Schön zu sehen, wie der kleine bayerisch-österreichische Grenzverkehr zwischen Ermittlern beider Länder hier klappt. In Salzburg findet die erste Geigerin des Salzburger Alt-Orchesters abends im Pool des Thermen-Hotels ihren Dirigenten tot im Wasser. Jan Stickler wurde mit zwei Schlägen auf den Kopf getötet. Er wohnte in Bayern und so bekommen Peter Palfinger (Florian Teichtmeister) und Kollegin Irene Russmeyer (Fanny Krausz) wieder (wenn auch unerbetene) Unterstützung vom Kollegen Mur (Michael Fitz). Der legt beim ersten Verhör klar die Rollen fest: „Er ist der Österreicher, der böse Bulle, ich bin der Deutsche, der gute Bulle“. Während Mur dann die Witwe (Franziska Schlattner) informiert und deren Tochter Estelle (Larissa Kiers) befragt, kümmern sich Ösi-Cops um das gesamte Orchester. Der erste Verdächtige ist der Perkussionist (Michael Pink): Der hat eine gewalttätige Vergangenheit, Stickler wollte ihn rauswerfen und der Befragung entzieht er sich per Flucht gen Deutschland. Doch bald schon gibt es eine neue Spur: die bulgarische Querflötistin Silvia (Janina Rudenska) wurde von Stickler sexuell genötigt und erpresst, hat sich dann mit Unterstützung einer Kollegin an eine engagierte Journalistin gewannt, die den Fall in einem Blog veröffentlichen wollte. Während Mur herausbekommt, dass die Witwe eine Affäre hatte (und damit ja vielleicht ein Motiv), nehmen sich Palfinger und Russmeyer die erste Violine zur Brust: Effie Salz (Eva Maria Neubauer) wollte mit einer Petition verhindern, dass Stickler den Dirigentenposten bekommt. Sein Ruf sei ihm vorausgeeilt. Doch die Geschäftsführung des Alt-Orchesters habe Gerüchte ignoriert, ihn als Star verpflichtet – zum Leidwesen des ausgebotenen Mitbewerbers, des charmanten Chorleiters Adrian Freier (Jan Hutter).
Als typischen Krimi um Neid, Missgunst und Intrigen könnte man „Die Toten von Salzburg – Schwanengesang“ bezeichnen. Doch er hat noch weit mehr zu bieten, weil er sich derzeit heiß diskutierten gesellschaftlichen Themen zuwendet. Denn es geht auch um die Männerdomäne Orchesterleitung, die zwar noch nicht zu einer Quotenregelung geführt hat, aber zunehmend sensibler gesehen wird. Und es geht um Abhängigkeitsverhältnisse im Kulturbereich, die in diesem Fall zu massiver und permanenter sexueller Nötigung führen. Ein Thema, das zuletzt auch durch aktuelle Fälle in der Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit sorgte. Maria Hinterkoerner, die nach einigen Folgen für die „SOKO Wien“, hier ihr erstes Drehbuch für einen Fernsehfilm geschrieben hat, baut dies geschickt in einen spannenden Fall, der nicht nur wendungsreich, sondern auch sehr pointiert geraten ist.
Michael Fitz über das Erfolgsgeheimnis seiner Figur:
„Meine Rolle als Kommissar Mur ist holzig, cholerisch, sehr unangenehm. Das ist auch Teil meiner Methode, ich überrasche und überrenne die Leute. In der Zeit, in der ich den Mur spiele, leidet meine Familie immer sehr. Das kann man nicht abstellen, sondern zieht man durch, und diesen Grund-Grant nimmt man zum Teil auch mit nach Hause. Florians Rolle und Murs Methoden sind ganz anders, und der Krimi lebt natürlich von diesen und anderen höchst unterschiedlichen Mentalitäten und Charakteren, diesem speziellen Verhältnis, bei dem ständig Strom in der Luft liegt. Er zieht daraus auch eine große Portion Humor.“
Das wohl Bemerkenswerteste an diesem gelungenen, mittlerweile sechsten Film der Krimireihe ist, dass die Autorin kleine, feine Nebengeschichten in die Handlung einbaut, die allesamt klug verwoben sind und für Auflockerung sorgen. Da ist Palfinger, der im Rollstuhl sitzende Kommissar, der bei seinen Ermittlungen an den Trainer eine Rollstuhl-Basketball-Mannschaft gerät, von dem zum Schnuppertraining eingeladen wird, schroff ablehnt, doch später gefallen an dem Sport zu finden scheint. Da ist der bayerische Kollege Mur, der so seine Beziehungsprobleme hat. Da ist Palfingers Bruder Sebastian (Simon Hatzl), der frühere Prälat, der sich für das weltliche Leben entschieden hat. Über ein Datingportal sucht und findet er eine Frau, muss aber lernen, was ein One-Night-Stand ist. Da ist der kleine bayerische Schreibtisch-Beamte, der für Mur recherchiert, vor seinen Kollegen prahlt („das war ganz klassische Detektivarbeit“) und dann ein Debakel erlebt. Und da ist Palfingers Vorgesetzter, Hofrat Seywald (Erwin Steinhauer), der seine geliebte Mutter beerdigen und mit Trauer umgehen lernen muss, dabei auch erfährt, wer seine wahren Freunde sind („ Manche Leute muss man mit Gewalt ins 21. Jahrhundert zerren“). Jede dieser kleinen Geschichten hat einen ganz eigenen Ton, zusammen aber ergeben sie ein wunderbares Stück.
Erhard Riedlsperger, der alle bisherigen fünf Krimis der Reihe in Szene gesetzt hat, nimmt uns mit in die Orchesterwelt. Und damit das auch authentisch wirkt, ist die Philharmonie Salzburg (Leitung: Elisabeth Fuchs) mit von der Partie. Der Regisseur arbeitet mit kleinen Flashs, in denen er mögliche Abläufe der Tat durch Verdächtige durchspielt, und zeigt gutes Gespür beim Umgang mit den Dialekten. Ist es häufig so, vor allem auch im ZDF, dass Bayern oder Österreicher in Filmen stark abgesoftet Dialekt sprechen, dass fast nichts mehr übrig bleibt, ist das Bayerische, vor allem in der Amtsstube und durch Ermittler Mur, und das Salzburgische hier so wenig verfremdet, dass der Dialekt lebt, der Klang stimmt und alles dennoch meist verständlich rüberkommt. Der Krimi lebt von der Ermittlern, den Rivalitäten, Spannungen, Frotzeleien. Hier Palfinger, trocken, zielstrebig, da Mur, der im Outfit zwischen Waldschrat und Wilderer durch die Szenerie marschiert und den kauzig-kantigen Typen gibt. Nimmt man Fanny Krauss als taffe Ermittlern und den Old-School-Mimen Erwin Steinhauer als Hofrat hinzu, bietet dieses Quartett eine Vielfalt an Charakteren. Und weil Komödiantisches mit Tragischem klug verbunden wird, besitzt dieser Krimi eine schöne Leichtigkeit.