´Einen regelrechten Aufstand der Dinge erlebt eine Hausfrau in ihren vier Wänden. Wie ihr der Alltag mehr und mehr entgleitet, erzählt das bemerkenswerte Spielfilm-Debüt von Tom Tykwer, „Die tödliche Maria“, in experimentell anmutenden Bildern. Obwohl das 105minütige Schreckensszenario – wie das für Fernseh-Kino-Produktionen üblich ist – bisher nur in einigen Kunstkinos zu sehen war, heimste das „Kleine Fernsehspiel“ zahlreiche Preise ein.
Maria, um die 40, lebt mit ihrem Ehemann Heinz in einer beängstigend eintönigen Ehe. Seit Jahren der gleiche Tagesablauf, die gleichen Lieblosigkeiten. Hinzu kommt Marias Vater, ein bettlägeriger Tyrann, ein Häufchen Elend, mit dem sie eine Art Haßliebe verbindet. In Rückblenden erfährt der Zuschauer, dass die Mutter bei Marias Geburt gestorben ist und dass des Vaters Krankheit Folgeschaden eines Infarktes ist, den er erlitten hatte, als er die 16jährige Tochter beim Knutschen erwischte. Kein Wunder, dass Maria ganz spezielle Fluchtgedanken hegt: Einer phallischen Statue vertraut sie ihre Sorgen und Nöte in Briefen an, und einen verschrobenen jungen Mann von gegenüber, der so zwanghaft Papier sammelt wie sie Insekten, hat sie sich als Liebesobjekt ausgeguckt.
„Ein auf die visuelle Wirkung hin inszeniertes Spielfilmdebüt von bedrückender Intensität, dessen kameratechnische Ambitionen zwar nicht immer frei von Manierismen sind, stets aber vom Talent des Autors zeugen, eine Geschichte filmisch aufzulösen. Auch schauspielerisch überzeugend.“ (filmdienst)
So einfach die Geschichte, so dicht und ungewöhnlich ist die Erzählweise. Tykwer zieht hier alle filmsprachlichen Register: gekippte Kamera, Gegenstände in befremdenden Detailaufnahmen, kunstvolle Überblendungen, dazu eine bedrohlich klingende Tonebene und atmosphärisches Licht, meilenweit entfernt von der üblichen Fernsehspiel-Ausleuchtung. Den Rest zum Gelingen tragen die meisterlich agierenden Schauspieler bei. Nina Petri und Katja Studt wurden für die ihre Leistungen mit Preisen geehrt. (Text-Stand: 13.8.1995)