Die Staatsaffäre

Veronica Ferres & Philippe Caroit. Beziehungspolitisch ziemlich weit unten

Foto: Sat 1
Foto Rainer Tittelbach

So hat sich das Sat 1 wohl gedacht: Man zeigt, wie sich selbst die Bundeskanzlerin nicht nur im übertragenen Sinne nackig macht, wie sie zum verliebten Teenie regrediert – und ermöglicht so der weiblichen Zielgruppe, den zwischen Beruf und Privatleben switchenden Frauen, daraus die richtigen Lehren für sich zu ziehen. „Die Staatsaffäre“ ist nicht wirklich eine Staatsaffäre, sondern eine moralinsaure, auf höchste Staatsbene gehievte RomCom. Wer mehr erwartet hat, gar Seitenhiebe auf den deutschen Politzirkus, muss enttäuscht sein!

Anna Bremer liebt ihren Beruf über alles – sie liebt Deutschland und sie wird von den Bürgern zurückgeliebt: Anna Bremer ist Bundeskanzlerin. Sex und Liebe stehen bei ihr nicht auf der Agenda. Ihr scheint nichts zu fehlen. Ihr Berater hätte sie gern menschlicher, emotionaler. Soll er haben. Und ein bisschen Privatleben wäre gut fürs Image. Plötzlich ist auch das kein Problem mehr für die immer etwas (hüft)steif wirkende First Lady. Grund für die Wende ist der neue französische Präsident Guy Dupont. In ihm erkennt sie den französischen Studenten, der mit ihr in der historischen Nacht des Mauerfalls eine offenbar unvergessliche Liebesnacht verbrachte, auf einem Dach, irgendwo in Kreuzberg. Jetzt, 25 Jahre danach, sehen sich die beiden wieder – ausgerechnet beim Europa-Gipfeltreffen, bei dem das Bremer so wichtige Energieabkommen verabschiedet werden soll. Die Kanzlerin ist völlig durch den Wind; auch Le President erkennt bald, wen er da vor sich hat. Einen einzigen Kuss wünscht er sich. Es folgt eine erneute Liebesnacht. War es das nun mit dem Job als Bundeskanzlerin?

In Situationen, in denen man sich selbst klein vorkommt und die anderen um einen herum für groß und mächtig hält, wird einem häufig der Rat gegeben, sich das Gegenüber nackt vorzustellen. So ähnlich müssen sich das die ganz auf den weiblichen Zuschauer fixierten Sat-1-Macher für ihr TV-Movie „Die Staatsaffäre“ gedacht haben: Man zeigt, wie sich selbst die Bundeskanzlerin nicht nur im übertragenen Sinne nackig macht, wie sie zum verhuschten, verliebten Teenie regrediert – und ermöglicht so der Zielgruppe, den stets zwischen Beruf und Privatleben switchenden Frauen im besten Alter, scheinbar von Selbstzweifeln und schlechtem Gewissen getrieben, daraus die richtigen Lehren für sich zu ziehen. Der peinliche Off-Kommentar zu Beginn und am Ende des Films, von der Kanzlerin himself vorgetragen in einer fidelen Ratgeber-Rhetorik, die keinen Gemeinplatz auslässt, legt diese Vermutung nahe. Vielleicht hat man aber auch nur deshalb die RomCom-Muster auf die höchste Staatsebene gehievt, um dem abgegriffenen Genre zumindest ein zartes Facelifting zu verpassen, sicherlich auch in der berechtigten Hoffnung, dass damit die Attraktivität des quotenmäßig etwas dahindümpelnden Sat-1-Dienstagsfilms für Zuschauer und Medienmenschen steige.

Die StaatsaffäreFoto: Sat 1
Politiker sind auch nur Menschen – und ständig in Eile. Das Team und seine Chefin. Martin Brambach, Veronica Ferres, Bernhard Piesk und Theresa Underberg

„Die Staatsaffäre“ erzählt nicht wirklich von einer Staatsaffäre. Der Film braucht ein wenig, bis er, moralisch angetrieben von Kalendersprüchen wie „Hör auf dein Herz“ oder „An das Glück der Menschen denken, heißt auch an das eigene Glück denken“, ansatzweise seine romantisch-komödiantische Tonlage findet. Machtpolitisch steht die Heldin ganz oben, beziehungspolitisch bewegen sich die Autoren indes in Sachen Partnerpsychologie und Glücksversprechen ziemlich weit unten. Zum deutschen Politzirkus fällt Dan Bohlinger und James Dutcher auch so gar nichts Spezifisches ein, sodass die Frage erlaubt sein muss, ob man nicht besser auch einen deutschen Autor am Drehbuch hätte beteiligen sollen. So verdichtet sich der Verdacht, die Geschichte allein aus PR-Gründen auf der politischen Chefetage verortet zu haben. Etwas unstimmig auch die komödiantische Ausgangssituation: Ein französischer Politiker, der Präsident wird, sollte das deutsche Staatsoberhaupt schon vorher mal in den Medien gesehen haben; der Gedanke „die kenn ich doch irgendwoher“ kann ihm also nicht erst urplötzlich in Berlin gekommen sein. Um das Ganze etwas plausibler zu machen, hat man Anna und Guy in jungen Jahren mit zwei Schauspielern besetzt, die kaum eine Ähnlichkeit mit den beiden Hauptdarstellern Veronica Ferres und Philippe Caroit besitzen.

Ein Film wie „Die Staatsaffäre“ weckt größere Erwartungen als eine durchschnittliche Romantic Comedy. Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb dieser handwerklich solide von Michael Rowitz inszenierte Film einen so unbefriedigt lässt. Es bleibt das Gefühl, dass man sehr viel mehr aus dem Stoff hätte machen können. Mehr als halbherzige Anspielungen auf nationale Klischees und europäische Politiker (der Russe säuft Wodka, der Italiener lässt sofort die Hose runter, als die Kanzlerin sagt: „Ich brauche Sie, Carlo“). Mehr als nur eine simple Politintrige. Mehr Screwball-Touch zwischen der Deutschen und dem Franzosen, weniger moralinsaure Botschaften, die offene Türen einrennen. Mehr als nur eine einzige Komik-Regel: Je „erhabener“ kraft seiner gesellschaftlichen Stellung die Person ist, die auf der Bananenschale ausrutscht, umso komischer (der gute alte Bergson!). Mehr als diese schlichte Privatisierung der politischen Klasse à la Politiker sind halt auch nur Menschen. Dieses Verlogen-Gleichmacherische ist das, was dieses vermeintliche Event-Movie ärgerlich macht. Und besetzungstechnisch? Ob Ferres eine gute Kanzlerinnen-Darstellerin ist, darüber lässt sich streiten. So witzig wie die Thalbach in „Der Minister“ ist sie erwartungsgemäß nicht – die durfte ja auch die reale Kanzlerin verkörpern und war bewusst als Parodie angelegt. Ob Caroit ein guter Präsident ist, das kann klar bejaht werden. Außer Frage steht auch, dass Martin Brambach als Kanzler-Berater eine nuancierte, unalberne Performance abliefert.

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Veronica Ferres, Philippe Caroit, Martin Brambach, Theresa Underberg, Bernhard Piesk, Stephan Kampwirth, Susanna Simon, Felix Vörtler, Pascal Lalo

Kamera: Dietmar Koelzer

Schnitt: Magdolna Rokob

Musik: Helmut Zerlett

Produktionsfirma: Producers at Work

Drehbuch: Don Bohlinger, James Dutcher

Regie: Michael Rowitz

Quote: 2,65 Mio. Zuschauer (9,2% MA)

EA: 02.09.2014 20:15 Uhr | Sat 1

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

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