Gemessen an den üblichen „Literatur“-Verfilmungen des ZDF für den Sonntagabend ist Tomy Wigands Adaption des Romans von Kerstin Gier ausgesprochen temporeich & unterhaltsam. Angeführt von einer gewohnt spielfreudigen Annette Frier punktet der Film über eine Mutter, die lernen muss, auf eigenen Beinen zu stehen, vor allem mit dem treffend besetzen Ensemble.
Genau genommen führt der Titel „Die Mütter-Mafia“ in eine falsche Richtung, denn Constanze Wischnewski hat ganz andere Probleme als den blasierten Mütterclub, der seinen Nachwuchs schon im Kindergarten auf Karriere trimmt. Noch ehe der Vorspann vorüber ist, liegt Connys Welt in Scherben: Der Gatte hat aus heiterem Himmel die Trennung verkündet und sie aus der gemeinsamen Kölner Wohnung in das Vorortdomizil seiner verstorbenen Mutter abgeschoben. Genüsslich inszeniert Tomy Wigand die Gegend als Vorstadthölle: Das Haus der Schwiegermutter sieht aus wie das Bates-Motel aus „Psycho“, der alte Mann aus dem Nebenhaus ist ein übler Nachbarschaftsfaschist, und die Damen aus dem elitären Club erinnern stark an die Androiden aus Ira Levins „Frauen von Stepford“. Einziger Lichtblick im Viertel ist der „Jaguar-Mann“, über den allerdings wilde Gerüchte im Umlauf sind.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Die „Herzkino“-Filme im ZDF basieren gern auf Zeitvertreibslektüre von Frauen für Frauen, und oft genug sind auch die Filme entsprechend anspruchslos. Für „Die Mütter-Mafia“ haben Wigand und Johannes Wünsche den gleichnamigen Roman von Kerstin Gier adaptiert. Dank Wigangs flotter Umsetzung ist die Komödie höchst vergnüglich, zumal die spielfreudige Annette Frier die perfekte Besetzung für die Hauptrolle ist. Es stört nicht einmal übermäßig, dass Conny die Handlung den gesamten Film hindurch immer wieder erklären muss. Nötig wäre das nicht gewesen – man sieht mit eigenen Augen, wie böse das Schicksal ihr mitspielt: Erst hat sie dem Gatten und ihren Kindern ihre berufliche Laufbahn geopfert, nun wird sie durch eine Jüngere ersetzt, die nicht bloß Model, sondern dummerweise auch noch nett ist.
Tomy Wigand („Fußball ist unser Leben“), der zuletzt mit „Das große Comeback“ (ZDF) eine herrliche Komödie mit Uwe Ochsenknecht als abgehalftertem Schlagerstar gedreht hat, gestaltet die Geschichte als Aneinanderreihung mittlerer Katastrophen. Dank Connys Fähigkeit, von allen potenziellen Fettnäpfchen zielsicher stets das größte zu erwischen, ist auch der episodische Erzählstil angemessen. Trotzdem wird die Hauptfigur nie zur Witzfigur, weil Conny dank Friers großem komödiantischen Talent selbst in den peinlichsten Momenten ihre Würde bewahrt. Außerdem ist sie inmitten all der Gruselgestalten der einzige halbwegs normale Mensch, auch wenn ihre halbwüchsige Tochter das naturgemäß ganz anders sieht.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Die Nebenfiguren sind nicht minder interessant und durchweg ähnlich gut besetzt, allen voran Eva Löbau als zunächst recht zwielichtige Nachbarin mit Burnout-Syndrom, die sich als guter Geist erweist, und Chiara Schoras als Chefin des Mütterclubs. Großartig geführt ist auch die junge Charlotte Uedingslohmann als Connys Tochter Nelly, eine typische Pubertierende am Rand des Nervenzusammenbruchs, die immer wieder ihren Frust über die trostlose Vorstadt, über die verständnislose Mutter und das Leben überhaupt herausschreien muss. Die schönste Rolle hat Roeland Wiesnekker als angebliches Muttersöhnchen. Der Schweizer versieht den Jaguarfahrer, dessen Auto bei der ersten Begegnung das Opfer eines selbstredend durch Conny ausgelösten Domino-Effekts wird, mit einem ganz speziellen Charme, der sich Conny erst auf den zweiten Blick erschließt, und auch das spielt Annette Frier ganz wunderbar.
Dank der abwechslungsreichen Story und der originellen Figuren hätte „Die Mütter-Mafia“ auch schon so funktioniert, aber Egon Werdins Bildgestaltung sorgt für das entscheidende i-Tüpfelchen: Die Tiefenschärfe verleiht den Außenaufnahmen eine aufwändige Optik, einige Einfälle wirken fast comicartig, und das flirrende Sommerlicht steht in reizvollem Gegensatz zu den Abgründen, mit denen die Geschichte Conny immer wieder konfrontiert. Ganze Arbeit haben auch Produktionsdesign (Gudrun Roscher) und Kostümbild (Anne Jendritzko) geleistet. Allein die Metamorphose vom düsteren Horrorhaus zum freundlichen Eigenheim ist ein kleines Meisterwerk, und die Kleidung der Figuren trägt viel zu ihrer Charakterisierung bei. Kerstin Gier hat übrigens noch drei weitere Bücher über die „Mütter-Mafia“ geschrieben.