauwert. Sicher, einige der Kritikpunkte sind Meckern auf hohem Niveau. Der Normalzuschauer wird „Die Toten von Salzburg“ wie alles, was Krimi heißt, goutieren. Aber gerade wegen des allgemeinen Overkills dieses Genres sollte der Kritiker genau hinschauen. Und wer ein neues Format etablieren will, der sollte einfach nicht hinter handwerkliche Standards zurückfallen. (Text-Stand: 30.8.2016)

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Reihe

ORF, ZDF

Mit Florian Teichtmeister, Michael Fitz, Fanny Krausz, Erwin Steinhauer, Simon Hatzl, Harald Windisch, Max Müller, Isabel Karajan, Hary Prinz

Kamera: Kai Longolius

Szenenbild: Conrad Moritz Reinhardt

Schnitt: Frank Soiron

Musik: Dominik Giesriegl

Produktionsfirma: Satel Film

Drehbuch: Erhard Riedlsperger, Klaus Ortner

Regie: Erhard Riedlsperger

Quote: 5,46 Mio. Zuschauer (17,5% MA)

EA: 26.09.2016 20:15 Uhr | ZDF

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach