Die Konferenz

Ratlose Lehrer lecken die eigenen Wunden. Kammerspiel mit Spitzenensemble

Foto: ZDF
Foto Rainer Tittelbach

Ein Lehrerkollegium muss über die Zukunft eines Schülers befinden, der eine Freundin in der Schule vergewaltigt haben soll. Alte Differenzen und verdrängte Verletzungen kommen auf den Tisch. Niki Steins „Die Konferenz“ ist ein konzentriertes Stück Echtzeit-Fernsehen.

Ein ungemütlicher Winterabend. Ein neunköpfiges Lehrerkollegium ist zusammen gekommen, um über die Zukunft eines Schülers zu befinden, der eine Freundin im Keller der Schule vergewaltigt haben soll. Die einflussreiche Mutter des Mädchens fordert den Verweis von der Schule. Dem pflichten zu Beginn der Konferenz die meisten Lehrer bei. Sie sehen indem Jungen einen gefährlichen Querulanten, der ihnen das Beamtenleben schwer macht. Einige halten ihn aber auch für hoch begabt, für einen verirrten, aber brillanten Geist. Jeder verbindet etwas mit ihm, gleichgültig ist er keinem. Und so reden sich die Kollegen schnell in Rage. Dabei wird deutlich, dass die Lehrer vor allem von eigenen Problemen angefressen sind und der Vorfall sie allenfalls in ihre wohl geordneten Gesinnungsschubladen greifen lässt. In jenen zwei Stunden entlädt sich bei einigen der Frust über ihr Leben. Alte Differenzen und verdrängte Verletzungen kommen auf den Tisch. Der Lehrerkonferenz droht der Eklat.

„Das Problem ist, dass die Lehrer immer wieder ihre eigene Geschichte in die Diskussion einbringen“, betont Sophie von Kessel. Sie ist einer des neunköpfigen Spitzenensembles, das Niki Stein, der lange Zeit als „Tatort“-Experte galt, für sein außergewöhnliches Kammerspiel engagiert hat. Rudolf Kowalski, Nina Petri, Ulrike Kriener, Günther Maria Halmer sind mit von der Partie. Senta Berger spielt die Schuldirektorin, die die Konferenz leitet und immer wieder bittet, Sachverhalte zu klären, statt emotionale Nebenkriegsschauplätze aufzumachen. „Doch es geht nicht darum, ob die Vergewaltigung stattgefunden hat oder nicht, es geht nicht um die Wahrheit“, so von Kessel, „sondern darum, wie jeder der Anwesenden den Vorfall für seine Sache benutzt, um die eigene Geschichte zu rechtfertigen.“ Der Vorfall wird instrumentalisiert, der vermeintliche Täter wird zur Projektionsfläche für die Lehrer.

„Die Konferenz“ ist ein hoch konzentriertes Stück Fernsehen. 1-A-Mimen werfen sich bitterböse Dialoge aus der Feder von Romancier Bodo Kirchhoff an die Köpfe. Was mit kleinen Spitzen beginnt, endet in höhnischem Sarkasmus. Ideologische Gegensätze prallen aufeinander, Lebens- und Liebesentwürfe werden dabei kunstvoll zerschmettert. Der Schlüssel zum nächtlichen Vorfall im Keller der Schule ist ein Song der Rolling Stones: „Play with Fire“. Klingt das wie die Ouverture zu einer Vergewaltigung? Mehr von der Wahrheit erfährt der Zuschauer nicht. Niki Stein beweist wie zuletzt bei der schwarzen Krimikomödie „Die Quittung“, dass er ein Gespür für reduzierte Erzählformen und den Mut hat, auf Schauspielkunst und Text zu setzen. Fast in Echtzeit wird die Handlung erzählt. Parallel zur Lehrerkonferenz läuft auf einem Monitor im Nebenzimmer ein Fußballländerspiel. Völler war noch Bundestrainer. Spannender als „Die Konferenz“ dürfte das Spiel kaum gewesen sein.

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Fernsehfilm

Arte, HR

Mit Senta Berger, Sophie von Kessel, Günther Maria Halmer, Nina Petri, Ulrike Kriener, Wotan Wilke Möhring, Jan Gregor Kremp, Rudolf Kowalski, Peter Fitz

Kamera: Arthur W. Ahrweiler

Schnitt: Elke Herbener

Musik: Jacki Engelken, Ulrik Spies

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Bodo Kirchhoff

Regie: Niki Stein

EA: 04.02.2005 20:40 Uhr | Arte

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