Eine Kleinstadt im Ländle vor rund 100 Jahren. Die schwäbische Enge und die Engstirnigkeit der Bewohner haben August Staudenmeyer in jungen Jahren zum Auswandern bewogen. Nach über drei Jahrzehnten kehrt er zurück: als ein „g’machter“ Mann. Die Honoratioren der Stadt umwerben den wohlhabenden Rückkehrer. Es sollte eine Heimkehr für immer werden. Doch Staudenmeyer, der eine Baumwollspinnerei eröffnen will, merkt bald, dass ihm die Menschen hier, ihr Denken und Handeln, nach wie vor fremd sind. Ihm missfällt die Art und Weise, wie die behandelt werden, die anders sind. Wie sein Schulfreund „Mohrle“ zum Beispiel, ein Zeichner, dessen Kunst nichts gilt im kleinen Gerbersau, oder wie die Witwe Katharina Entriß, die die hohen Herren am liebsten aus der Stadt jagen würden. Öffentlich wird sie als Hure verleumdet, doch kaum ein Mann, der ihr nicht heimlich nachsteigt. Auch Staudenmeyer findet Gefallen an der schönen, vereinsamten Frau, die sich allerdings – verunsichert von den Anfeindungen – seinen Annäherungsversuchen entzieht.
Jo Baier über die zwei Herzen in Hesses Brust:
„Wie kann der Mensch, vor allem, wenn er Individualist und wie Hesse ein erklärter Nonkonformist ist, in der Welt eine Heimat finden? Er selbst ist bis zuletzt immer auf der Suche danach. Er beneidet die Bauern, die eine Heimat haben, und sieht sich selbst im Zwiespalt zwischen dem Vagabunden und dem Hausbesitzer.“
Zum 50. Todestag des Literaturnobelpreisträgers Hermann Hesse hat sich Autor-Regisseur Jo Baier einer frühen Erzählung des von der deutschen Literaturkritik lange geschmähten Autors angenommen. „Die Heimkehr“, 1909 entstanden, wirkt wie eine Vorstudie zu Hesses späteren Selbstwerdungs- und Selbstverwirklichungsszenarien. Hier steht die Suche nach der Heimat im Zentrum, nach seelisch-geistiger Verwurzelung, nach Geborgenheit. Wo steht das Ich in der Welt? Findet es seinen Platz in der Gemeinschaft? Oder findet jener August Staudenmeyer seine wirkliche Heimat in einem anderen Menschen? Hesse wählt die radikale, literarische Lösung: der Held bleibt sich treu, passt sich nicht an um den Preis der Selbstverleugnung. Was am Ende bleibt von der Gemeinschaft, ist die Sehnsucht nach ihr.
Jo Baier über die kritischen Untertöne des Films:
„Engstirnigkeit, Verklemmtheit, Konformismus – das alles haben wir keineswegs überwunden. Wer längere Zeit in einer Kleinstadt gelebt hat, kann ein Lied davon singen. Wir sind keineswegs so liberal und tolerant, wie wir uns gerne geben.“
„Finde dich selbst und gehe dann deinen Weg, unbeirrbar und dir selbst treu.“ Hermann Hesses Credo klingt kaum anders als die Glücksverheißungen der gängigen Ratgeberliteratur und telegenen Selbstfindungsdramoletts. Im Gewand des Vergangenen gewinnt diese Botschaft in „Die Heimkehr“ allerdings an Allgemeingültigkeit. „Durch diesen Abstand wird der eigene Blick viel mehr für zeitgemäße Probleme geschärft, als würde man so eine Geschichte in der Gegenwart ansiedeln“, meint denn auch Baier. Das Historische birgt aber auch Gefahren. So stimmig die Ausstattung des Films ist und obwohl man die Hauptdarsteller August Zirner, Heike Makatsch, Herbert Knaup und Margarita Broich überzeugend aus anderen historischen Rollen kennt – es bedarf immer wieder einer „Umstellung“, geschichtliche Protagonisten glaubwürdig im realistischen Medium Fernsehen agieren zu sehen. Das ist immer auch ein Rezeptionsproblem: eine Frage der Wahrnehmung, eine Frage der Gewöhnung. Wer die „Verkleidung“ im Film sehen will, der wird sie sehen. Wer abgelenkt ist von „Höherem“, der wird sie bald vergessen. Die Transzendenz des Films spiegelt sich in der Sicht auf die Dinge: der Held blickt auf diese ihm zu eng gewordene Welt. Dieser subjektive Blick macht die Geschichte erlebbar. So wie es der Blick der von den Leuten geschnittenen Witwe ist, der Blick, der zugleich der einzigartige Blick von Heike Makatsch ist, der dem Zuschauer die Geschichte emotional erschließt. Es ist also die Erzählhaltung, die Politik der Blicke, die diesem Film seinen „höheren“ Sinn verleiht. Wie der Schriftsteller Hesse, so schaut auch sein Held auf die Welt und hält Distanz zu dem, was er sieht.
Jo Baier über die Gestaltung der Bilder:
„Ich wollte kleine Miniaturen, kleine Panoramen schaffen. Mit Hilfe meines Szenenbildners und meines Kameramannes habe ich Totalen und Halbtotalen den Vorzug vor zu vielen beliebigen Großaufnahmen gegeben, habe den Räumen und ihrer präzisen Ausstattung große Aufmerksamkeit geschenkt, habe viele Laiendarsteller gesucht, um diesem Schwäbisch-Kleinstädtischen die entsprechende Authentizität zu verleihen.“
So sinnlich aber wie beispielsweise zuletzt in dem Grimme-Preis-gekrönten Historiendrama „Die Hebamme“ (2011) kann „Die Rückkehr“ nicht wahrgenommen werden. Dem steht nicht zuletzt die Geschichte entgegen: der Kleinmut, die lustfeindlichen Tugenden der Leute und der Intellekt des männlichen Helden. Der ist zwar anders als die Anderen, holt den Zuschauer über die Beobachterrolle in den anfangs kontemplativ gestaltetenen Film hinein, aber auch sein Körper, zumeist in leger fallende, helle Stoffe gewandet, wird zunehmend wieder verpanzerter. Erst in den Schlussbildern fällt der Druck ab von dem Rückkehrer, der wieder fortgehen wird, und der sozial Gedemütigten. In der Natur finden sie zu zueinander. Und der große Hermann-Hesse-Fan Udo Lindenberg singt auf Englisch dazu („The River“).