“Die Geierwally” ist ein Mythos der volkstümlichen Kultur. Die Romanvorlage erschien 1875, wurde ein Bestseller, bevor der Stoff auch die Schauspielbühnen eroberte. Doch so richtig gemacht schien die Mär von der eigenwilligen Wally, die sich lieber auf Natur und Vogelvieh einlässt als auf die Menschen, für das neue Medium der bewegten Bilder. 1921 war Henny Porten die Geierwally, 1940 übernahm dann Heidemarie Hatheyer die Rolle und legte mit Zopf, Dirndl und furchtlosem Blick in die Weite der Berge den Grundstein für den Mythos. Der Heimatfilm der 50er brachte eine dritte Verfilmung hervor. 30 Jahre später war es Walter Bockmeyer, der “Geierwally” als schrille Revue mit Männern in Kleidern der Vorlage entriss.
Jetzt ruft der Berg zum fünften Mal. Die Produzentin Regina Ziegler und der auf Heimatliches spezialisierte Regisseur Peter Sämann haben den Ruf vernommen. In ihrer TV-Adaption für die ARD setzten sie auf die Urkraft der Vorlage und die Vollweib-Qualitäten von Christine Neubauer. Sie hat nicht nur die richtigen Maße, sie ist auch mimisch die richtige Besetzung. Zwar musste sie das Dirndl gegen Jeans eintauschen, doch Autor Felix Huby hatte den Mut, auf allzu viel neuzeitliches Beiwerk zu verzichten. Modern von der Haltung her sei die Wally immer schon gewesen, findet die Neubauer. “Sie setzte sich gegen ihren Vater und das Dorf durch, kämpfte für ihre Unabhängigkeit und Liebe.” Auch die Regie versucht sich nicht im Genre-Mix, sondern bleibt ganz dem Heimatfilm verhaftet. “Nur das Adler-Motiv haben wir für unsere Zeit angemessen mit einer ökologischen Komponente übersetzt”, betont Sämann.
Man muss schon ein Faible haben für diese grob geschnitzten Melodramen aus der Bergwelt, mit ihren kantigen Charakteren und kernigen Klischees, um einen Film wie “Die Geierwally” goutieren zu können. Wenn sich der Bauer nach gelebtem Leben zur letzten Ruhe bettet, wenn dazu der Himmelsgott grollt und die verlorene Tochter, nachdem sie sich in die Einsamkeit einer Berghütte mit Geier und Trotz zurück gezogen hatte, noch rechtzeitig ihrem Vater das Gewissen erleichtern kann, dann ist das ein Melodram-Happyend nach Schema F. Doch warum nicht?! Wie jeder Krimi oder jede Tragödie bedient auch der Heimatfilm gängige, oft lieb gewonnene Muster. Die neueste Verfilmung der “Geierwally” überspielt jene Muster bisweilen sogar durch die physische Präsenz seiner Hauptdarsteller, Neubauer und Feifel.
Für Christine Neubauer war es die “absolute Traumrolle”. Das „Geierwally“-Remake war ihre Idee. Regina Ziegler sprang sofort drauf an. “Wir wollten einen Heimatfilm mit großer Ernsthaftigkeit und Echtheit, ohne Tümelei, drehen”, sagt Neubauer. Dazu gehört für sie auch, dass sie sich nicht doubeln lassen wollte. Und so legte sie im Stall selbst Hand an und hing auch selbst in der Steilwand. Sogar mit den Raubvögeln stand sie in nächstem Kontakt.