Sie laufen – gefühlt – mindestens zehn Mal pro Jahr auf dem ZDF-Montagsplatz zur PrimeTime: die meist ziemlich konstruierten, zuweilen etwas blutleeren TV-Thriller im Zweiten. Gut besetzt, spannend bis zum Showdown und ansprechend inszeniert sind sie meistens. Aber die stereotypen Plots führen doch zu einer gewissen Ermüdung. Das trifft auch auf „Die Tote in der Berghütte“ zu, obwohl diesem Psycho-Thriller nicht abzusprechen ist, dass er – typisch österreichisch – doch um einiges abgründiger daherkommt als andere.
Die hübsche Charly (Silke Bodenbender) ist frisch verliebt und auf dem Weg zum smarten Max (Christopher Schärf) nach Graz. Sie möchte mit ihrem Jugendschwarm, den sie zufällig in Hamburg wieder getroffen hat, zwei Tage alleine verbringen. Doch es kommt anders: Am Bahnhof warten bereits ihre alten Schulfreundinnen Rita (Nicolette Krebitz), Ingrid (Nora von Waldstätten) und Sonja (Franziska Weisz) auf sie, um die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Die Freundinnen lassen sich von der geheimnisvoll-überdrehten Rita überreden, zum alten Jagdhaus zu fahren, in dem sie schon als Kinder Abenteuer erlebt haben. Das liegt völlig einsam auf einer Anhöhe. Manu (Edita Malovčić), die fünfte im Bunde, kommt nach. Was als lustiger Wochenendausflug beginnt, gerät nach und nach zu einem Horrortrip…
Foto: ZDF / ORF / Petro Domenigg
Berghütten oder Jagdhäuser, Hauptsache abgelegen, sie haben was Faszinierendes für Krimi-Autoren. Bei „Die Tote in der Berghütte“ stammt die Romanvorlage von Nora Miedler und heißt „Warten auf Poirot“. Agnes Pluch, die mit Nikolaus Leytner das Buch zum Grimme-nominierten Film „Die Auslöschung“ verfasst hat, hat Motive aus der Vorlage zu einem TV-Thriller verdichtet. Es ist keine Geschichte aus dem Leben, sondern eine zuweilen überkonstruierte Story, die immer wieder einen neuen Dreh finden will und am Ende mit einer verblüffenden Auflösung aufwartet. Thomas Roth, Sohn des Schriftstellers Gerhard Roth, der für den ORF einige „Tatorte“ und neun Filme der „Trautmann“-Reihe in Szene gesetzt hat, hat den Thriller um Menschen in einer Ausnahmesituation stilsicher inszeniert. Jo Molitoris liefert packende Bilder und ist mit der Kamera nah an den Figuren. Alles ist düster, geheimnisvoll. Klar, ein Gewitter muss aufziehen, diese Nacht in der Jagdhütte zu einer regenpeitschenden Horrortrip werden lassen. Das ist schon etwas des Guten zuviel. Sehr flüssig und homogen dagegen, wie Roth die Szenen aus der Kindheit der Mädels mit der Gegenwart verknüpft.
Stark die Besetzung, allen voran Nicolette Krebitz und Silke Bodenbender als die beiden Gegenspielerinnen. Gemeinsam mit Nora von Waldstätten, Franziska Weisz und Edita Malovčić bilden sie ein überzeugendes Mädels-Quintett. Zum Ende hin kommt dann noch Harald Krassnitzer, der die Botschaft („wer will denn schon immer die Wahrheit hören“) verkünden darf und Charly die Reinwaschung von der Vergangenheit versagt. Ein bissserl Horrorhaus, ein bisserl Mystery, viel Vergangenheitsmythos und ständig neue Fährten und überraschende Wendungen: „Die Tote in der Berghütte“ fesselt durchaus, hat starke Effekte. Aber es stellt sich auch das Gefühl ein, alles schon zu oft gesehen zu haben: Es ist die zigste Reise in der Vergangenheit, in der das Schreckliche von damals ans Licht kommt, die üblichen Psychospielchen stattfinden und am Ende als bekannt-beliebtes Filmmotiv wieder mal Rache steht. Ein wenig mehr Mut, neue Wege zu bestreiten, täte dem ZDF im Bereich Fernsehfilm wieder mal gut… In Österreich lief der Thriller übrigens als „Blutsschwestern“. Warum sich das Zweite für einen anderen Titel entschieden hat? ORF-Filmchef Heinrich Mis kann es nicht nachvollziehen: „Der Titel kam für uns nie infrage. Denn da würde man ja glauben, dass jeden Moment der Florian Silbereisen um die Ecke springt.“ (Text-Stand: 6.4.2014)
Foto: ZDF / ORF / Petro Domenigg