Die Mauer – Berlin 61

Ferch, Prahl, Berben: Konzentriertes Zeitgeschichts-Drama von Hartmut Schoen

Foto: WDR
Foto Rainer Tittelbach

In jener Nacht im August 1961, in der die Grenzen dicht gemacht werden, sind die ostberliner Kuhlkes auf einer Feier im Westteil der Stadt eingeladen. Sie können nicht in den Osten zurück. Doch dort blieb ihr 14-jähriger Sohn zurück. Die Lage scheint aussichtslos.

Die Mauer, die die DDR und die Bundesrepublik 28 Jahre trennte, wurde zum Symbol des Kalten Krieges. Dieses Monstrum aus Stacheldraht und Selbstschussanlagen riss Familien und Freunde auseinander. So plötzlich wie die Mauer im August 1961 errichtet wurde, so rasch wurde das verhasste Bauwerk sofort nach der Wiedervereinigung abgetragen. Es dürfte kein Zufall sein, dass der ARD-Erinnerungsfilm „Die Mauer – Berlin 61“ zu der Zeit ins Programm kommt, wo der Berliner Senat ein seit Jahren diskutiertes „Gesamtkonzept für die Erinnerung an die Berliner Mauer“ vorgelegt hat. Der Film von Hartmut Schoen könnte ein Baustein sein zu einem solchen Konzept. In 90 Minuten bekommt der Zuschauer einen sinnlichen Eindruck davon, was diese Mauer menschlich angerichtet.

Erzählt wird die Geschichte der ostberliner Familie Kuhlke. Vater Hans arbeitet auf dem Bau, wo er schon mal was mitgehen lässt. Während einer Routinekontrolle kann er in letzter Sekunde flüchten, lässt aber die Tasche mit geklauten Kupferrollen stehen. Am Abend sind er und seine Frau im Westen der Stadt zu einer privaten Feier eingeladen. Es ist die Nacht, in der die Grenzen dicht gemacht werden. Die DDR leitet damit den Bau der Mauer ein. Weil Kuhlke wegen des Diebstahls und des Schmuggels gen Westen harte strafrechtliche Verfolgung im Osten fürchtet, trauen sich die beiden nicht mehr zurück in den Ostteil der Stadt. Doch sie müssen etwas tun: Ihr 14-jähriger Sohn Paul ist noch in Ostberlin. Die Lage scheint aussichtslos. Die Behörden im Westen reagieren hilflos. Es gibt nur eine einzige Hoffnung: die Häuser direkt an der Grenze mit Eingang zum Osten und Fenster zum Westen.

Die Mauer – Berlin 61Foto: WDR
Der alte Freund weiß, wie im Westen der Hase läuft und nutzt seinen Heimvorteil gnadenlos aus. Axel Prahl, Inka Friedrich

Ein Stoff, wie geschaffen für den fünffachen Grimme-Preisträger Hartmut Schoen. Immer wieder beschreibt er in seinen Filmen Menschen, die an äußere Grenzen stoßen und innere Begrenzungen überwinden müssen. In „Die Mauer – Berlin 61“ war es ihm besonders „wichtig zu zeigen, wie die Politik plötzlich und unerwartet in das private Leben einfacher Menschen einfallen kann“, so Schoen. „Es ist ein Trauma, vor dem wir alle Angst haben.“ Schoen war schon immer, auch vor Jahren, als er mit Dokumentarfilmen seine Arbeit als Regisseur begann, kein Freund von Geschichtsbuchwissen und kalten Fakten. „Das alles spricht nur unseren Kopf an, das miterlebte Einzelschicksal dagegen trifft unser Herz.“

Sensibel durchleuchtet er seine Geschichten und Charaktere, bastelt aus Psyche und sozialem Umfeld, aus intensiven Augenblicken und finalem Spannungsfluss einen in sich stimmigen Mikrokosmos. Er geht nah ran an seine Figuren. Immer wieder sind es Blicke, die entscheiden – über Leben, Liebe, Trennung. So hebt sich „Die Mauer – Berlin 61“ angenehm von den historischen Event-Zweiteilern ab, die zuletzt verstärkt auf den Bildschirm drängten. Schoen kommt ohne Opfer/Täter-Dramaturgie aus. „Es ist notwendig, dass man nach beiden Seiten mit Zärtlichkeit und Skepsis sieht“, so WDR-Redakteur Michael André. Man wollte nicht das Klischee vom „rostigen Osten“ und vom „goldenen Westen“ unhinterfragt bedienen.

Außergewöhnlich ist die Besetzung. Heino Ferch und Iris Berben werden beispielsweise deutlich gegen ihr Image besetzt. Die Berben als Trinkerin, mit verwischter Schminke. Und Ferch ist einmal nicht in einer „historischen Verantwortungsträgerrolle“ zu sehen. „Hans verliert jegliche Stabilität, ihm bleibt kein Handlungsspielraum, er gibt sich auf“, so Ferch. An seiner Seite spielt Inka Friedrich, die zuletzt so glänzend war in „Sommer vorm Balkon“ und deren Mutter Kuhlke in einer emotional ungemein starken Szene an der Mauer, den Brigadebauleitern Ost so richtig ihre Wut, ihre Angst und Ohnmacht entgegenschleudern darf. Sie öffnet damit eines der wenigen Ventile, die dieser Film den Protagonisten und dem Zuschauer bietet. (Text-Stand: 29.9.2006)

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Fernsehfilm

Arte, WDR

Mit Heino Ferch, Inka Friedrich, Frederik Lau, Axel Prahl, Iris Berben, Wilfried Hochholdinger, Johanna Gastorf, Marie Gruber

Kamera: Tomas Erhart

Schnitt: Vessela Martschewski

Produktionsfirma: TeamWorx

Drehbuch: Hartmut Schoen

Regie: Hartmut Schoen

EA: 29.09.2009 20:40 Uhr | Arte

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