Ein Callgirl liegt tot auf der Damentoilette einer Münchner Disco. Tags darauf erhängt sich der Hauptverdächtige, ein arbeitsloser Fotograf. Sieht so ein Mordgeständnis eines Mannes aus, bei dem nicht einmal ein Motiv für diese grausame Tat zu finden ist? Laim und Berners, die beiden Jungspunde bei der Kripo München, vermuten eine größere Geschichte hinter dem Prostituiertenmord. Ihre Ermittlungen führen sie in die Chefetage eines Pharmakonzerns, dessen Top-Manager sich nicht nur wegen des Vorwurfs der Kartellabsprache zu verantworten haben, sondern denen Kommissar Laim auch einen Mord zutraut. Vielleicht hatte das Callgirl ja Dinge gewusst, die es nicht wissen sollte? Noch fühlen sich die Großkopferten sicher. Wer mit der Kriminaldirektorin und dem Staatsanwalt verkehrt – muss der was befürchten? Laim schießt sich dennoch ein auf die weißblauen Bonzen, die sich beim Begleitservice „Ambiente Haidhausen“ ihre Frauen kaufen für ihre Sexpartys und Blowjobs.
Soundtrack: Nouvelle Vague („Heart of glass“), Blondie („Heart of glass“), Depeche Mode („Suffer well“), Flashbaxx („Sand Bank“), ReUnited („Sun is shining“), Rilod („Thriller“), Speedmaster Project („Tainted Love“)
Lukas Laim ist wie besessen von diesem Fall. Da schwingt eine gute Portion Selbsthass mit. Sein Großvater war ein steinreicher Unternehmer, der in Hitlerdeutschland für ein reiches Erbe seiner Nachfahren sorgte. Laim war zwar offenbar mit jeder auf dem Präsidium schon mal im Bett, dennoch bevorzugt auch er Damen, die er buchen muss. Er will es dieser Starnberger-See-Fraktion zeigen. Die Psychologie der Hauptfigur mit ihren Projektions-Mechanismen, gebeutelt von der penetranten Mutter (köstlich: Gisela Schneeberger), diese Abnabelungsbiographie ist das Spannendste an „Die Tote ohne Alibi“. Auch Maximilian Simonischek, der in diesem Münchner Paralleluniversum eine sehr viel bessere Figur als auf der Hindenburg macht, reizten die „Unebenheiten“ seines Ermittlers. „Sympathische Typen zu spielen, ist langweilig“, glaubt der 30-jährige Schauspieler. „Laim ist beziehungsunfähig, Stammkunde bei einer Escort-Agentur und hat statt einer festen Freundin eine bezahlte Dauer-Geliebte. Er hat etwas Verschlossenes an sich, besitzt den Charme eines einsamen Wolfs.“
Der Kommissar und der Hass auf die eigene Herkunft:
Laim: „Die geben sich gegenseitig ein Alibi.“
Berners: „Kannst du dir vorstellen, dass einer von denen Sex auf dem Klo hat? Dass er Anja erwürgt, in Michalskis Wohnung eindringt, ihn betäubt und aufhängt?“
Laim: „Wieso nicht?! Die ruinieren 30 Jahre die Wirtschaft, stopfen sich die Taschen voll und ihre Frauen in Haute Couture. Dann ziehen sie an den Starnberger See, verteilen ihr Beutegeld an ihre missratenen Kinder und verstopfen die Golfplätze.“
Leider hält die Geschichte nicht ganz das, was der Charakter des Helden verspricht. Das ZDF wollte mal die dunklere Seite der „Weltstadt mit Herz“ für einen Krimi erkunden. Waren es einst die Grünwalder Villentüren, an denen Derrick & Co läuteten, um vornehmlich Familienkonflikte aufzudecken, ist das Verbrechen auch in München heute ins gesellschaftliche Zentrum gerückt. Wie in der ZDF-Krimireihe „Unter Verdacht“ kungelt auch in „Die Tote ohne Alibi“ die Staatsanwaltschaft mit den Mächtigen der Industrie. Leider fehlt diesem Krimi etwas die Stringenz, der Dramaturgie der ordnende Faktor und dass der Zuschauer oft mehr weiß, erzeugt keinen nervenaufreibenden Suspense à la Hitchcock. Der Film von Michael Schneider entwickelt trotz Handlungsvielfalt eine seltsame Langatmigkeit. Eine Möglichkeit, um den Krimi spannungstechnisch zu straffen, ergreift Autor Christoph Darnstädt noch vor der Halbzeit des Films, indem er den Täter mehr oder weniger offen führt. Das Manko bleibt: Es entwickelt sich kein echter Zweikampf, kein physisches Duell.
Dem Film fehlt es an Konzentration. Verknappung hätte auch dem Personal gut getan. Wer braucht schon über 20 Figuren?! Mit weniger hätten die Besonderheiten von Nebenfiguren mit Potenzial wie Simhandl/Wittmann, Rüvermann/Grimm oder Laims Mutter/Schneeberger plastischer herausgearbeitet werden können. Und selbst Harald Schrotts zwielichtig charismatischer Consultant Nefzer hätte noch eine Verdichtung vertragen. Dass es einen der Kommissare zur Halbzeit „erwischt“ ist mutig, allerdings verpufft ein solcher Regelbruch in einem Krimi, wenn er sich ansonsten weitgehend den Konventionen des Genres (man achte auf die Musik) ergibt. Christoph Darnstädt ist ein Krimi-erfahrener Autor, der es gerne etwas knalliger mag. Ein Regisseur mit mehr Händchen für Zwischentöne hätte wohl etwas mehr aus dem Buch mit seiner interessanten Hauptfigur herausgeholt. Einen ganz anderen Mehrwert würde diese „junge“, grobmotorische Krimi-Konstellation im Rahmen einer Serie bekommen. Weshalb ausgerechnet „Die Tote ohne Alibi“ eine Überlänge zum üblichen 90-Minüter von 15 Minuten aufweist, bleibt deshalb das größte Rätsel dieses Films. (Text-Stand: 2.4.2012)