Entführungskrimis sind seit Jahren ein beliebtes Genre. Immer wenn Kinder in die Gewalt von Erpressern geraten, fiebern die Fernsehzuschauer in besonderem Maße mit. Für die „Die Entführung“ haben sich die Macher eine extreme Variante dieses Verbrechens ausgedacht. Doch für Harald Göckeritz steckte nicht Kalkül hinter der Entscheidung, dem Krimidrama einen blutigen Schlussakkord im Zeichen eines Psychothrillers zu geben. „Die Idee war einen moralischen Widerspruch zu zeigen“, so der Autor. „Hinter dem Entführungsfall steht die für uns wichtigere Frage: Wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten?“
Angst und Ohnmacht dominieren anfangs das Geschehen. Ein Ehepaar im emotionalen Ausnahmezustand. Ausgerechnet an seinem achten Geburtstag ist ihr Sohn Tobias gekidnappt worden. „Wenn der Tobias was antut, dann bring ich ihn um“, beteuert die Mutter. Sie ist außer sich und man spürt sehr wohl, dass es ihr ernst ist. Ihr Mann geht die Sache ruhiger an, und er will im Gegensatz zu seiner Frau mit der Polizei zusammenarbeiten. Er setzt sich durch. Doch die Geldübergabe scheitert auf spektakuläre Weise. Beim zweiten Versuch tricksen die Eltern die Polizei aus und nehmen die Sache selbst in die Hand. Dabei spüren sie einen Mann auf, den sie für den Täter halten. Auf einer Berghütte kommt es zum Showdown.
Das Thema lag nach dem spektakulären Entführungsfall Magnus Gäfgen / Jakob von Metzler in der Luft, so Autor Göckeritz. Allein im letzten Jahr gab es drei Spielfilme, die sehr direkt auf die Entführung des Frankfurter Bankierssohns mit tödlichem Ausgang Bezug nahmen. Der stärkste war ein Krimi aus der ZDF-Reihe „Kommissarin Lucas“. Darf man unter Androhung unmittelbaren Zwanges einen Tatverdächtigen zu einer Aussage nötigen, wenn dadurch ein Menschenleben gerettet werden kann? Diese Frage war es vor allem, die die Filme aufwarfen. „Die Entführung“ nun versetzt sich in die Perspektive der Eltern. Sie müssen keiner Staatsräson gehorchen, sondern sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Sie sind Menschen.
Was der spannende Film deutlicher als andere Entführungskrimis zeigt: das Interesse der Polizei ist nicht zwangsläufig dasselbe Interesse, das die Eltern haben. In Reihen-Krimis, die heute auf dem Bildschirm dominieren, verbietet es aber der Kommissar, der der Held ist und aus dessen Perspektive die Fälle aufgerollt werden, diesen Gedanken dramaturgisch weiterzuspinnen. „In einem einzelnen Fernsehfilm hat man da schon mehr Freiheiten“, betont Göckeritz. Die letzte halbe Stunde entwickelt sich „Die Entführung“ zu einem fulminanten Psychoduell Marke „Eine Frau sieht rot“, ohne allerdings der Selbstjustiz das Wort zu reden. Claudia Michelsen als Mutter fungiert als Emotion in persona, deren Verhalten auf eine einzige Aussage reduziert wird: „Ich will meinen Sohn zurück.“ (Text-Stand: 20.7.2007)