War für Landei Gesa (Josefine Preuß) bereits der Sprung nach Marburg und die Ausbildung zur Hebamme ein bemerkenswerter Schritt für eine Frau Anfang des 19. Jahrhunderts, so wagt sie sich nun an ihren ganz großen Traum: In Wien möchte sie wie ihr Vater Medizin studieren. Zunächst ist sie aber nur in die Kaiserstadt gekommen, damit Professor Gottschalk (Bernhard Schir), eine Koryphäe auf dem Gebiet der modernen Medizin und zugleich ihr Onkel, seine verstoßene Tochter Luise (Genija Rykova) von der Schwindsucht heilt. Doch dann ist Gesa so überwältigt von Wien, dem Krankenhaus, der medizinischen Wissenschaft und den Studenten, von denen sie auf einen, den charmanten Wilhelm (Adrian Topol) ein Auge geworfen hat, dass sie bleiben – und lernen möchte, um irgendwann auch selbst als Medicus Menschenleben zu retten. Auch Gottschalk ist mehr und mehr vom Fleiß und dem Talent seiner Gasthörerin beeindruckt – dennoch steht etwas einem ordentlichen Studium im Weg: Gesa ist eine Frau… Nach Wien begleitet wurde sie von ihrer Freundin Luise (Alicia von Rittberg). Auch diese hat sich Hals über Kopf in einen Studiosus verliebt, den wohlhabenden Anton (Jannik Schümann), der nach dem Tod seiner geliebten Mutter endlich wieder strahlen kann. Luise ist schwanger und bald läuten die Hochzeitsglocken. Doch dann ziehen dunkle Schatten über Wien auf, Gesa wird von Schuldgefühlen geplagt, flüchtet sich immer öfter in die Welt des Rauschs – und plötzlich geht ein brutaler Hurenmörder in der Praterstadt um.
Foto: Sat 1 / Lukas Zentel
Nach dem für Sat-1-Verhältnisse überwältigenden Erfolg von „Die Hebamme“ im Frühjahr 2014 (5,45 Mio. Zuschauer) geht das ungewöhnliche sogenannte Event-Movie in die zweite Runde. „Die Hebamme II“ ist in der narrativen Grundanlage eine ähnliche Genre-Mixtur: ein bisschen Selbstfindungsdrama, ein kleiner Schlenker in Richtung Frauenemanzipations-Geschichte; in der ersten Hälfte dominieren Wohlfühlmomente, die teilweise romantisch unterfüttert sind, während die zweite Hälfte sehr viel düsterere Züge trägt und so mehr und mehr zum Schreckens(szenario)thriller mutiert, bei dem als Krönung der Frankenstein-Mythos wiederaufleben darf. Für die wesentlichen Gewerke gilt die alte Weisheit „Never change a winning team“. Regie (Hannu Salonen), Kamera (Wolf Siegelmann), Ausstattung (Jana Karen), Schnitt (Marco Pav D’Auria) und Musik (Marcel Barsotti) sind in derselben Hand. Die visuelle Anmutung ist ähnlich wie beim Auftaktfilm, allerdings wirkt „Die Hebamme II“ in der Rohfassung, die den Journalisten zur Verfügung stand, trotz Blut & Leichenbergen, trotz Tränen & Todesboten – zumindest in der ersten Stunde – heller und gefälliger als der etwas schockreichere Auftaktfilm. Unter Fanfarenklängen fahren die Kleinstädter in die Kaiserstadt ein, die neben einem Feuerwerk der Heldin auch einige Praterausflüge ermöglicht.
Schön schaurig bis ekelerregend sind die Bilder, in denen Patienten brutal mit monströsen Apparaturen malträtiert oder aufgeschnitten werden, und jene Bilder, in denen an Leichen herum gedoktort oder einem Menschen, das Herz aus der Brust herausgerissen wird. Die Montage verhindert, dass der Schrecken über einen bloßen Ekelmoment hinausgeht. Die Schaueffekte des Films schieben sich insgesamt aber deutlich gegenüber der Frauengeschichte oder dem medizinischen historischen Diskurs in den Vordergrund. „Die Hebamme II“ ist vielleicht noch mehr als sein Vorgänger ein Nur-Genrefilm ohne große narrative Konnotationen: eine romantische Schauermär – weniger was für den Kopf, mehr was fürs Auge. Aber sehen lassen kann sich dieser Mummenschanz durchaus.
Foto: Sat 1 / Lukas Zentel
Das liegt sicherlich auch an den Schauspielern, die sich bald ebenso stimmig wie wirkungsvoll einfinden in ihre historischen Rollen – was hier nicht heißt, eine psychologisch ausgefeilte Performance zu liefern, sondern sich eher darauf beschränkt, dem Figuren-Typus eine markante, vor allem emotional überzeugende Kennung zu geben. Für Josefine Preuß wirkt das allerdings, was ihre Historienfilme wie „Das Adlon“ oder „Die Pilgerin“ angeht, wie ein darstellerischer Rückschritt. Sie muss viel Gesichtsakrobatik einsetzen, damit sich ihre Heldin gegen die Männerwelt behaupten kann; wenn’s dramatisch wird, doppelt meist ihre Mimik die Situation und ihr kleiner Körper steht dann völlig unter Strom. Vielleicht will Regisseur Hannu Salonen damit das Weiblich-Emotionale im Film sinnlich auf die Bildebene transformieren, sind doch die Männer dagegen eher die Ruhepole der Handlung: Bernhard Schir spielt den honorigen Gottschalk angemessen und quasi vom Blatt. Adrian Topols Figur versucht vergeblich, die Hauptfigur zu erden; sein Wilhelm ist es allerdings auch, der seine Freundin mit den Freuden des Opiums bekannt macht. Mit Marcus Mittermeier prominent besetzt ist Professor Gruber, jener Medicus, der mit den Steinen heilt und so die Körpersäfte zum Fließen bringt (ein Wink in Richtung alternative Heilmethoden). Der Hingucker der ersten Hälfte ist Alicia von Rittberg, nicht nur, weil Salonen sie wie die Bild gewordene Film-Ikone – zwischen Rosen-Resli und junger Sissi – in Szene setzt, sondern auch, weil sie in die zwischen Schwindsucht-Heilung, Romanze & der Heldin stetes Werben um einen Studienplatz dahinplätschernden, wenig dramatischen ersten 60 Minuten noch einigen Schwung reinbringt. Wenige Minuten später hat es dann ein Ende mit dem Wohlfühl-TV.