Hans Albers (1891-1960) ist eine deutsche Legende. „Hunderte Filme, tausende Auftritte, Millionen gebrochener Herzen“, so umschreibt die Frau, die ihn ein Leben lang liebte, das Wirken dieses berühmten Hanseaten in dem Doku-Drama „Die Liebe des Hans Albers“. Schon im Intro wird die Frau mit dem passenden Vornamen, Hansi Burg, persönlicher. „Er war ein Süchtiger – und seine eigene Droge.“ Und sie räumt ein: „Und auch ich bin eine Süchtige. Süchtig nach ihm.“ Den Preis, den die in Wien geborene Stummfilmschauspielerin, Managerin und jahrelange Lebenspartnerin des Stars zahlen musste, war hoch. Die aus ihrer Sicht erzählten neunzig Filmminuten rekapitulieren – parallel zur Chronik der deutschen Geschichte zwischen den 1920er und 1950er Jahren – die tragische Liebe des berühmten Paares.
Schweren Herzens kehrt die Jüdin Hansi Burg 1946 nach Deutschland zurück, das sie sieben Jahre zuvor verlassen hatte. Mittlerweile ist sie Rundfunkreporterin für die britische Armee. An einem trüben Spätwintertag fährt sie in Albers Domizil am Starnberger See unangekündigt vor. Sie weiß nicht, was sie erwartet. Zur Begrüßung eine unsichere Umarmung. Dann wird geredet, erst zögerlich um den heißen Brei des Nationalsozialismus‘ herum. „Es gab keinen Tag…“, will er die Versöhnungs-Leier anstimmen; doch nicht mit dieser Frau: „Keine Lügen jetzt!“ Später dann der erste Kuss am See. „Wie soll jemals alles wieder gut sein?“, fragt sie. „Was geschehen ist, ist geschehen; wir können es nicht ändern“: eine typische Hans-Albers-Antwort. Später wird er über sich sagen: „Ich bin kein politischer Mensch. Ich spiele Helden, aber ich bin keiner.“ Trotz der deutlichen Gegensätze in Mentalität und politischen Grundsatzfragen kommen sich die beiden bald wieder näher. „Die Anziehung wächst, die Erregung auch – und bricht sich schließlich Bahn. Der Mann denkt: Sex = Versöhnung. Also: alles wieder gut“, bringt die Hauptdarstellerin Picco von Groote die Situation auf den Punkt. Aber es kommt anders: Der Abend und die Nacht werden anstrengend für Deutschlands damals beliebtesten Prominenten. Der Star gerät in die Defensive. Trotzdem werden sie bis zum Tod des Schauspielers am 24. Juli 1960 zusammenbleiben. Die Beziehung von Hans & Hansi, die nach außen das Idealbild romantischer Liebe zu erfüllen scheint, ist auch eine Liebe der Enttäuschungen und der Zweifel, der Abhängigkeiten und der Verluste. Dabei hat alles so traumhaft locker und leicht begonnen, ganz nach dem Lebensmotto des als unbekümmerter Draufgänger bekannten Schauspielers: „Hoppla, jetzt komm’ ich!“
Das Berlin der wilden Zwanziger ist der Nährboden für diese Liebe, die auch etwas Pragmatisches hatte. Die disziplinierte Hansi war ein Glücksfall für den blonden Hans, der zu Alkoholexzessen, Glücksspiel und Fraueneskapaden neigte. Und auch deren Vater Egon Burg, selbst Schauspieler, förderte die Karriere des Schlachte-meistersohns entscheidend. Ein Grund für die Langlebigkeit dieser Beziehung könnte auch die Selbstaufwertung des wenig talentierten Stummfilm-Starletts durch den Superstar gewesen sein. Doch Drehbuchautor und Producer Dirk Eisfeld („Lehman – Gier frisst Herz“) zeigt dem Sucht-Versprechen im Intro zum Trotz wenig Interesse an sozialpsychologischen Erklärungen; ihn interessieren vor allem Albers‘ wankelmütige Haltung den Nazis gegenüber und die politisch bedingten Hemmnisse dieser – nie infrage gestellten – Liebe ihres Lebens. Mehr und mehr wird der „Held“ ent-zaubert in diesem Kammerspiel-Drama. Die Haltungen stehen im Zentrum: Sie will raus aus Deutschland – mit ihm. Er will seine Karriere nicht aufs Spiel setzen, versucht aber stets, sie zu schützen. Ihr Vorwurf 1946: „Du bist denen nicht entgegengetreten, Du bist ihnen ausgewichen.“ Das gilt auch für die sieben Jahre, in denen sich Hansi im Exil befindet. Albers dreht viel, um zu vergessen, fast alles Propagandafilme. Der Cognac wird sein bester Freund, er kapselt sich ab, spricht statt von „Goebbels“ stets von „Göbels“, und Eisfeld lässt ihn sogar über Hitler Witze machen. Andererseits hat er bald auch Ersatz für seine Hansi gefunden.
Das Doku-Drama „Die Liebe des Hans Albers“ besitzt gegenüber einer Dokumentation einen erkennbaren Mehrwert. Vor allem die Perspektivwechsel beleben das Geschehen und die Gespräche: So gibt es neben dem Heute am Starnberger See immer wieder lange Rückblenden auf die anfangs sehr, später weniger glückliche Beziehung, und als weiterer Baustein der Montage sehen wir die Hauptfiguren, wie sie sich und die Geschichte einem unsichtbaren Dritten erklären. In Ermangelung noch lebender Zeitzeugen erinnern sich die Protagonisten selbst, sie versuchen zu analysieren und sie werten gelegentlich (Quellen dafür waren Briefe der beiden und Aussagen von Wegbegleitern). Dabei wird deutlich, wie sich Albers die Vergangenheit schönredet. Aus der Summe dieser Spielszenen-Elemente, kombiniert mit Doku-Material, das vor allem als Taktgeber die Handlung vorwärtstreibt, ergibt sich eine interessante Geschichte, die für Filmliebhaber mit politischem Interesse spannender sein dürfte als für Freunde gängiger Fiction-Kost. Und dies, obwohl Duken und vor allem von Groote ihre (schwierige) Sache gut machen. Den einfach gehaltenen Sätzen hauchen sie Leben ein und lassen diese Szenen nie zu Illustrationen einer Idee verkommen (was die Gefahr eines Doku-Dramas ist, dem nicht wie einst Breloer ausreichend Zeit & Geld zur Verfügung stehen).
Dennoch stellt sich die Frage: Ist Ken Duken der richtige Darsteller für Hans Albers? Dass er völlig anders aussieht als der große Star des deutschen Kinos, dürfte zwar ein kräftiger V-Effekt für das Gros der auf Illusion geeichten Fernsehzuschauer sein, ist aber nicht das Problem. Hans Albers war nach dem Krieg Mitte 50, Duken ist rund 15 Jahre jünger. Das passt für die späten 1920er und die 1930er Jahre bestens. Da er aber ein Schauspieler ist, der etwas Jungenhaftes besitzt, ist es nicht damit getan, ihm für die Nachkriegsjahre die Haare etwas grau zu färben. Einen Star von einem anderen bekannten Gesicht spielen zu lassen, ist ohnehin immer ein Dilemma, weil man losgelöst von der verkörperten Figur immer auch den prominenten Darsteller sieht, vor allem, wenn er vollkommen anders aussieht. Ob Benno Fürmann (wird am 17. Januar 49 Jahre), der dem Kritiker sofort als möglicher Hans-Albers-Darsteller einfiel, vielleicht eine bessere Wahl gewesen wäre?! Dem „Hoppla, jetzt komm’ ich“-Image hätte er sicherlich besser entsprochen als Duken, dessen Charaktere, aber auch dessen privates Bild, das er in der Öffentlichkeit abgibt, eher mit nachdenklich und introvertiert zu umschreiben ist. Andererseits kann das auch gerade der Trick von Regisseur Carsten Gutschmidt („Terra X“, „Leningrad Symphony“) sein, damit andeuten zu wollen, dass der Mensch hinter dem öffentlichen Image im Falle Hans Albers durchaus ein anderer ist; vor allem auch je länger der Krieg und sein Versteckspiel mit dem „Popanz Hitler“ dauert. Dass der alte Albers nachdenklicher ist als der junge, keine Frage. Doch an Hansi Burg kommt er nicht heran: Sie ist „die Liebe des Hans Albers“ und sie ist stärker, konsequenter, sensibler, aber auch intellektueller und politisch weitsichtiger als der Mann, der ihre Droge ist.