Die beiden Männer mögen sich nicht, sind aber notgedrungen aufeinander angewiesen, weil der eine die Mordfälle nicht ohne den anderen lösen kann: Das ist seit fast zwanzig Jahren das bewährte Erfolgsrezept des „Tatort“ aus Münster. Im Lauf der Zeit hat sich zwar eine gewisse Nähe entwickelt, und in schwachen Momenten ist so etwas wie gegenseitige Zuneigung zu spüren, aber beste Freunde werden die zwei in diesem Leben vermutlich nicht mehr. Gleiches gilt für die Hauptfiguren der ZDF/ORF-Reihe „Die Toten von Salzburg“, die das Muster auf die Spitze treibt, weil sich zur persönlichen Antipathie auch noch landsmannschaftliche Animositäten gesellen. Da die Salzburger Mordopfer aber regelmäßig Verbindungen nach Oberbayern haben, muss Major Palfinger (Florian Teichtmeister) zu seinem großen Verdruss stets aufs Neue mit dem oberbayerischen Grantler Mur (Michael Fitz) zusammenarbeiten.
Das Muster funktioniert auch im siebten Film famos, weil die Drehbücher (diesmal Silvia Wohlmuth und Klaus Ortner) regelmäßig dafür sorgen, dass sich die beiden Kontrahenten gegenseitig mit Süffisanz und vergifteten Nettigkeiten traktieren. Der Wiener Teichtmeister und der Oberbayer Fitz passen zudem perfekt zu ihren Rollen (oder umgekehrt), zumal gerade der gebürtige Münchner nur Nuancen braucht, um komische Akzente zu setzen. Wie es ihm gelingt, das auf den im Rollstuhl sitzenden Palfinger gemünzte Wort „Chef“ in hörbare Anführungszeichen zu kleiden, ist kaum nachahmlich. Viel komisches Potenzial hat auch die Idee, Mur nach der Wiedervereinigung mit seiner Frau einer oberflächlichen Läuterung zu unterziehen: Er versucht sich an Intervallfasten und besucht einen Achtsamkeitskurs, aber das neue Feingefühl des Vorgesetzten ist seinem Mitarbeiter Wagner (Sebastian Edschmidt) nicht geheuer; als Choleriker war ihm Mur lieber.
Foto: ZDF / Toni Muhr
Ein weiteres Qualitätsmerkmal der Bücher ist das besondere Augenmerk auf die Nebenfiguren, die mehr als bloß Stichwortgeber sind und sich anders als im „Tatort“ weiterentwickeln dürfen: Palfingers Bruder (Simon Hatzl), in den ersten Geschichten Pfarrer, fühlt sich seit der letzten Episode („Schwanengesang“) zu weltlichen Dingen hingezogen und liefert dank seiner wechselnden Interessen allerlei hintergründige Einblicke ins jeweilige Sujet. Eine ähnliche Bedeutung hatte von Anfang an Palfingers Vorgesetzter. Seywald, von Erwin Steinhauer mit viel Dünkel versehen, hatte im letzten Film sein Coming-out, was die Reihe um eine gewisse Relevanz ergänzt: Dem Hofrat wird ein vorzeitiger Ruhestand nahegelegt; die Landtagspräsident empfindet die sexuelle Orientierung in seiner Position als heikel. „Urlaub bis zum Sterben“, sinniert Seywald – und lehnt dankend ab. Die Figur hat sich ohnehin zum Positiven gewandelt: Der Hofrat ist zwar nach wie vor recht blasiert und mit den Methoden des Majors nicht immer einverstanden, stellt sich aber stets schützend vor seine Mitarbeiter; diesmal droht Palfingers Kollegin Russmeyer (Fanny Krausz) Ärger, weil sie in einem Club versehentlich Haschkekse gegessen hat und angezeigt worden ist.
Bei gleich fünf zentralen Figuren scheint kaum noch genug Spielraum übrig, um den eigentlichen Anlass gebührend zu würdigen. Beim „Tatort“ aus Münster ist das mitunter eine echte Schwachstelle, weil die Autoren mehr Wert auf die beim Publikum so beliebten Scharmützel zwischen den Protagonisten als auf die Krimiebene legen. Für „Die Toten aus Salzburg“ gilt das (noch) nicht, denn die vermeintlichen Nebenschauplätze sind geschickt mit der eigentlichen Handlung verwoben: In der Schiffsschraube eines Ausflugs-Amphibienbusses verfängt sich ein Koffer mit einer weiblichen Leiche; eine chinesischstämmige Fremdenführerin ist erschlagen und in der Salzach versenkt worden. Die junge Frau ist die Tochter eines Traunsteiner Restaurantbesitzers, hat aber für das Salzburger Busunternehmen Mandl gearbeitet und war mit dem Sohn des Besitzers liiert. Da dieser Mann von Harald Schrott verkörpert wird, haben Couch-Kriminalisten umgehend ihren ersten Verdächtigen; tatsächlich stellt sich raus, dass die Bande zwischen Arbeitgeber und Angestellter enger waren, als Mandls Gattin und dem gemeinsamen Sohn lieb gewesen sein dürfte.
Foto: ZDF / Toni Muhr
Die Krimihandlung ist nicht besonders kompliziert, selbst wenn neben dem Vater des Opfers noch ein Lederwarenhändler ins Spiel kommt, aber die Verdachtsmomente sind viel zu offenkundig, um diesen Franz Buchegger wirklich als Täter infrage kommen zu lassen: Die Tote hatte ihn wegen Stalkings angezeigt, er ist wegen sexueller Nötigung vorbestraft, der Koffer stammt aus seinem Geschäft, und Michael Fuith muss den Mann allzu deutlich als Antipathieträger verkörpern. Trotzdem ist diese Ebene in Verbindung mit dem neuen Broterwerb von Sebastian Palfinger sehr interessant: Der Bruder, in „Schwanengesang“ noch in Richtung „Lifecoach“ orientiert, ist nun ebenfalls als Fremdenführer tätig und weiß von halbmafiösen Methoden im touristischen Gewerbe zu berichten, die auch als Stoff für eine fesselnde Reportage taugen würden. Regie führte zum siebten Mal Erhard Riedlsperger, der den Filmbildern gemeinsam mit seinem langjährigen Kameramann Kai Longolius erneut einen besonderen Look gegeben hat: Das Ledergeschäft ist in ein helles Braun getaucht, das nicht nur mit dem Warenangebot, sondern auch mit der Kleidung des Besitzers korrespondiert. Als Russmeyer, von den Cannabis-Cookys beseelt, bei Palfinger Zuflucht sucht, erstrahlt dessen Klosterzimmer in entsprechend heimeligem Licht. Die Rückblenden sind in Blau gehalten, die Aufnahmen von Salzburg bei Nacht sind ohnehin eine Reise wert, und die Musik (Dominik Giesriegl) ergänzt die Bilder in allen Szenen um die perfekt passende akustische Atmosphäre.