Schon als Kind war es der Traum von Elly Seitz, einmal Holzbaronin zu werden und den traditionsreichen Schwarzwälder Familienbetrieb zu leiten. 1953 erfüllt sich ihr Traum: Sie wird zur Vorstandsvorsitzenden der Seitz AG gewählt. Es hat lange gedauert, meist standen ihr Männer im Weg, mal war es die Wirtschaftslage, mal das Wohl der Familie, die sie zurückstecken ließen. Dabei war Elly Seitz schon immer die Ehrgeizigste, die Fleißigste, die Weitsichtigste – die Beste, um diese Holzdynastie durch die bewegten Jahre zwischen der Weltwirtschaftskrise 1929 und den Nachkriegsjahren zu führen. Als sie am Ende ihrer Ziele angekommen scheint, schlägt das Schicksal einmal mehr verhängnisvoll zu. Die Holzbaronin wird verhaftet. Sie wird beschuldigt, ihren Ehemann ermordet zu haben, 1944, kurz nach seiner Heimkehr aus dem Krieg. Hauptankläger ist ihr über alles geliebter Sohn Hans. In einer langen Vernehmung durch den befangen wirkenden Kommissar Fröbe, der Elly Seitz offenbar von früher kennt, soll ein Geständnis erzwungen werden. Die des Mordes Verdächtigte erzählt ihre Lebensgeschichte: Opfer der Umstände, Opfer des brutalen Gatten, Opfer der Macht der Männer. Die Protokollantin weint, doch Fröbe nimmt Elly Seitz diese Opferrolle nicht ab…
Das ZDF glaubte offenbar nicht daran, allein mit einer Familien-Saga, die sich über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts erstreckt, die Zuschauer locken zu können. Also musste für „Die Holzbaronin“ eine kriminalistisch motivierte Rahmenhandlung her, die das Melodram um eine badische Holzdynastie spannungstechnisch hoch tunt und dem Frauenporträt eine gewisse Finalisierung mit auf den Weg gibt. Was man davon hält ist Geschmackssache. Auch der seltsam anmutende Verzicht von Doppelbesetzungen bei einigen tragenden Nebenrollen, während man sich bei der Hauptfigur für drei Schauspieler entschied, ist schwerlich zu kritisieren, erweist sich dies doch als durchaus sinnvoller Trick, um die Orientierung für den Zuschauer zu erleichtern. Vor dem Fernsehen rechnet man nicht, vergleicht nicht Jahreszahlen und Lebensjahre, sondern man lässt sich (zu)schauend überzeugen, man gleicht die Bilder mit der Geschichte ab. Weil das aber so ist, fällt gerade die unglückliche Doppelbesetzung mit Christine Neubauer und Henriette Confurius so unangenehm auf. Umbesetzungen einer Rolle innerhalb eines Films sind immer problematisch. In diesem Fall aber entwerten sie den Film.
Nach der Einfindungsphase in die dreistündige Familienchronik kommt nach 35 Minuten Henriette Confurius gerade recht. „Ein Teufelsmädchen“, bejubelte der Vater zuvor den Backfisch. Für was und wen das Herz der kleinen Elly schlägt, ist auch schon bekannt. Jetzt kann die junge Ausnahmeschauspielerin ernten, was Autorin Annette Hess („Weißensee“) in gepflegter Familien-Firmen-Saga-Manier an Motiven ausgelegt hat – die Unschuld noch auf den Wangen, aber ihre Ziele schon mit 20 Jahren deutlich vor Augen. Auch filmisch regiert das Bild, weil Confurius eine Blick-Schauspielerin ist. Mit ihr kommt Glanz ins Haus der Familie Seitz und vor allem in Marcus O. Rosenmüllers Film. Poltert auch Michael Mendl bis zum Tod seines Familienpatriarchen wie eine Karikatur auf die alten Zeiten durch die Szenerie, so wird nun doch ein anderer Ton angeschlagen. Aufbruchstimmung: Elly studiert als einzige Frau Ökonomie und verheimlicht das vor der Familie, sie gibt dem von den Eltern ausgeguckten Ehemann einen Korb, macht ihm dann aber Jahre später nach dem für die Seitz Werke verheerenden Börsenkrach einen Antrag, sie verbringt die Hochzeitsnacht nicht mit ihrem Ehemann, sondern mit dem, den sie seit Kindertagen liebt – und bekommt einen Sohn… Ein zehnjähriger Lebensweg, der sich langsam zu einer Tragödie auswächst, ergibt fast 90 (melo)dramatische Filmminuten, die getragen werden von Henriette Confurius in stimmiger schauspielerischer Eintracht mit Harald Schrott, Dirk Borchardt, Andy Gätjen, Julika Jenkins & vor allem Nicole Heesters. 90 Minuten, die das Bestmögliche aus dem Genre herausholen.
Auch wenn man schon vorgewarnt ist, weil sie ja bereits in der Rahmenhandlung zwischendurch mächtig Präsenz zeigt, so kommt doch mit Christine Neubauer der große Bruch in den Film. Weniger, weil mit einem Handlungssprung von acht Jahren der Sprung einhergeht von einer 21jährigen zu einer 50jährigen Schauspielerin; es ist auf Dauer vielmehr die Art des Spiels, das unzufrieden macht – die Überbetonung der Worte, das ausgestellte Melodram in den Gesten. In den Szenen von 1953 ist es dann der plötzliche Wechsel von herrisch zu kleinlaut, von spöttischem zu salbungsvollem Tonfall, der – um es freundlich zu sagen – irritiert. Dass Frau Neubauer auch anders kann, hat sie in ihren Grimme-Preis-gekrönten Filmen oder zuletzt in „Hannas Entscheidung“ gezeigt. In diesem Melodram, ebenfalls von Ziegler Film produziert, gelang es Friedemann Fromm, Neubauer und ihren ganz eigenen Stil des Overacting auszubremsen. Rosenmüller gelingt es nicht. Neubauer gibt den Ton vor. Und um neben ihr wahrgenommen zu werden, müssen auch Top-Mimen wie Simon Schwarz, Florian Bartholomäi oder Dirk Borchardt stärker auf die Tube drücken und so unter ihren Möglichkeiten agieren. Mit Henriette Confurius schleicht sich die Tragik in die Geschichte; bei Neubauer äußert sich diese Tragik als melodramatisches Ausrufezeichen.
Das ist nicht nur der Schauspielerin und der Regie anzulasten. Auch die Konzeption stimmt nicht. Weshalb muss ein Film über einen so langen Zeitraum erzählen? Damit er ungenau wird und man nur noch historische Versatzstücke abhaken braucht? Als ob ein großer historischer Bogen, dieser ewige Schnelldurchlauf durch die Geschichte, schon ein Wert an sich sei! Wer dem erhofften Erfolg (Neubauer bringt vielleicht eine Million Zuschauer mehr als eine Claudia Michelsen oder Barbara Auer) zu viel opfert, muss sich am Ende nicht wundern, wenn aus einem interessanten Projekt ein Film wie „Die Holzbaronin“ wird.