Die Toten vom Bodensee – Der Wunschbaum

Matthias Koeberlin, Anna Werner Friedmann, Prinz, Stein, Schneider. Die Dosis macht das Gift

Foto: ZDF / Manuel Riesterer
Foto Tilmann P. Gangloff

Eine Polizistin, die ihre Mitmenschen nicht „lesen“ kann, eine kiffende Wunschfee, der tödliche Blaue Eisenhut: Der 23. Film aus der ZDF-Reihe „Die Toten vom Bodensee“ (Rowboat, Graf) ist nicht nur wegen Anna Werner Friedmann als neue Ermittlerin sehenswert. Die Geschichte rund um den titelgebenden „Wunschbaum“ ist interessant, fesselnd – und mit der Aufklärung des Mordes noch längst nicht zu Ende. Und die gute Bildgestaltung sowie die markante Musik von Chris Bremus gehören längst zum Markenzeichen des deutsch-österreichischen Quotenhits.

Überall auf der Welt gibt es Bäume, denen magische Kräfte zugesprochen werden. Oft sind sie über und über mit Zetteln behängt, auf denen Menschen Wünsche notiert haben. Rebecca aus Konstanz zum Beispiel hat davon geträumt, ein neues Leben zu beginnen, und der Wunschbaum am anderen Ufer des Bodensees hat sie erhört: In Bregenz hat sie eine neue Stelle und eine neue Liebe gefunden; aber nun ist sie tot. Ihr Mörder hat sich die Mühe gemacht, die Leiche zu dem Baum zu transportieren. In ihrem Mund findet sich eine Blüte vom Blauen Eisenhut; ihre Lieblingsblume, wie ihr Freund später erzählen wird. Hochverdünnt wird Aconitum napellus zur Behandlung von Erkältungen oder Rheuma verwendet, aber die Pflanze gehört zu den tödlichsten Gewächsen der Welt. Rebecca ist jedoch nicht an der Blüte gestorben: Jemand hat ihr eine Spritze mit hochkonzentriertem Destillat aus der Wurzel verabreicht; die Dosis macht das Gift.

Die Toten vom Bodensee – Der WunschbaumFoto: ZDF / Lukas Gnaiger
Die „ein bisschen spezielle“ neue Kommissarin am Bodensee. Mara Eisler (Anna Werner Friedmann) hat durch die Folgen einer Schussverletzung im Kopf Schwierigkeiten, andere Menschen und deren Emotionen zu „lesen“. Gelingt ihr dies bei Toten besser?

Abgesehen vom titelgebenden Wunschbaum, um den sich selbstredend allerlei Legenden ranken, würde der Film aus der ZDF-Reihe „Die Toten vom Bodensee“ eine zwar interessante, allerdings nicht unbedingt aufsehenerregende Geschichte erzählen, wäre da nicht die personelle Veränderung: Das Trio Jeanet Pfitzer, Frank Koopmann und Roland Heep, seit Episode 14 mit einer Ausnahme für alle Drehbücher der Krimis verantwortlich, führt nach Hannah Zeiler (Nora Waldstätten, 2014 bis 2022) und Luisa Hoffmann (Alina Fritsch, 2023 bis 2025) die dritte österreichische Ermittlungspartnerin für den deutschen Kommissar Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) ein. Mara Eisler (Anna Werner Friedmann) ist es auch, die zu Beginn beim Joggen am Seeufer die Leiche entdeckt. Sie kommt aus Wien, war zuletzt jedoch lange dienstunfähig. Oberländers Kollege Komlatschek (Hary Prinz) hält die Kriminalinspektorin für „ein bisschen speziell“, und diese Einschätzung ist nicht verkehrt: Durch die Folgen einer Schussverletzung im Kopf hat Eisler Schwierigkeiten, andere Menschen und deren Emotionen zu „lesen“; außerdem begegnet sie Verdächtigen seither mit profundem Misstrauen. Da sie sich im Gegensatz zu Oberländer, der gern auf sein Bauchgefühl vertraut, ohnehin lieber an die Logik hält, sind Auseinandersetzungen zwischen den beiden unvermeidlich.

Auf dieser Ebene setzt die Reihe somit fort, was auch bislang schon das Miteinander im deutsch-österreichischen Kommissariat prägte. Während sich zwischen Oberländer und Komlatschek längst eine freundliche Kollegialität eingespielt hat, die regelmäßig für amüsante Dialoge sorgt, gab es zwischen dem deutschen Kommissar und seinen Kolleginnen stets gewisse Differenzen. Die entsprechenden Reibereien waren neben den zuletzt zuverlässig guten Krimi-Ebenen die Würze der Filme. Als Eisler erfährt, dass die beiden Männer derzeit eine WG bilden, ist sie überzeugt, sie seien auch ein Paar. Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Polizisten, die nach wie vor per Sie sind, findet Oberländer die Vorstellung gleichermaßen abwegig wie erheiternd.

Die Toten vom Bodensee – Der WunschbaumFoto: ZDF / Lukas Gnaiger
Der Wunschbaum und die Gärtnereibesitzerin (Miriam Stein) mit großem Herzen & einem Faible für übersinnliche Eingebungen.

Auch beim Fall kommt die Inspektorin zu anderen Schlussfolgerungen: Sie hält den Freund (Philip Birnstiel) der Toten für den Mörder, schließlich werde alle fünf Minuten eine Frau von ihrem derzeitigen oder vergangenen Partner ermordet, wie sie dem zutiefst bestürzten Mann an den Kopf wirft. Ein Bonsai-Bäumchen auf Rebeccas Schreibtisch führt zu einer Gärtnerei, die unter anderem Blauen Eisenhut züchtet. Der Betrieb gehört Saskia Prixner (Miriam Stein), einer Frau mit großem Herzen und einem Faible für übersinnliche Eingebungen: Träume haben sie zum Wunschbaum geführt, wo sie erst eine geflüchtete Syrerin und dann Rebecca getroffen hat. Beiden konnte Saskia, die wegen ihrer Parkinson-Erkrankung gern mal einen Joint raucht und von Komlatschek daher despektierlich als „kiffende Wunschfee“ bezeichnet wird, zum Start in ein neues Leben verhelfen: Malika (Kenda Hmeidan) arbeitet jetzt in ihrer Gärtnerei, Rebecca hat sie an das Unternehmen ihres Bruders vermittelt. Stefan Prixner (Julian Looman) stellt mit seiner Firma Fluggeräte her, was für den weiteren Verlauf der Handlung noch eine entscheidende Rolle spielen wird. Zunächst zeigt sich jedoch, dass Eisler und Oberländer mit ihren Vermutungen in gewisser Weise beide recht haben. Regie führte zum zwölften Mal Michael Schneider. Das Ensemble ist gut zusammengestellt, die Bildgestaltung ist sehenswert (Kamera: Lukas Gnaiger), die Musik (Chris Bremus) ist wie stets sehr markant, aber fesselnd ist der Krimi vor allem wegen der Geschichte, die mit der Aufklärung des Mordes noch längst nicht zu Ende ist.

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6 Antworten

  1. Endlich hat Ausnahme Darsteller Matthias Koeberlin in Anna Werner Friedmann wieder eine faszinierende Kollegin auf Augenhöhe und Oberländer eine neue,“etwas spezielle“ Kollegin.
    Nora Waldstätten,die unvergessliche Hanna Zeiler mit ihren vielen Facetten,wird der Reihe dennoch immer fehlen.
    Regie,Kamera,Drehbuch und Musik wie meist in dieser Serie sind wieder stimmig,einfühlsam aber nie Stromlinien förmig.Glatte Höchstwertung.

  2. Auf den Punkt gebracht – die neue Kommissarin passt überhaupt nicht. Wir werden weitere Folgen mit ihr nicht anschauen. Die Chemie im Team ist toxisch. Auch wenn der Drehbuchautor das wohl witzig fand aber die Frage warum Komlatschek ein eigenes Büro hat und sie Oberländer aufs Klo folgt ist einfach nur übergriffig und nicht lustig. Schade für so eine gute Serie. 👎🏼

  3. Man muss sich ja fragen, ob alle Österreicherinnen seltsam sind.
    Oder alle österreichischen Kommissarinnen.
    Oder ob die Macher der Reihe sowas andeuten möchten über Österreicherinnen, Polizistinnen bzw. Frauen im Allgemeinen.
    Die Filme im Einzelnen sind ja meist ziemlich männerdominiert. Macht man einen Krimi – okay, bei der Polizei laufen mehr Männer durchs Bild als zB im Krankenhaus.
    Aber so aufs Ganze gesehen sind die weiblichen Hauptrollen, auch die Episodenhauptrollen, entweder seltsam, krank, kriminell oder abwesend, was zB Töchterchen Luna betrifft.
    Gut, Thomas Theodor Kasper Komlatschek ist definitiv kein Standardtyp von Mann, und auch der Oberländer hat so seine Macken. Und dass die beiden sich, in WG lebend, immer noch siezen, ist mindestens speziell.

    Aber dennoch.

    Was die neue Kollegin betrifft, lass ich mich mal überraschen. Vielleicht ist sie im nächsten Film etwas nahbarer … statt übergriffig.
    Disharmonie bis Dysfunktionalität muss wohl sein im deutschen Krimi, wenn mehr als eine Person ermittelt.
    Das einzige Krimiteam im deutschen Fernsehen, in dem von Beginn an Harmonie herrschte – „Das Quartett“, ZDF – wurde leider nach Drehbüchern mit (ebenfalls leider!) stark wechsender Qualität als „auserzählt“ erklärt und eingestellt.
    So viel Harmonie konnte man dem Zuschauer wohl nicht zumuten.

  4. Meiner Meinung nach wurde das Dreier-Ermittlerteam so konzipiert:

    1.) weiblich, mit emotionalen Defiziten (wegen Autismus / traumatischer Erfahrung / Folgen Kopfschuss)
    2.) männlich, hemdsärmlig, impulsiv, Bulli-Fahrer und Parkaträger
    3.) männlich, kultiviert, besonnen, Ameisen sammelnder Anzugträger

    Die Ermittlerinnen haben gewechselt, aber das oben genannte Profil ist gleich geblieben.
    Warum auch nicht? Durchgeknallte Ermittler gibt es doch auch (z.B. Faber im Dortmunder Tatort).

    Schon in früheren Folgen haben sich die drei Protagonisten nach anfänglichen Problemen gut verstanden.

  5. Bis jetzt haben wir diese Serie immer sehr gern gesehen. Aber damit ist es mit dieser Ermittlerin wohl vorbei. Total unsympathisch, überheblich, übergriffig. Und das wird sich wohl kaum noch ändern. Schade.

  6. Genauso denke ich auch wie alle Kommentare hier ,. Soooo schade ,
    so eine super schöne Serie ,,aber sowas möchte ich nicht mehr anschauen.. Schade. Maria Longhi

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Reihe

ZDF

Mit Matthias Koeberlin, Hary Prinz, Anna Werner Friedmann, Stefan Pohl, Miriam Stein, Julian Looman, Kenda Hmeidan, Philip Birnstiel, Emanuel Fellmer

Kamera: Lukas Gnaiger

Szenenbild: Michaela Weniger

Kostüm: Heike Werner

Schnitt: Jörg Kröschel

Musik: Chris Bremus

Soundtrack: Chris Bremus, Michael Kaldenbach („Here Again“, Abspannlied), Chris Bremus („Everybody wants some”)

Redaktion: Daniel Blum (ZDF), Sabine Weber (ORF)

Produktionsfirma: Rowboat Film- und Fernsehproduktion, Graf Filmproduktion

Produktion: Sam Davis, Klaus Graf

Drehbuch: Jeanet Pfitzer, Frank Koopmann, Roland Heep

Regie: Michael Schneider

Quote: 6,64 Mio. Zuschauer (27,7% MA)

EA: 20.10.2025 10:00 Uhr | ZDF-Stream

weitere EA: 27.10.2025 20:15 Uhr | ZDF

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