Vera von Schalburg, die 1938 als Prostituierte in einem Pariser Edel-Bordell arbeitet, wird von einem Offizier der deutschen Abwehr angeworben. Die attraktive Deutsche mit dänischen und russischen Wurzeln ist „nicht an Politik interessiert“, hofft aber als alleinerziehende Mutter auf ein besseres Leben auch für ihren Sohn Christian. Beide ziehen nach Hamburg, Christian wird im Internat gedrillt, und seine sprachgewandte Mutter übersetzt beim Geheimdienst für Konteradmiral Canaris die abgefangenen ausländischen Memos. Als der Krieg ausbricht, wird sie nach London geschickt, um militärische Geheimdienste auszuspionieren – und fliegt auf. Ihr Leben kann sie nur retten, indem sie als Doppelagentin tätig wird.
Das Wenige, was man von der realen Figur Vera von Schalburg weiß, hat Drehbuchautorin Annette Hess („Weißensee“) üppig ausgeschmückt. In Wirklichkeit war die Agentin weder Mutter noch ist es verbürgt, dass sie aus englischer Gefangenschaft jemals wieder nach Deutschland zurückkehrte. Aus einer geheimnisvollen Figur der Zeitgeschichte wird so im Dienste eines braven Weihnachts-Unterhaltungsfilms eine von den Zeitläuften, den eigenen Muttergefühlen und der Liebe getriebenen Frau – eine Projektion, die mehr über das gegenwärtige Frauenbild aussagt als über das historische Vorbild. Insofern ist die Besetzung der Hauptrolle mit Valerie Niehaus konsequent, die sich auf sympathische Figuren in eher leichten Stoffen versteht und hier durch besondere Sprachgewandtheit glänzt, denn Vera von Schalburg spricht auch Französisch, Englisch und Russisch (was untertitelt wird).
Foto: Degeto / ATF / Bajo
Dafür fehlen diesem Agentendrama die abgründigen und auch die etwas verruchten Seiten. Dass sie die „komplette Klaviatur“ beherrsche, wie sie selbst behauptet, die Männer „zum Lachen, zum Weinen, zur Raserei, zur totalen Befriedigung“ bringe, davon ist nicht viel zu spüren. Auch die Liebesgeschichte mit Abwehr-Offizier Hilmar Diercks, der von Schalburg anwirbt und sich in sie verliebt, will nicht recht zünden. Und die wütende weltanschauliche Standpauke für ihren Sohn, der stolz berichtet, er habe einen Juden entdeckt und gemeldet, entlastet die Agentin im Auge des Publikums von ideologischen Vorbehalten. Diese Art Umgang mit einem historisch realen Vorbild ist letztlich zu glatt und gut gemeint. Mit einigen überraschenden Wendungen sorgt das Drehbuch für einen gewissen Unterhaltungswert, doch die Inszenierung will daraus gar kein Kapital im Sinne eines tempo-, oder gar actionreichen Agententhrillers schlagen. Behäbig arbeitet sich Miguel Alexandre chronologisch durch den Stoff, nur bei von Schalburgs Entlarvung in London und ihrer drohenden Hinrichtung werden dem Publikum ein paar schnelle, irritierende Schnitte zugemutet. Sehr schön allerdings die Schlusseinstellung in Western-Optik, die das Wohlfühl-Happy-End doch noch in ein offenes Ende verwandelt – was dann dem unklaren Schicksal der realen Figur wieder gerecht wird.
Etwas fürs Auge bietet ansonsten vor allem die Ausstattung und die zeitgenössische Mode, die hier opulent zur Schau getragen wird. Eine elegante Oberfläche, unter der sich manchmal Doppelbödigkeit verbirgt, am schönsten verkörpert noch von Katerina Medvedeva als Gräfin Pawlowa, bei der von Schalburg in London Unterschlupf findet. Die steifen Szenen in den Büros der deutschen Abwehr dagegen kommen kaum über uniformierte Klischees hinaus und lassen einer Schauspielerin wie Nina Petri (als Nazi-Scherge) wenig Raum zur Entfaltung.