Angesichts des empathischen Titels mag das überraschen, aber der Netflix-Film „Die Liebeskümmerer“ erzählt die Geschichte einer Rache; zumindest zunächst. Die Handlung beginnt mit einem Schluss: Santje (Paula Schramm) trennt sich von ihrem Freund. Karl (Laurence Rupp) weiß auch, wer dahinter steckt, allerdings kein anderer Mann, sondern eine Frau: Maria (Rosalie Thomass) leitet eine Trost-Agentur für Menschen, die Kummer mit der Liebe haben; die einen nach einer Trennung, die anderen in einer aktuellen Beziehung. Weil sie aufgrund von Santjes Erzählungen glaubt, Karl sei zu echten Gefühlen gar nicht in der Lage, hat sie ihrer Klientin geraten, die Liaison zu beenden. Karl ist Journalist, schreibt einen vernichtenden Artikel über Maria und ihre Liebeskummeragentur und veröffentlicht den Text online, ohne ihn vorher dem Chefredakteur vorgelegt zu haben. Die Resonanz auf Formulierungen wie „moderne Matriarchatsmimosen“ oder „Jammerläppinnen“ ist verheerend; Karl wird fristlos entlassen. Weil er nun als Sexist gilt und keinen anderen Job findet, kriecht er zu Kreuze und verspricht Läuterung. Sein Chef hat auch schon eine Idee: Er soll bei Maria eine Therapie machen. Die Prozedur entpuppt sich als echtes Martyrium; bis die beiden feststellen, dass sie sich weitaus ähnlicher sind, als sie je zugeben würden.
Das Drehbuch von Antonia Rothe-Liermann und Malte Welding ist inspiriert durch die Ratgeber von Elena-Katharina Sohn, die 2011 die Berliner Agentur „Die Liebeskümmerer“ gegründet hat; ihre Bücher tragen Titel wie „Schluss mit Kummer, Liebes!“ oder „Goodbye Herzschmerz – Eine Anleitung zum Wieder-Glücklichsein”. Entsprechend gefühlig geht es in den filmischen Büroräumen zu; schon allein die inflationäre Vielfalt von Herzen in allen nur denkbaren Spielarten sowie die fotografische Omnipräsenz der Gründerin verursacht bei Karl eine ausgeprägte Aversion („Nordkorea für einsame Herzen“). Sein Sinneswandel ist selbstredend nur Tarnung. Mit kontraproduktiven Beiträgen während der Gruppentherapie in einem Luxushotel an der Küste wird er umgehend zum Spaltpilz, auch wenn die anderen seinen Vorschlag, ihren Kummer in Alkohol zu ertränken, durchaus anregend finden. Dem Dozenten Turgay (Özgür Karadeniz), Typ braver Buchhalter, redet er ein, seine Freundin Timea (Karoline Teska), die in wenigen Tagen einen anderen heiratet, wolle in Wirklichkeit zurückerobert werden. Bei ihrem Versuch, Turgays Sabotage der festlichen Trauung zu verhindern, wird Maria zur unfreiwilligen Hochzeits-Crasherin und prompt gemeinsam mit Karl verhaftet. Als seine Mutter (Margarethe Tiesel) die beiden aus der Haft erlöst, erfährt die Agenturchefin, die mittlerweile eine gewisse Sympathie für den Journalisten entwickelt hat, wann und warum er zum Zyniker geworden ist.
Die Erkenntnis, dass sich unter der rauen Schale Karls eine verletzte Seele verbirgt, ist ebenso erwartbar wie das Handlungs-Paradox, dass sich ausgerechnet die Gründerin einer Agentur für Menschen mit gebrochenem Herzen in einen notorischen Herzensbrecher verliebt. Überraschender ist die Offenbarung, dass Maria, von Karl im ersten Artikel als „narzisstische Eiskönigin“ bezeichnet, auch andere Seiten hat, die in deutlichem Widerspruch zu ihrem empathischen Image stehen. Zum Glück verrät das Drehbuch seine beiden Hauptfiguren nicht. Angesichts einer Zeichentherapie beginnt Karls erster Entwurf für den zweiten Artikel mit dem Satz „Heulst du noch oder malst du schon?“. Mitunter hilft auch ein simpler Kniff, um das Innenleben der zentralen Charaktere optisch zu unterstreichen: Nach der unfreiwilligen Dusche bei der geplatzten Hochzeitsfeier ist die sonst betont bunt gekleidete und stark geschminkte Maria ohne Make-up und in unscheinbaren Klamotten sehr nahbar. Bei Laurence Rupp ist der Wandel dagegen nicht auf Anhieb an äußerlichen Merkmalen zu identifizieren, aber im Vergleich zum Auftakt wirkt Karl deutlich entspannter. Das ändert sich, als plötzlich Olaf (Timur Isik) auftaucht: Der Vater von Marias Tochter Hedi (Cora Trube), Weltreisender in Sachen Klimawandel, verkündet, er wolle sich fortan um seine Familie kümmern.
Diese Wendung erinnert an Sonntagsfilme im ZDF: In den romantischen Dramen aus den Reihen „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ taucht ebenfalls wie aufs Stichwort stets ein verflossen geglaubter Nebenbuhler auf, wenn sich das potenzielle Liebespaar endlich gefunden hat. Die landschaftlichen Kameraflüge – die Küstenszenen sind auf der mecklenburgischen Halbinsel Fischland-Darß-Zingst entstanden – und die diversen Popsongs entsprechen ebenfalls den „Herzkino“-Merkmalen. Die Bildgestaltung (Kamera: Stephan Burchardt) ist mit ihren kräftigen Farben und dem warmen Licht allerdings deutlich hochwertiger; „Die Liebeskümmerer“ hat durchaus Kinoqualität. Sehenswert ist auch das Ensemble. Besonders berührend sind auch dank der jungen Cora Trube die überzeugend innigen Szenen mit Hedi; Marias Tochter fasst umgehend Zutrauen zu Karl, was Rupp die Gelegenheit gibt, den Journalisten als netten Kerl zu verkörpern. Regie führte die aus Israel stammende Shirel Peleg. Ihr erster Langfilm war die romantische Kinokomödie „Kiss Me Kosher“ (2020) über eine Deutsche, die sich in eine Israelin verliebt. Zuletzt hat sie mit „Die Nacht der Kommissare“ (2023) einen ziemlich ungewöhnlichen „Tatort“ aus Stuttgart gedreht.