Krems, eine niederösterreichische Kleinstadt. Es ist der Abend vor Alexandra Walchs 17. Geburtstag: das Mädchen stylt sich für das alljährliche Sommerfest. Gemeinsam mit ihrer Cousine und besten Freundin Christina zieht sie los, ihr Bruder Daniel soll sie morgens heimbringen. Doch der kommt allein nach Hause. Die Eltern sind beunruhigt, der Vater macht sich auf die Suche. Dabei stößt er auf Alexandras Freund, von dem er und seine Frau überhaupt nichts wussten. Jener Moritz hat sich im Auto mit Alex gestritten, dann sei sie ausgestiegen, am Hafen. Keine sichere Gegend. Die Polizei wird aktiv. Kommissar Lenz kommt nach Krems und wirft die Suchmaschinerie an: Hubschrauber, Hunde, Handzettel – doch nach über 30 Stunden immer noch keine Spur von dem Mädchen. Dann eine SMS: „Bitte sucht mich nicht!“ Das Absender-Handy wird in der Nähe des Straßenstrichs gefunden. Der Vater begibt sich ins „Milieu“. Die Prostituierte Carla scheint in der Nacht, etwas gesehen zu haben. Doch sie schweigt. Wenig später ist sie tot. Führt(e) Alexandra ein Doppelleben? Ist sie verschleppt worden? Oder ist sie bewusst abgehauen? Jedenfalls ist sie ein ziemliches „Früchtchen“ (gewesen) – was dem Vater langsam klar wird, als er sich durch ihr Social Network klickt. Alexandra hatte offenbar sogar mit einem Lehrer ein Verhältnis.
„Die letzte Spur – Alexandra 17 Jahre“ beschreibt die Chronologie einer Vermissung. Auf der einen Seite ist man als Zuschauer Zeuge einer aufwendigen Polizei(such)aktion, auf der anderen Seite erfährt man hautnah, wie eine Familie durch verschiedene emotionale Phasen geht und wie sie versucht, zu einer weitgehend „gespielten“ Normalität zurückzufinden, damit sich die kleine Tochter nicht übermäßig ängstigt. Durch das scheinbare Entlanghangeln an der Chronologie der Ereignisse ergibt sich eine narrative Konstruktion, die den Film wie von selbst antreibt. „Die letzte Spur“ ist ein Krimidrama, das sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst erzählt. In einem perfekten System aus Andeutungen und Auslassungen, Beobachtungen und Stimmungen, beredten Bildern und knappen, präzisen Dialogen, aus rascher Informationsvergabe und atmosphärischem Nachhall kann sich der Zuschauer in Empathie üben, ohne dass ihm von den Figuren Gefühle aufgeschwatzt oder von der Filmsprache überdeutlich aufgedrängt würden. Eine Träne erzählt mehr als 1000 Worte.
„Die letzte Spur – Alexandra 17 Jahre“ ist ein ungewöhnlicher Krimi – nicht nur im Rahmen der Sat-1-Movies. Neben der großen dramaturgischen Präzision besticht der Film von Andreas Prochaska auch durch seine grandiose Optik. David Slamas Bildgestaltung, die die Geschichte adäquat düster umrahmt und die Figuren mitunter nah heranholt, ohne je die Distanz zu ihnen und ihrem Handeln zu verlieren, ist meisterlich. In Kombination mit der atmosphärischen Montage ist das handwerklich und ästhetisch ganz großes Fernsehen. Gute Schauspieler, allen voran Richy Müller und Hary Prinz, wurden zu einem stimmigen Ensemble zusammengestellt. Bei deutsch-österreichischen Koproduktionen ist das nicht immer der Fall. Bleibt die Länge des Films: 125 Minuten, das mag manchem zu lang erscheinen, auch findet der Film in den letzten zehn Minuten spürbar nur schwer sein Ende. Prinzipiell aber stimmt die Länge. Prochaska lotet die Story in mehrere Richtungen aus, Perspektivwechsel inklusive. So wird verhindert, dass die Geschichte von Vermissung und Tätersuche auf die üblichen Krimi-Klischees zusammenschnurrt. Obwohl wir uns in Niederösterreich befinden, hat dieser Film etwas von der Dramaturgie und Düsternis der Schweden-Krimis. (Text-Stand: 31.8.2011)