Die Sache mit dem Glück

Oliver Stokowski und Katharina Böhm: Wenn für zwei 78er nichts mehr stimmt

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Foto Rainer Tittelbach

Ein Paar plant den Abflug. Was als Auswanderungsstory daherkommt, ist die Beschreibung einer Beziehung, bei der Psychologie wie soziale Verankerung stimmen und bei der der Alltagston wunderbar getroffen ist. Dem Film gelingt es, eine Dramaturgie zu entwickeln, die auf große Fallhöhe verzichtet, ohne sich in den Banalitäten des Alltags zu verlieren.

In einem sind sich Micha und Sabine nach über 20 Jahren „wilder Ehe“ völlig einig: das ganze Land im Eimer und die eigene Zukunft sieht auch nicht rosig aus. Michas Tischlerei läuft nicht mehr und Sabines Versuch, wieder als Krankenschwester zu arbeiten, endet deprimierend. Da kommt das Angebot eines Freundes, der ihre Hilfe bei einem Krankenhausbau in Costa Rica gut gebrauchen könnte, gerade recht. Der Plan, auszuwandern beflügelt die beiden, in ihrer Beziehung allerdings liegt so einiges im Argen.

Das Feuilleton erfand vor Jahren die 78er als Gegenentwurf zu den 68ern. Sie waren die, die als erstes von den späten 60er Jahren profitiert haben, die die aus Theorien praktikable Lebensentwürfe machten. Micha und Sabine, Mitte 40, gehören zu dieser Generation. Ihre Träume von früher, wo sie in der Dritten Welt politisch aktiv waren, haben sie zugunsten ihres privaten Glücks zurückgestellt. In ihrer Familie mit drei Kindern proben sie das, was sie einst für die Gesellschaft postulierten. Doch so ganz kann das Ergebnis nicht mit ihren Ansprüchen von einst mithalten. Und das liegt nicht nur an „den anderen“, es liegt auch an ihnen selbst. „Micha hat sich zu einem hoffnungslosen Egoisten entwickelt“, betont sein Darsteller Oliver Stokowski, „er glaubt aber von sich, stets alles richtig zu machen und dabei merkt er gar nicht, was seiner Partnerin fehlt.“

Alles auf den „bösen Alltag“ abzuschieben, ist eine beliebte Strategie. „Die Sache mit dem Glück“ zeigt, wie das in die Beziehungssackgasse führt. Zu Verantwortung gehört mehr als die Aufgabe, fünf Mäuler zu stopfen. „Hingucken, zuhören, mal wieder sehen, mit was für einer tollen Frau er zusammen ist“, diesen Rat würde Stokowski seinem Filmhelden geben. „Man muss etwas tun, um eine Liebe am Leben zu halten, sie darf nicht selbstverständlich werden.“ Der Film kommt zu einem ähnlichen Schluss: Beziehung ist Arbeit. Das ist nicht originell. Das wissen die meisten, die meisten vergessen es aber im Alltag schnell wieder.

Die Sache mit dem GlückFoto: ZDF
Was im Gewand einer Auswanderungsstory daherkommt, ist die genaue Beschreibung einer Beziehung. Katharina Böhm, Oliver Stokowski, Laura Sonntag, Max Felder

Autorin Britta Stöckle, die für ihr Schuldenfallen-Drama „Geht nicht, gibt’s nicht“ den Bayerischen Fernsehpreis gewann, hat mal wieder ganz genau hingeschaut. Was im Gewand einer Auswanderungsstory daherkommt, ist die genaue Beschreibung einer Beziehung, bei der Psychologie wie soziale Verankerung stimmen und bei der der Alltagston wunderbar getroffen ist. Viele kleine Wahrheiten werden unaufdringlich in die Handlung eingebaut. „Im Ausland wirst du nicht als Mensch behandelt, du bist immer der Fremde“, zieht der Imbiss-Italiener traurige Bilanz. Ganz nebenbei wird auch erzählt, wie aus Kindern Erwachsene werden, ohne dass es die Eltern so richtig wahrnehmen. „Die Sache mit dem Glück“ von René Heisig ist ein Film dem das große Kunststück gelingt, eine Dramaturgie zu entwickeln, die auf allzu große Fallhöhe verzichtet, ohne sich in den Banalitäten des Alltags zu verlieren. (Text-Stand: 14.4.2008)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Katharina Böhm, Oliver Stokowski, Jürgen Tarrach, Carin C. Tietze, Alicia von Rittberg, Max Felder

Kamera: Holly Fink

Schnitt: Horst Reiter

Musik: Oliver Biehler

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Drehbuch: Britta Stöckle

Regie: René Heisig

Quote: 4,09 Mio. Zuschauer (12,6% MA)

EA: 14.04.2008 20:15 Uhr | ZDF

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach