Schauspieler erinnern sich an eine verstorbene Kollegin, die wenig später unter Tränen zu Grabe getragen wird. Die Tote (Maria Kwiatkowsky) steckte mitten in den Dreharbeiten eines Films. Nun ist der Autor (Sebastian Weber) gefragt. Der muss die Story umschreiben. Dem fällt anfangs nicht viel ein, gedreht wird dennoch. Die Hauptrolle muss die talentfreie Praktikantin (Marie Rosa Tietjen) übernehmen, deren Gesicht in der Postproduktion digital ersetzt werden soll. Diese interpretiert ihre Rolle bald in Richtung ihrer realen Gefühle, was der Regisseurin (Mira Partecke), die mit dem Hauptdarsteller (Bastian Trost) liiert ist, nicht gefällt, dem Hauptdarsteller dagegen schon. Der Dreh wird mehr und mehr zur Zerreißprobe für die Beziehungen innerhalb des Teams, Liebeleien zeichnen sich ab, auch deshalb, weil der Autor, der die Regisseurin begehrt, mit seinen Buchänderungen nachhilft. Dabei hat es ja schon die Filmstory emotional in sich: Eine junge Frau hat die Idee, dass ihr Freund einer todkranken Millionärin (Sunnyi Melles) mit Hinblick auf deren Erbschaft den Kopf verdrehen soll. Der Plan geht auf: allerdings verliebt sich auch der junge Mann in die Frau von Welt.
„Das ist eine, und nicht die schlechteste, Möglichkeit, damit umzugehen, dass ein Film wegen des Todes eines Beteiligten abgebrochen werden muss: Nicht nachdrehen, nicht herausschneiden, sondern: weitermachen. Immer weiterdrehen, mit größtmöglicher Selbstreflexion und Selbstironie.“ (kino-zeit.de)
Der Kinofilm „Die Erfindung der Liebe“ hatte genau mit diesem Ernstfall für jeden Produzenten zu kämpfen: dem Tod eines Hauptdarstellers. Maria Kwiatkowsky, diese „Schauspielerin der Verausgabung“ mit dem Hang zur Selbstzerstörung, starb nach 23 von 35 geplanten Drehtagen. Lola Randl wollte den Film dennoch zu Ende machen. Sie hatte erfreulicherweise bessere Ideen als der Autor in ihrem Film. „Ich habe den Tod ins neue Drehbuch geschrieben, weil ich nicht wusste, wie ich ihm sonst begegnen sollte“, sagt sie. Durch die „Ehrlichkeit“ bekommt der Film nicht nur einen besonderen Zauber, sondern auch eine große Wahrhaftigkeit. Randl thematisiert all jene Tricks, die in einem solchen Bad-Case-Szenario angewendet werden (könnten), Tricks, auf die sie selbst keine Lust hatte. Und so ist ihr namhaft besetzter Film (Finzi, Adorf, Irm Hermann) mit seinem projektionsreichen Wechselspiel der Erzählebenen zum einen eine wilde, aber nie wirre Satire aufs Filmemachen und auf das Business geworden, das dahintersteht. Kinoliebhaber mögen sich erinnert fühlen an „Whisky mit Wodka“ oder „Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“. Die markantere Referenz führt allerdings in die 60er, 70er Jahre, zu Truffauts „Eine amerikanische Nacht“ (1973) und Godards „Die Verachtung“ (1964). Von der Bildgestaltung, über den Schnitt bis hin zur Musik erinnert der Film an die „gepflegte“ Phase der Nouvelle Vague.
„Durch diese Fragmente erahnt man die intendierte Fassung, und man spürt Maria Kwiatkowskys geradezu beängstigende Präsenz und Lebendigkeit. Aber ‚Die Erfindung der Liebe’ kreist jetzt um die Lücke, die der Tod reißt“ (Spiegel online)
Auch die Ursprungsgeschichte weist in diese Richtung: Sie wirkt wie eine jener stilvollen Räuberpistolen aus der kaputten Welt der Bourgeoisie, wie sie der dritte große Cinéast dieser Generation, Claude Chabrol, in seinen frühen Jahren gern erzählte. Dieser Film im Film ist ein modernes Melodram: der Stoff pure Seifenoper, die Ästhetik ein Hauch Douglas Sirk und die Hauptdarstellerin/-figur unberechenbar in ihrem anti-psychologischen Spiel (Kwiatkowsky darf singen, quietschen, lieben, leiden). Für den Zuschauer freilich ist der hoch amüsante Film nicht frei von „echtem“ Drama und spürbarer Tragik: denn nicht nur ein Mal ertappt man sich dabei, dass man sich den Tod der Schauspielerin ins Bewusstsein ruft, dass man andere Rollen, in der man sie gesehen hat erinnert oder dass man nach Spuren sucht, nach Zeichen, die das Süchtige dieser Frau verraten. Fazit: Dem aktiven Zuschauer ermöglicht „Die Erfindung der Liebe“, Lola Randls selbstreflexive Tragikomödie über die Liebe, das Filmemachen & den Tod, ein vielschichtiges, vielfältiges Erlebnis. (Text-Stand: 23.7.2015)