Die Seelen im Feuer

Mark Waschke, Bodenbender, Hess, Kolditz, Egger. Die Ohnmacht der „Besagten“

Foto: ZDF / Alfons Kowatsch
Foto Rainer Tittelbach

„Die Seelen im Feuer“ ist der weitgehend gelungene Versuch, einen (im Gegensatz zu den Exploitation-Movies der späten 60er) seriösen Fernsehfilm über die Hexenverfolgungen zu machen. Der thematische Anspruch ist deutlich höher als bei der „Wanderhuren“-Trilogie; die historischen Ereignisse und die Rhetorik des „Bösen“ lassen allerdings wenig Spielraum für Außergewöhnliches. Dafür ist die ZDF-Produktion reich an Subtexten. Die Maschinerie massenhafter Verfolgungen und Hinrichtungen läuft – in welchem Jahrhundert auch immer – nach einem ähnlichen Muster ab. Besonders augenfällig: die gute Arbeit der Gewerke!

Im deutschen Zentrum der Hexenverfolgung
Bamberg, um 1630. Cornelius Weinmann (Mark Waschke), ein fortschrittlich denkender Medicus aus Wien, ist ans Totenbett seines Vaters geeilt. In seiner Heimat, einer rückständigen Hochburg des Katholizismus, bekommt er es bald mit dem Fürstbischof Fuchs von Dornheim (Paulus Manker) und seinem listigen Einflüsterer, Weihbischof Förner (Alexander Held), zu tun. Er heilt den Fürstbischof, der ihn in seine Dienste zwingt. Ähnlich autoritär ist auch der Umgang mit dem Stadtrat um Bürgermeister Junius (Richy Müller). Nicht einmal der Bitte um Steuernachlass kommt der kirchliche Regent nach. Und das in der schlimmsten Hungersnot seit Jahrzehnten, die durch Frost im Sommer verursacht wurde. Für viele der gläubigen Bamberger ist diese „Kleine Eiszeit“ weniger Strafe oder Prüfung Gottes als vielmehr das Werk der Hexen. Und als sich dann ein 14Jähriger öffentlich selbst beschuldigt, ein Hexer zu sein, schlägt alsbald die Stunde der Hexenkommissare. 1000 Bürger enden auf dem Scheiterhaufen. Auch Weinmanns Jugendliebe Johanna (Silke Bodenbender) gerät in die Fänge der Folterknechte. Ein Mal kann er sie vor dem Feuertod bewahren, doch dann wird der Medicus selbst (von einem Gefolterten) beschuldigt, beim Hexentanz dabei gewesen zu sein.

Die Seelen im FeuerFoto: ZDF / Alfons Kowatsch
In einer Apotheke mitzuhelfen ist nicht ungefährlich im Jahre 1630. Silke Bodenbender

Die Voraussetzungen für „Die Seelen im Feuer“
Nennenswerte deutsche Spielfilme über die Auswüchse der Hexenverfolgungen gab es bislang nicht. Im Zuge des überaus erfolgreichen Kinofilms „Der Hexenjäger“ (1968) mit Vincent Price kamen Ende der 60er Jahre einige unappetitliche Exploitation-Movies wie „Hexen bis aufs Blut gequält“ mit deutscher Beteiligung auf den Markt. Von daher ist der Versuch, mit „Die Seelen im Feuer“ einen seriösen Unterhaltungsfilm über dieses dunkle Kapitel europäischer Kirchengeschichte zu machen, erst einmal positiv zu bewerten. Auch das vom ZDF erprobte duale Prinzip, erst die Fiktion, dann die Doku, ist durchaus zu begrüßen. Dass „Hexenwahn – Die Dokumentation“ kein filmischer Meilenstein würde, war zwar zu erwarten (so ist dem Bildernotstand mit den zahlreichen Filmausschnitten aus Urs Eggers 110-Minüter nur unzureichend beizukommen), andererseits aber erweist sich die Konzentration des 30minütigen Films auf die inquisatorischen Vorgänge in Bamberg als durchaus zweckmäßig in Hinblick auf eine faktenreiche Ergänzung der Fiktion-Produktion. Ein Glücksfall ist auch der gut recherchierte gleichnamige Roman der Historikerin Sabine Weigand, der auf einer einzigartigen Dokumentenlage zur Bamberger Hexenverfolgung basiert. So konnten sich die Drehbuchautoren Annette Hess („Weißensee“) und Stefan Kolditz („Dresden“) auf eine breite Palette realer Charaktere stützen. Dazu erfanden sie die beiden Hauptfiguren, den Medicus Cornelius und die Apothekerin Johanna. Sie stehen, so Autorin Hess, „exemplarisch für die Entwicklung vom unfreien, abhängigen Diener zu einem aufgeklärten Individuum, dem modernen Menschen, der für seine Lebenswelt selbst verantwortlich ist“.

Hexenverfolgung und Sündenbock-Prinzip
„Die größtenteils stark gläubige Bevölkerung sucht die Erklärung für das Leid des Lebens bei Gott und dem Teufel. Der Teufel, so die Vorstellung, fährt in die Hexen, vor allem in das schwache weibliche Geschlecht, und diese zaubern Kriege, schlechtes Wetter, Hunger und Seuchen, Tot- und Missgeburten. Die Folter, juristisch festgelegt in der genau einzuhaltenden Reihenfolge, galt als probates Mittel, Hexen zu identifizieren. Was wir als Aberglaube bezeichnen, war für die Menschen dieser Zeit Gewissheit.“ (ZDF-Redakteurin Karina Ulitzsch)

Die Seelen im FeuerFoto: Degeto / Erika Hauri

Die Seelen im FeuerFoto: ZDF / Alfons Kowatsch
Oben: Gefürchtet für seine Hetzpredigten: der Gegenreformator Weihbischof Förner (Alexander Held). Darunter: Einer der mächtigen Hexenkommissare (Axel Milberg); sie halten sich nicht an die strengen Regeln der Verhöre.

Thematisch relevanter als „Die Wanderhure“
Sowohl die politischen Kräfte, die in jenen Jahren des Dreißigjährigen Kriegs walteten, als auch die sozialpsychologischen Prinzipien, die zwischen ausgehendem Mittelalter und Neuzeit herrschten, werden deutlich in diesem Historienfilm, der thematisch Relevanteres erzählen möchte als die vergleichbaren Mittelalter-Epen um Alexandra Neldels „Wanderhure“ oder „Die Hebamme“ mit Josefine Preuß. Die Kirche, die ihre Macht gefährdet sieht, zieht alle Register. „Der Körper des Weibes ist das Gefäß der Sünde“ ist der Glaubensgrundsatz, auf dem die Hexenverfolgungen basieren. „Seht, wie der Herr uns bestraft hat“, ruft ein Bauer gleich zu Beginn des Films dem übers Land reitenden Helden zu. „Es ist nicht der Herr, es ist das Werk der Hexen“, entgegnet eine Bäuerin. Annette Hess ging es bei der Adaption des Romans „vor allem darum, den Zuschauer an die historischen Charaktere zu binden, obwohl sie überkommene Moralvorstellungen und Werte besitzen“. Die Menschen waren offenbar überzeugt, dass Hexen existieren. „Die Gottesfürchtigkeit der Menschen und ihren Glauben an Magie und Hexerei ernst zu nehmen und erfahrbar zu machen“, darin sah auch Regisseur Urs Egger eine seiner vornehmlichen Aufgaben. So ist sich selbst die weibliche Hauptfigur, die von einem Kind „besagt“ wurde, zunächst nicht wirklich sicher, keine Hexe zu sein. „Die Seelen im Feuer“ zeigt auch, dass die Hexenverfolgung inklusive grausamer Foltermethoden nach dem Schneeballprinzip funktionierte: unter Qualen wurden die unschuldig Beschuldigten gezwungen, andere Unschuldige als vom Teufel Beseelte zu belasten. In Bamberg reichte allein die sogenannte „Besagung“. Es konnte also jeden treffen. Neid und Missgunst waren häufig die Motive. Mit den Hexenverfolgungen ließen sich auch politische Gegner aus dem Weg räumen, ja sogar Erbschaften Verbrannter wurden der „Malefizkasse“ zugeführt.

Die Seelen im FeuerFoto: ZDF / Alfons Kowatsch
Wird Cornelius die Jungfer Johanna (Silke Bodenbender) ein zweites Mal aus dem Folterkeller befreien können?

Mit Wut und Empathie ins Spätmittelalter
„Die Seelen im Feuer“ ist reich an Subtexten. Die Maschinerie massenhafter Verfolgungen und Hinrichtungen läuft – in welchem Jahrhundert auch immer – nach einem ähnlichen Muster ab. Macht & Ohnmacht, Fanatismus & Ideologie, Denunzierung & Angst sind die universalen Prinzipien. Für den Zuschauer bedeutet das: Identifikation mit dem aufrechten Medicus, den Mark Waschke auf- und angenehm abgeklärt verkörpert, und Empathie mit der verfolgten Apothekerin, der Silke Bodenbender viele Facetten von Weiblichkeit auf den Leidensweg mitgeben muss. Außerdem kocht beim Zuschauen mit jeder Hetzpredigt und jeder „Examination“ die Wut hoch. Allerdings birgt die evidente Heldendramaturgie, die gegenüber der Ohnmachtstruktur der Geschichte gegen Ende die Oberhand zu gewinnen scheint, die Hoffnung auf ein Ende der Gräuel. So sehr das Paar-Motiv auch strategisch gesetzt wurde – so wird doch der Love Interest überaus verträglich in den Hexenprozess-Plot integriert.

Das Spezifische der Zeit sinnlich darstellen
Dennoch bleibt – neben der klaren Schwarzweiß-Dramaturgie (die zwar die reale Historie 1:1 spiegeln mag, was aber nichts daran ändert, dass der Plot dadurch arg simpel wirkt) – das Nachspielen der Wirklichkeit des 17. Jahrhunderts das Hauptproblem eines solchen Films. Da ist es gut, dass der mitunter überdeutlichen Rhetorik der „Bösen“, die sich gelegentlich ein bisschen zu laut und zu theatralisch vermittelt, ein zrückgenommenes, eher am heutigen Realismus orientiertes Agieren der Hauptdarsteller gegenübersteht. Ebenso augenfällig ist die Arbeit der Gewerke, welche höchst sinnlich Spezifika dieser unseligen Zeiten auf die Bildebene projizieren: Ob die Handkamera als Realismusgarant, ob eine Ikonografie, die an alte Meister wie Bruegel oder Vermeer erinnert, ob das realistisch gestaltete Licht mit sparsamem Kerzenschein (die Stube des Apothekers) oder mit einem Meer an Leuchtern (der „OP“ des Fürstbischofs), ob prachtvolle Gewänder oder Büßerhemden, ob beengte Innenräume oder Szenen, die den Reichtum der Kirche spiegeln – Bildgestalter Holly Fink, Szenenbildnerin Petra Heim und Kostümbildnerin Birgit Hutter tun sich am deutlichsten hervor und machen „Die Seelen im Feuer“ zu einem insgesamt stimmig-stimmungsvollen Historiendrama, das seinen Protagonisten geradezu physisch zu Leibe rückt. (Text-Stand: 10.2.2015)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ZDF

Mit Mark Waschke, Silke Bodenbender, Paulus Manker, Alexander Held, Axel Milberg, Max von Pufendorf, Rainer Bock, Richy Müller, Michael A. Grimm, Markus Schleinzer, Nino Böhlau, Andreas Patton

Kamera: Holly Fink

Szenenbild: Petra Heim

Kostüm: Birgit Hutter

Schnitt: Britta Nahler

Musik: Marius Ruhland

Produktionsfirma: Film-Line Productions, Eclypse Filmpartner

Drehbuch: Annette Hess, Stefan Kolditz – nach dem Roman von Sabine Weigand

Regie: Urs Egger

Quote: 4,63 Mio. Zuschauer (14,5% MA)

EA: 02.03.2015 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach