Nach 16 Jahren fährt Sabine mal wieder in ihr Heimatdorf. Der Anlass ist ein Klassentreffen. Sie will noch am selben Abend nach Wien zurückfahren. Gekommen ist sie ohnehin nur, weil zwischen ihr und ihrer Jugendliebe Leonhard noch immer nicht alles geklärt ist. Die Wiedersehensfreude wird überschattet vom Verschwinden seiner Tochter. Die Ereignisse wecken in ihr ein Déjà-Vu. Hinzu kommt, dass sie vom Selbstmord ihrer ehemals besten Freundin erfährt. Sie lenkt den Verdacht auf ihren ehemaligen Lehrer, den großen Gönner des Dorfs, Dr. Körbler. „Körbler liebt Kinder“, schreibt sie auf einen Zettel, den sie anonym Leonard zuspielt. Bei Körbler hatte das Mädchen vor seinem Verschwinden Nachhilfe. Offenbar hat Sabine guten Grund, den harmlos wirkenden alten Mann zu verdächtigen.
Der MDR kündigt „Die Mutprobe“ als Melodram an – vielleicht in der Hoffnung, die Erwartungen des (kritischen) Zuschauers so herunterschrauben zu können. Denn gemessen an dem, was das ZDF in seinen Ein-Dorf-hält-dicht-Krimidramen bisweilen zustande bekommt, und im Vergleich zu einem Meisterstück wie das Kunzendorf-Drama „In aller Stille“ ist das Drehbuch dieser österreichisch-deutschen Koproduktion indiskutabel. Der Film hangelt sich linear an einer Handlung entlang, die jegliche Plausibilität und situative Psychologie vermissen lässt, die aber auch genretechnisch unentschlossen zwischen Krimi, Melodram und Drama pendelt. Insbesondere die Vermittlung der unterschiedlichen Genre-Logiken klappt nicht. Wenn dem Krimi-Bild, in dem höchste nervliche Anspannung herrscht, eine Melodram-Szene des „Traumpaars von einst“ folgt, in dem der Vater seine Tochter völlig vergessen hat und nur noch über seine vor 16 Jahren verletzten Gefühle spricht, muss eine solche Szene an die Grenze der Lächerlichkeit stoßen. Solche „bigger than life“-Situationen gelingen selten genug im Kino – geschweige denn in einem Fernsehfilm von Holger Barthel.
Der Regisseur verlässt sich auf die Schauspieler, die – allen voran Heio von Stetten – die Befindlichkeiten ihrer Figuren in Form von Gefühlsausbrüchen entweder eins zu eins spiegeln oder sie brav und bieder verbalisieren. Allein Elisabeth Lanz bekommt in ihren Solo-Szenen andere Möglichkeiten zur Seelen-Projektion. Und Peter Weck als pädophiler Oberlehrer ist eine interessante Besetzungsidee. Der Film lässt sich gucken, ist nie langweilig. Das aber nur, weil er mit seinem Missbrauchsthema auf Neugier und Nervenkitzel setzt. Durch die unreflektierte, naive Art des Erzählens macht sich der Film aber selbst des Missbrauchs schuldig – des Themenmissbrauchs im Namen der Einschaltquote. (Text-Stand: 11.5.2011)