„Jeder, der einmal versucht hat, seinen Kindern zu erklären, wie das damals war mit der deutsch-deutschen Grenze, wird ein Monument des Erinnerns vermissen“, befindet Regisseur Niki Stein. „Die wenigen Reste, die man von der Mauer stehen gelassen hat, können den Schrecken nur unzureichend wiedergeben.“ In diesem Sinne ist sein Fernsehfilm „Die Todesautomatik“ ein Versuch, noch einmal sinnlich nachvollziehbar zu machen, was es bedeutete, mit diesem 1400 Kilometer langem Monstrum, mit Schießbefehl und tödlichen Selbstschussanlagen zu leben. Es ist ein Film über die Schattenseiten der sogenannten „friedlichen Koexistenz“, ein Film über deren Opfer, ein Film auch gegen das Vergessen.
Als Vorlage diente die Lebensgeschichte von Michael Gartenschläger, der am 30. April 1976 bei dem Versuch ums Leben kam, eine jener Selbstschussanlagen, deren Existenz die DDR-Führung lange Zeit bestritt, zu demontieren. Die Jahre zuvor hat er die ganze Macht des Staatsapparates aufs Brutalste zu spüren bekommen. 1961 wurde er als 17-Jähriger, nachdem er aus Protest über den Bau der Mauer mit Freunden antikommunistische Parolen an Wände und Schaufensterscheiben gepinselt und eine LPG-Scheune in Brand gesetzt hatte, in einem Schauprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Es sollte an den Jugendlichen ein Exempel statuiert werden. Zehn Jahre später wurde Gartenschläger von der Bundesrepublik freigekauft. Durch seine Erfahrungen politisiert, betätigte er sich als Fluchthelfer. 31 DDR-Bürger schleuste er in den Westen. Der Staatssicherheit war er ein Dorn im Auge, aber auch der Bundesrepublik galt er als ein Störenfried in Zeiten der Entspannung.
Foto: ZDF / Christine Schroeder
„Gartenschläger als extremer und in seiner unstillbaren Konsequenz nicht immer nachvollziehbarer Charakter, konnte nicht alleinige Hauptfigur des Films sein“, so Produzent Johannes Pollmann. Und so schrieb der Drehbuchautor Wieland Bauder eine Freundschaftsgeschichte. Der eigentliche Held, aus dessen Perspektive der Film erzählt wird, ist einer von Gartenschlägers überlebenden Weggefährten. Er wurde Lothar Lienicke nachempfunden, der Gartenschlägers deutsch-deutsche Erfahrungen in seinem Buch „Todesautomatik“ schildert. So ließ sich der letztlich tragische Lebensweg emotional und plausibel nachzeichnen. Von der Clique in den Knast, vom Osten in den Westen, vom wilden Rock-&-Roll-Fan zu einem zwanghaften Menschen, der sich sein eigenes geistiges Gefängnis baut. Es wird dabei deutlich, dass die jugendlichen Opponenten nicht aus politischer Überzeugung handelten, sondern aus ihrem (Lebens-)Gefühl heraus. Sie wurden vom Staat in die oppositionelle Rolle gedrängt, weil sie nicht in dessen ideologisches System passten.
Niki Stein, der Bauders Drehbuch überarbeitet hat, konzentriert sich auf die 70er Jahre in Westdeutschland. Das eröffnet die Möglichkeit, den politischen Horizont jener Jahre in die Geschichte hineinzuholen und den Zuschauer auch mit etwas Zeitgeist-Folklore zu ködern. Stephan Kampwirth spielt den Freund, der endlich an dem Schnuppern möchte, was ihm im DDR-Knast vorenthalten blieb. Doch es ist schwer, sich heimisch zu fühlen. Ob links, liberal oder konservativ – so richtig warm wird sein Lutz Lenarth mit niemandem, nur Sigrid gefällt ihm, doch sie ist die Freundin seines Kumpels. Kampwirth spielt den in beiden Deutschlands Fremden äußerst glaubwürdig. Misel Maticevic als Gartenschläger-Figur Manfred Brettschneider, physisch (ver)brennend, steht ihm in nichts nach. (Text-Stand: 26.11.2007)