“Die Kirschenkönigin” ist ein Frauenporträt auf dem politischen Hintergrund des letzten Jahrhunderts, in dem “dem lieben Gott einiges schwer daneben gegangen ist”. Es ist ein opulenter, episch erzählter Dreiteiler, wie er selten geworden ist im deutschen Fernsehen.
Eine junge Frau zieht es von Berlin aufs Land. Ihr Traum: den Boden spüren, säen, ernten, Ackerbau und Viehzucht betreiben. Bereits mit 18 Jahren ist die attraktive Bankierstochter mit einem verarmten Adeligen verheiratet und verwandelt dessen heruntergekommenes Anwesen im Ostharz in ein blühendes Unternehmen. Ihr Steckenpferd, mit dem sie reich wird, ist die Kirschzucht. Dem wirtschaftlichen Aufstieg stehen menschliche Verluste gegenüber: der patriotische Vater schießt sich nach dem Ersten Weltkrieg eine Kugel in den Kopf; auch zwei Ehemänner beerdigt sie. Die Jahre fliegen an ihr vorbei wie die Träger der Macht. Zwar muss auch sie gegen Ende des Dritten Reichs um ihr Leben fürchten, doch auf ihrer Scholle ist die tatkräftige, lebenslustige und beliebte Frau sicherer als anderswo.
“Keinen Historienfilm” wollte Regisseur Rainer Kaufmann machen. Verhindern wollte er auch “eine übertriebene Nazi-Darstellung mit allzu zackigem Ton”. Jürgen Vogel gibt für ihn den SS-Mann, eine verletzte Seele, ein ambivalenter Charakter – alles andere als ein historischer Proto-Typ. Das brachte dem Film bei seiner Erstausstrahlung auf Arte Kritik ein. “Die Kirschenkönigin” zeigt gutmütige Braunhemden und kollaborierende Juden, zeigt vor allem aber eine Heldin, die überleben will. 33 Jahre aus dem Leben einer außergewöhnlichen Frau, die den oft widrigen politischen Zeitläuften trotzt. Justus Pfaue schrieb das Drehbuch nach seinem Roman “Schattenmorellen“, das auf Motiven einer realen Lebensgeschichte basiert. Die Tonlage ist anfangs gewöhnungsbedürftig, doch es zieht einen zunehmend in die Geschichte hinein. Johanna Wokalek ist eine Entdeckung. Das Wichtigste aber: der Rhythmus stimmt, die Zeitsprünge stören die Illusion nicht. Die Bilder fließen und die bewegte Kamera lässt die prächtige Ausstattung nie ausgestellt erscheinen. “Die Kirschenkönigin” ist nicht zuletzt deshalb kein Fall für die „Süßstoffdebatte“! (Text-Stand: 15.11.2004)