Die Muse des Mörders

Christiane Hörbiger, Fritz Karl, Sascha Bigler. Wahre Alpträume mit Wiener Schmäh

Foto: ZDF / Petro Domenigg
Foto Tilmann P. Gangloff

Christiane Hörbiger wird am 13. Oktober achtzig Jahre alt. Das ZDF ehrt sie mit einem ungewöhnlichen Krimi, aber vermutlich waren schon die Dreharbeiten das eigentliche Geschenk: Regisseur von „Die Muse des Mörders“ (Mona Film) ist ihr Sohn Sascha Bigler. Der steht spätestens seit „Kommissar Pascha“ für Krimis, die sich durch einen speziellen Humor auszeichnen. Das gilt auch für den Geburtstagsfilm: Hörbiger spielt eine ehemalige Bestsellerautorin, deren Kriminalromane als Vorlagen für eine Mordserie missbraucht werden. Die Taten sind überwiegend grausig und die Bilder entsprechend blutig. „Die Muse des Mörders“ ist kein Familienkrimi, zumal schwarzer Humor ohnehin nicht jedermanns Sache ist; aber gerade diese Brechung macht den großen Reiz des Films aus. Die Dialoge sind zudem durchtränkt von einer seltenen Bissigkeit. Fritz Karl als Kommissar ist Hörbiger ein würdiger Mit- und Gegenspieler, aber die Wienerin ist der unumschränkte Star dieses Films.

Ein Serienkiller, der Morde aus Krimi-Bestsellern kopiert: Das ist als Idee nicht neu, aber immer wieder reizvoll, erst recht, wenn die Geschichte wie in diesem Fall mit schwarzem Humor gewürzt ist. „Die Muse des Mörders“ ist zwar keine Komödie, aber die Dialoge der Titelfigur sind von einem sardonischen Charme, wie ihn im deutschsprachigen Raum kaum jemand so perfekt versprüht wie Christiane Hörbiger („Der Besuch der alten Dame“). Sie wird am 13. Oktober achtzig Jahre alt; das ZDF macht ihr mit diesem Film ein würdiges Geburtstagsgeschenk. Das galt vermutlich schon für die Dreharbeiten, denn Regie führt ihr Sohn: Sascha Bigler hat nicht lange gebraucht, um erst als Autor und dann als Regisseur aus dem Schatten seiner berühmten Mutter zu treten. Dass Hörbiger vor einigen Jahren die Hauptrolle in seinem Regiedebüt „Meine Schwester“ (2013) übernommen hat, wird eine Hilfe gewesen sein, aber Bigler hat sich längst einen eigenen Namen gemacht. Da er an den Drehbüchern oft mindestens beteiligt ist, steht er nicht zuletzt dank der beiden mehr als nur sehenswerten „Kommissar Pascha“-Filme für Krimis, die sich durch einen speziellen Humor auszeichnen (zuletzt führte er Regie bei „München Mord – Die ganze Stadt ein Depp“).

Die Muse des MördersFoto: ZDF / Petro Domenigg
Ein Fall, der vor allem der jungen Ermittler Flo Gstöttner (Cornelia Ivancan) auf den Magen schlägt. Und der souveräne Rupert Bäumer (Fritz Karl) steht vor einem Rätsel.

Das gilt auch für „Die Muse des Mörders“, selbst wenn das Drehbuch diesmal von Axel Götz stammt; Biglers Koautor bei „Meine Schwester“ hat schon vor dreißig Jahren an den Vorlagen für einige unvergessene „Tatort“-Episoden mit Götz George mitgewirkt („Moltke“, „Der Pott“). So finster wie diesmal ging es damals nicht zu, denn im Grunde ist die Geschichte nur deshalb kein handfester Thriller, weil Götz und Bigler sie mit einem grimmigen Augenzwinkern erzählen. Der Film beginnt mit einer Lesung. Während Madeleine Montana (Hörbiger) ein Kapitel aus einem ihrer Romane vorträgt, wird die Geschichte scheinbar lebendig: Der Fahrer der Liliputbahn im Wiener Prater entdeckt in einem der Waggons die Leiche einer nackten Frau, der die Kehle durchgeschnitten wurde. Der Mord ist jedoch echt und soeben begangen worden, und es wird nicht der letzte bleiben, der sich haarklein an den Vorlagen der Autorin orientiert; der Mörder schickt ihr jedes Mal die entsprechende Buchseite.

Die Taten sind überwiegend ziemlich grausig und die Bilder entsprechend blutig. „Die Muse des Mörders“ ist kein Familienkrimi, zumal schwarzer Humor ohnehin nicht jedermanns Sache ist; aber gerade diese Brechung der Verbrechen macht den großen Reiz des Films aus. Der zweite Mord wird ähnlich harmlos eingeführt: Ein Hund spielt im Wasser, die Kamera schwenkt sanft zu einem Abflussrohr, es folgt eine rasante Fahrt durch die Röhre, die schließlich an einem Auge endet. Die zweite Leiche ist zersägt worden. „Dadaismus trifft Anatomie“, kommentiert der Kriminaltechniker, und spätestens jetzt ist klar: Dieser Film will kein gewöhnlicher TV-Krimi sein. Tatsächlich sind die Dialoge mitunter derart durchtränkt von Bissigkeit, Bosheit und Sarkasmus, wie es das in dieser Form nur selten im hiesigen Fernsehfilm gibt. Die besten Duelle liefert sich Mado, wie ihre Freunde sie nennen, mit einem Mann, der ebenfalls mal zu diesem Kreis gehört hat: Major Rupert Bäumer (Fritz Karl) von der Wiener Mordkommission hat sie einst in die Welt der Ermittlungsmethoden eingeführt und wurde zum Vorbild für ihren Romanhelden Tanner, bis ein Ereignis die beiden entzweit hat. Kennengelernt haben sie sich vor dreißig Jahren, als Bäumer ihrem Sohn das Leben gerettet hat. Oliver Sandberg (Florian Teichtmeister) kümmert sich heute um seine Mutter, so gut es geht; vor allem versucht er, ihren mondänen Lebenswandel einzuschränken, denn Mados Zeit als gefeierte Bestsellerautorin liegt schon eine ganze Weile zurück.

Die Muse des MördersFoto: ZDF / Petro Domenigg
Die Hörbiger ist trotz einer insgesamt sehr guten Besetzung der unumschränkte Star dieses schwarzhumorigen Krimis, der dennoch keinen plumpen Personenkult betreibt.

Zu einem überdurchschnittlich guten Krimi wird „Die Muse des Mörders“, weil Götz und Bigler die Handlung um diverse Nebenfiguren ergänzen, die nicht nur, aber auch dazu dienen, den drei Hauptrollen größere Komplexität zu verleihen. Oliver hat ein Verhältnis mit einer sehr attraktiven, aber auch sehr verheirateten Auktionärin (Anna Rot); sie reiht sich schließlich ebenso auf der Liste der Opfer ein wie Mados Verleger (Robert Lohr). Bäumers Mitarbeiterin Flo (Cornelia Ivancan) zeichnet sich zunächst dadurch aus, angesichts der Leichenfunde erst einmal ihr Frühstück von sich zu geben, entwickelt sich aber mehr und mehr zu einer maßgeblichen Ermittlerin. Zudem sind gerade die drei Hauptrollen vorzüglich besetzt. Fritz Karl ist ohnehin ein Schauspieler, der sich mit Hörbiger auf Augenhöhe messen kann, aber auch Florian Teichtmeister, nicht nur wegen der ZDF-Krimireihe „Die Toten von Salzburg“ eins der interessantesten Gesichter im deutschen Fernsehen, ist ihr ein würdiger Dialogpartner. Trotzdem gibt es keine Sekunde lang einen Zweifel daran, dass Hörbiger der Star dieses Films ist, selbst wenn Bigler und sein Kameramann Gero Lasnig, mit dem er neben „Meine Schwester“ auch einen bildsprachlich herausragenden ORF-„Tatort“ aus Kärnten („Unvergessen“) gedreht hat, keinen Personenkult betreiben. Dagegen spricht schon allein eine Einstellung, in der Mado ihr ungeschminktes Spiegelbild betrachtet und nüchtern feststellt: „auch noch da“. Wenn sie sich andererseits als Diva inszeniert, hat das immer einen ironischen Unterton. Beste Szene in dieser Hinsicht ist ein Giftpfeilduell mit Suzie Marx (Alma Hasun), einer jungen Autorin, die als der neue Star des Verlags gilt. Mado sorgt dafür, dass sich die Lesung der Kollegin in eine Pressekonferenz verwandelt, bei der es selbstredend um die Mordserie geht. Die arme Suzie, stellt Mado anschließend mit vergiftetem Mitgefühl fest, habe wie eine Hüpfburg gewirkt, „der man den Stöpsel gezogen hat.“ Natürlich bekommt Hörbiger auch mehrmals Gelegenheit für ihre berühmten indignierten Blicke; ihre bösen Dialoge wiederum trägt sie mit unnachahmlicher Trockenheit vor. Die zurückhaltende Farbgebung sowie die lauernde Musik lassen dennoch von Anfang an keinen Zweifel daran, dass „Die Muse des Mörders“ keine Komödie ist, sodass selbst eine Alptraumszene, in der das Blut nur so aus den Kriminalromanen in ihren Regalen trieft, nicht übertrieben wirkt.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Christiane Hörbiger, Fritz Karl, Florian Teichtmeister, Cornelia Ivancan, Robert Lohr, Anna Rot, Rainer Wöss, Thomas Mraz, Alma Hasun

Kamera: Gero Lasnig

Szenenbild: Maria Gruber

Kostüm: Caterina Czepek

Schnitt: Birgit Alava Ordonez

Musik: Alexander Maschke

Soundtrack: Ketty Lester („Love Letters“), Laid Back („Sunshine Reggae”), Roy Orbison („In Dreams”), Talk Talk („Such a Shame”), Lou Reed („Perfect Day”)

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: Mona Film

Produktion: Thomas Hroch, Gerald Podgornig

Drehbuch: Axel Götz

Regie: Sascha Bigler

Quote: 6,24 Mio. Zuschauer (20,6% MA); Wh. (2020): 4,43 Mio. (16% MA)

EA: 08.10.2018 20:15 Uhr | ZDF

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