„Der gibt sich für alles her“, hört er seine Feinde schon wieder hetzen. Ein Intendant einer städtischen Bühne in einem RTL-Familienlustspiel – solch ein Ausflug zwischen den Medien und den Tonlagen hat hierzulande eher Seltenheitswert. Leander Haußmann, der ebenso radikale wie kreative Klassiker-Entrümpler macht es mal wieder vor. In „Die Friseuse und der Millionär“ gerät er an ein postmodernes Aschenputtel, das nichts hat von Nora oder Antigone, dafür umso mehr von Marilyn, Lolita oder Courths-Mahler. Eigentlich ist es der Dreikäsehoch Nick, Sohn eines Stararchitekten, der die romantische Komödie antreibt. Der elfjhrige wird abgeschoben zur Tante, doch er macht lieber in Berlin was los – und quartiert sich bei der Friseuse Anna ein. Sie ist nett, hat Schulden und ist gerade dabei, sich einen Millionär zu angeln. Es folgen eine handvoll Verwicklungen, Verwechslungen und glückliche Wendungen in dieser TV-Komdie von Ulli Baumann („Nikola“), in der neben Eva Habermann („Zwei Schwestern“) Stefan Jürgens („Samstag Nacht“) und Ruth Maria Kubitschek zu sehen sind.
Haußmann, Freund des Spaß-Theaters, aber nicht unbedingt des Spaß-Fernsehens, wollte zunächst nicht mitmachen. Dann las er das Drehbuch. Er fand’s witzig. Und dachte sich: „Als Kind hast Du dir ja auch gern mit der Familie die Heile-Welt-Geschichten angesehen. Warum sollst Du sie dann nicht auch machen!?“ Außerdem schaute mit Gerard Vandenberg der Kameramann von „Heimat“-Regisseur Edgar Reitz durchs Objektiv. Und da sich Haußmann bald auch als Filmregisseur versuchen wird, wollte er die Chance nutzen, „das Medium noch ein bisschen genauer kennenzulernen“. Mit Detlef Bucks Produktionsfirma plant er einen Kinofilm über die Jugendbewegung Ost der 70er Jahre. „Es ist ein schöner Sonntagnachmittagfilm, leicht inszeniert, eine sorgfältig gemachte Trivialgeschichte“, sagt Haußmann über „Die Friseuse und der Millionär“, dessen Arbeitstitel, „Kleine Notlügen“, er treffender fand. „Er wird sein Publikum finden“, ist sich der Intendant des Bochumer Schauspielhauses sicher. Eher skeptisch ist er indes, was den möglichen Werbeeffekt seines RTL-Auftritts für sein Theater angeht. „Eher könnte meine Filmrolle dazu führen, dass die Leute andere Erwartungen an das Schauspielhaus haben, als die, die wir erfüllen wollen.“ Kritisch sieht er auch sein eigenes Spiel. „Weniger Ausdruck wäre mitunter mehr gewesen. Aber das kommt eben vom Theaterspiel“, betont Haußmann. „Das Spielen im Film ist eine Wissenschaft für sich. Manche haben’s im Blut, und manche müssen es sich hart erarbeiten.“ Die Flüchtigkeit bei der Filmproduktion habe aber auch Vorteile. Ist die Emotion geglückt, ist sie im Kasten, man kann sie vergessen, um sich zu öffnen für neue Aufgaben. Aber trotz „Männerpension“ oder dem ZDF-Frauenstück „Die Konkurrentin“ – vor der Kamera sein Sonnyboy-Lächeln zu zeigen soll für den 39-Jährigen eine Ausnahme bleiben. „Mich mit Boulevard-Komödien herumzuschlagen entspricht nicht unbedingt meinem Temperament.“
Kritik: „Die Friseuse und der Millionär“
Die Story ist mehr als hanebüchen und wirklich nur Vorwand dafür, dass sich drei am Ende kriegen: ein erfolgreicher alleinerziehender Architekt, dessen naseweiser Sohnemann und eine nicht ganz so erfolgreiche Friseuse. Heile Familie also wurde auf RTL am Muttertag gespielt. Bei den Guten gibt’s Probleme meist nur mit dem Zeit-Management. Bei den weniger Sympathischen steht das Ego ganz im Vordergrund, für sie sind Kinder rote Tücher – dafür fließt hier der Schampus. Als ob Robin Schiff die Charaktere von „Dallas“ mit „E.T.“ und „Kevin allein zuhaus“ gekreuzt hätte – diesen Eindruck machte das Personal der romantischen Komödie „Die Friseuse und der Millionär“. Regie führte Ulli Baumann, Experte für kleine Nummern à la „Nikola“, der mit seinen Langfilmen wie „Club Las Piranjas“ bisher weniger überzeugen konnte. Auch dieses Mal hat er trotz eines Bilder-Zauberers wie Gerard Vandenberg nur Mittelmaß abgeliefert. Heftchenroman-Klischees, leicht ironisch gegen den Strich gebürstet. Außerdem ging dem Geschichtchen um Doppelgänger, Baseball und Beziehungspleiten allzubald die Luft aus. Logik war von Anfang an nicht im Spiel: Paps, sehr frisch gespielt von Leander Haußmann, ist eigentlich kein leichtlebiger Dandy, taucht aber überall dort auf, wo die Schönen und Reichen sich treffen… Sich amüsieren war mitunter möglich. Nach den vielen Thrillern ist so ein Familienfilm ja eine willkommene Abwechslung.
Ohnehin ist er auf das Fernsehen nicht gut zu sprechen. Er beklagt den mangelnden Mut der Öffentlich-Rechtlichen. „Die haben die Pflicht zum Experiment!“ sagt er, doch intellektuell Anregendes finde er nur auf Arte. Zum Entspannen liebt Haußmann Triviales. Gern gibt er sich Serien-Ritualen hin, er mag „Picket Fences“, Star Trek“ oder sucht seine Kindheit bei „Bonanza“. Game-Shows dagegen finde er oft geradezu menschenverachtend. „Ich bin wirklich kein Moralapostel, aber vieles ist einfach unerträglich dumm.“ Sprach Otto Rehhagel einst von der „kontrollierten Offensive“, benutzt Haußmann eine ähnliche Wortschöpfung: „den Massengeschmack kontrolliert befriedigen“. Für Fernsehspektakel der theatralen Art wäre der gebürtige Quedlinburger, der als Schauspieler begann, sofort zu haben. „Nach Heiner Müllers Tod hätte man beispielsweise die Premiere von ‚Germania 3‘ live im Fernsehen übertragen können“, so Haußmann. Mit solchen Events könnte man auch junge Autoren fördern. Aber auch Klassiker wie Sternheim oder Hauptmann könnten dem Fernsehen (in Sachen Beziehungskisten) neue Impulse geben. „Natürlich müsste man versuchen, die Stücke zu kommerzialisieren, damit sie fürs breite Publikum unterhaltend sind.“ (Text-Stand: 1998)