Sie sind beim TV-Krimi stets viel schlauer als die Ermittlungsteams? Dann bietet sich die Chance für einen Neuanfang, denn die Polizei hat eine Lösung für ihr Nachwuchsproblem gefunden: Werden Sie Quereinsteiger! Einzige Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung. Allerdings werden die neuen Kräfte in erster Linie für Hintergrund-Tätigkeiten eingesetzt; Außeneinsätze sind nicht vorgesehen. Für eine Krimireihe ist das auf den ersten Blick natürlich eine eher reizlose Vorstellung. Andererseits hat der ARD-Klassiker „Adelheid und ihre Mörder“ mit Evelyn Hamann (1993 bis 2007) im Grunde ganz ähnlich funktioniert. Außerdem war Conny Majewski mal Schützenkönigin, was beim Finale dieses Auftakts zu einer möglichen neuen RTL-Krimireihe eine entscheidende Rolle spielen wird.
Foto: RTL / Willi Weber
Abgesehen von der Schießerei am Schluss, in deren Verlauf es einige Tote und Schwerverletzte gibt, ist „Plötzlich Bulle“ ausgesprochen familientauglich. Der Tonfall erinnert an die Sat-1-Erfolgsserie „Der letzte Bulle“, und das nicht nur, weil sich die Geschichten in der Essener Nachbarstadt Duisburg zutragen. Hier wie dort ist das emotionale Zentrum eine typische Ruhrgebiets-Eckkneipe, in der sich seit Jahren die immergleichen Stammgäste treffen. Ihnen zu Ehren gibt Conny (Caroline Peters), Besitzerin des „Ruhrpott Flamingo“, zum 25jährigen Bestehen eine Party, aber als im Verlauf einer Schlägerei die Nase der Vermieterin in Mitleidenschaft gezogen wird, ist Schluss mit lustig: Der Pachtvertrag wird nicht verlängert. Weil Conny nun einen neuen Job braucht, landet sie eher zufällig bei der Polizei, wo sie eigentlich bloß dafür sorgen wollte, dass ein vermeintlicher Suizid als Mordfall behandelt wird: Nachbarin Irmi ist überzeugt, dass sich ihr Sohn Lutz keineswegs selbst erschossen und auch seinen Abschiedsbrief nicht freiwillig geschrieben hat. Am liebsten würde Conny selbst ermitteln, aber der schlechtgelaunte Ausbilder Dierks (Serkan Kaya) lässt die Neuen erst mal alte Akten digitalisieren.
Interessant wird dieser „Duisburg-Krimi“, als Conny die Vorgeschichte des Vorgesetzten und den Grund für sein Alkoholproblem erfährt: Diercks’ junger Partner Niklas ist vor zwei Jahren im Auftrag eines Clanchefs erschossen worden; das hat den Kommissar komplett aus der Bahn geworfen. Seither fristet er sein Dasein auf einem Abstellgleis im Keller; eine mehr als nur beiläufige Parallele zur ZDF-Samstagsreihe „München Mord“. Als er Verbindungen zwischen dem Mord an Niklas und dem Tod von Lutz entdeckt, erwachen seine kriminalistischen Lebensgeister, und weil sich Conny dank Beziehungen und Menschenkenntnis als wertvolle Hilfe erweist, darf sie ihn bei den Ermittlungen unterstützen. Zweiter und Dritte im Bunde des Quereinstiegstrios sind der junge Arndt (Merlin Rose), der ebenfalls mit Feuereifer dabei ist, sowie die Bratschistin Annegret (Lola Klamroth), die jedoch mit der Arbeit im Archiv ganz zufrieden zu sein scheint.
Foto: RTL / Willi Weber
Das ist alles recht harmlos, aber dank der witzigen Dialoge ziemlich lustig. Anke Winschewski hat nach ihren Anfängen als Autorin für „Forsthaus Falkenau“ oder „Familie Dr. Kleist“ unter anderem auch für die heitere Krimiserie „Der Bulle und das Biest“ gearbeitet und gemeinsam mit Niels Holle, Koautor der „Duisburg-Krimis“, die Episode „Der Waffendeal“ aus der ARD-Reihe „Harter Brocken“ geschrieben; das war immerhin ein fesselnder Thriller mit komischen Momenten. Holle ist so etwas wie der Epigone von Erfolgsautor Holger Karsten Schmidt bei „Nord bei Nordwest“; das erklärt vielleicht das bleihaltige Finale. Bis dahin lebt „Plötzlich Bulle“ vor allem von den Figuren und ihrem Ruhrpottcharme. Der Film verzichtet auf grobe Klischees, schließlich ist der Strukturwandel des einstigen Reviers auch an Duisburg nicht spurlos vorübergegangen, aber gerade in den Nebenrollen finden sich einige „Typen“, darunter Moritz Führmann als Connys unzuverlässiger Ex-Mann, der die Kneipe übernehmen will, sowie Stephan Bieker; der komische Postbote aus den „Meine Mutter“-Eifelkomödien mit Diana Amft und Margarita Broich sorgt auch hier als „Streifenhörnchen“ für gute Laune. Das Lokalkolorit ist allerdings längst nicht so ausgeprägt wie einst im „Tatort“ mit Götz George als Horst Schimanski. Regie führte Marc Rensing, der dank seiner zumeist sehenswerten Beiträge zu Reihen wie „Friesland“, „Wilsberg“ oder „Die Füchsin“ weiß, wie Schmunzelkrimis funktionieren. Spannend ist die Krimikomödie genregemäß zwar nicht, doch die Bildgestaltung (Lars Liebold) mit ihren kräftigen Farben hat hohes Niveau; und das Duo Peters/Kaya macht Spaß. (Text-Stand: 26.1.2024)