Die Drei von der Müllabfuhr – Mission Zukunft / Kassensturz

Uwe Ochsenknecht, Jörn Hentschel, Aram Arami, Hagen Bogdanski. Mit Herz & Moral

Foto: Degeto / Britta Krehl
Foto Rainer Tittelbach

Auch in den neuen Episoden der ARD-Freitagsreihe „Die Drei von der Müllabfuhr“ (Bavaria Fiction) wird wieder abendfüllend geholfen, der Kiez gefeiert und der Wert der Freundschaft beschworen – allerdings nicht mehr ganz so locker, beiläufig und quasi im Vorbeifahren wie in den ersten beiden Filmen. In „Mission Zukunft“ ist die Themen-Verknüpfung von Müllabfuhr und Klimawandel gut gedacht, gerät aber schnell aus dem Blick. „Kassensturz“ ist besser, weil es um das Eckkneipensterben und damit um die Identität eines Stadtteils wie Moabit geht; aber auch die Szenen sind launiger und die dramaturgischen Stereotypen des Wohlfühlfilm-Genres werden in dieser Episode eleganter bedient. Uwe Ochsenknecht bleibt der Dreh- und Angelpunkt dieser Reihe, ein nostalgiebeseelter Hans Dampf in allen Gassen. Die noch stärkere Fokussierung auf ihn und seinen herzensguten kleinen Mann ist die halbe Miete für diese Reihe. Der sozialromantische Zuckerguss verdeckt allerdings gelegentlich die schönen, kleinen Augen-Blicke. Denn das Besondere dieser sympathischen Komödien-Reihe bleibt die Nähe zum Alltag, das Faible fürs Episodische und der Hang zur Spontaneität.

Nachdem „Käpt’n“ Werner Träsch (Uwe Ochsenknecht) bei einer Schulhof-Demo von „Fridays for Future“ die Hand ausgerutscht ist, haben er und seine Kollegen Ralle (Jörn Hentschel) und Tarik (Aram Arami) nun einen Teenager an der Backe. Der geohrfeigte und ziemlich renitente Dennis (Ben Litwinschuh) muss bei den Dreien sein Schülerpraktikum absolvieren – und Respektsperson Werner soll dem jungen Mann, dem offensichtlich der (verstorbene) Vater fehlt, zeigen, wo’s langgeht. Mit der Zeit macht sich der Junge gar nicht schlecht – vor allem seine flotten Videos finden Anklang bei Chef Dorn (Rainer Strecker), der sich von diesem medialen Pilot-Projekt einen Image-Gewinn für die Müllabfuhr und die Männer in Orange verspricht. Fühlt sich Dennis vom Teamgeist und dem Lob der Truppe stark motiviert, wachsen die Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter (Claudia Mehnert), und auch mit seiner Freundin (Lara Aylin Winkler) hat er sich schon besser verstanden. Und zum Lernen auf seine Abschlussprüfung hat er immer weniger Bock. Mit einem Machtwort des „Käpt’n“ allein wird sich das alles nicht einrenken lassen. Außerdem hat der selbst ein dickes Problem: Sein erstes Date nach dem Tod seiner Frau in der eigenen Wohnung ging daneben, obwohl er und „Späti“-Betreiberin Gabi (Adelheid Kleineidam) doch ein gutes Team sind.

Die Drei von der Müllabfuhr – Mission Zukunft / KassensturzFoto: Degeto / Britta Krehl
Nicht nur Dennis hat Zuhause Probleme. Seine Freundin Selma (Lara Aylin Winkler) muss in der Bäckerei ihres Vaters (Bülent Sharif) mitarbeiten. Beiden fehlt ein Elternteil. Der Tod einer wichtigen geliebten Bezugsperson zieht sich durch die Episode „Mission Zukunft“, wird aber nicht vertieft, wirkt eher zufällig als beiläufig.

Auch in den beiden neuen Episoden der ARD-Freitagsreihe „Die Drei von der Müllabfuhr“ wird wieder abendfüllend geholfen, der Kiez gefeiert und der Wert der Freundschaft beschworen – gefühlt allerdings nicht mehr ganz so locker, beiläufig und quasi im Vorbeifahren wie in den ersten beiden Filmen. „Mission Zukunft“ besitzt typischen „Fall“-Charakter. Ein Teenager, der seinen Vater und zwischenzeitlich die Orientierung verloren hat und der seine Mutter als Ursprung allen Übels begreift, braucht endlich wieder einen Sinn im Leben. Dieses Problem ist ein Dauerbrenner in themenorientierten Unterhaltungsfilmen, und auch die Art und Weise, wie es die (drei!) Autoren entwickeln, ist nicht sonderlich aufregend oder erhellend. Vertiefen wäre allerdings in diesem Fall auch keine Lösung gewesen, denn das (potenzielle) Besondere dieser Reihe bleibt die Nähe zum Alltag, das Faible fürs Episodische und der Hang zum Sprunghaften, der durch die Spontaneität und das unverstellte, ehrliche Wesen der Hauptfigur motiviert wird. Wer rastet rostet. Leben bedeutet für Werner Träsch Bewegung. Und auch für die Dramaturgie spielt diese Bewegung eine ganz entscheidende Rolle. Auf dem Bock durch das alte Berlin fahren, das so gar nichts hat von der postmodernen Metropole, das macht zufrieden und glücklich. Die Drei genießen dann ihr letztes Stück Freiheit – und so wirkt dieser „Käpt’n“ wie der letzte Cowboy im Kiez.

Etwas mehr solcher Stimmungsbilder hätte auch die Episode „Kassensturz“ vertragen können. Dafür handelt es sich beim Plot nicht um einen an den Haaren herbeigezogenen familiären Allerweltskonflikt. Es geht um das Eckkneipensterben und damit um die Identität eines traditionsreichen Stadtteils wie Moabit, wo Werner schon mit seiner Frau Susi wohnte. Ausgerechnet „die Traube“, sein Stammlokal, steht auf der Kippe. Der gesundheitlich angeschlagene Wirt Lothar (Peter Trabner) und seine Frau Regine (Birge Schade), über drei Jahrzehnte zu echten Freunden von Werner & Co geworden, haben sich selbst in ihre Garage ausquartiert, weil sie ihre Wohnung untervermieten müssen, um wenigstens ein bisschen Geld reinzuholen. Das Problem: Die Schulden der beiden sind hoch, ihre Preise zu niedrig, und die unbezahlten Deckel stapeln sich. Das alles kann sich Werner nicht länger mitansehen – und so betätigt er sich als Geldeintreiber, während seine Gabi bei der Neuordnung der Finanzen hilft. Dabei gerät allerdings ihr eigenes Projekt, die gemeinsame Wohnung und deren Renovierung, ins Hintertreffen. Auch „die Traube“ bekommt einen neuen Anstrich und ein cooleres Ambiente verpasst. Dann aber heißt es Tränen verkneifen. Denn aus dem Jubiläumsfest wird nun wohl doch eine Abrissparty. Ein bisschen Melancholie kann da durchaus auch beim Zuschauer aufkommen, ganz besonders jetzt, in Zeiten, in denen – über die generellen Existenzprobleme hinaus – die Corona-Krise die Kneipenkultur fest im Würgegriff hat(te).

Die Drei von der Müllabfuhr – Mission Zukunft / KassensturzFoto: Degeto / Britta Krehl
Endlich! Werner (Uwe Ochsenknecht) und Gabi (Adelheid Kleineidam) haben gemeinsame Pläne, haben aber nur wenig Zeit, sie gemeinsam umzusetzen. Immer muss der „Käpt’n“ woanders aushelfen. Die Szenen mit den beiden sind ausbaufähig. Das Problem ist: Werner hat zwar Herz, drückt sich aber um die wichtigen Beziehungsgespräche. Hat die Figur überhaupt ausreichend emotionale Intelligenz?

„Kassensturz“ ist in mehrfacher Hinsicht ein Tick besser als „Mission Zukunft“, bei dem die Themen-Verknüpfung von Müllabfuhr und Klimawandel zwar theoretisch nicht schlecht ist, aber alsbald aus dem Blick gerät. Der zweite Film enthält auch die launigeren Szenen: Da ist Werner, wie er bei einem berüchtigten Haudrauf 5000 Euro für den befreundeten Wirt einzutreiben versucht, dabei zunächst weder allein noch mit seinen beiden Kumpels Erfolg hat, dann aber einen (auch optisch eindrucksvollen) Trumpf aus dem Ärmel zieht: Orange ist eine knallige Farbe – und wozu hat man Freunde?! Hübsch aufgelöst wird auch ein Geschäftstermin bei der Immobilienfirma, bei dem sich die beiden Gastro-Frauen als Ladies herausputzen, und gnadenlos heruntergeputzt werden, weil der Chef eine Chefin ist. Eine vortreffliche Metapher, die die Lage, in der sich das Gastwirts-Ehepaar befindet, anschaulich und bedrückend auf den Punkt bringt, ist das Schlafzimmer in der Garage.

Auch die Besetzung mit Birge Schade und Peter Trabner ist ungleich prominenter, wenngleich Ben Litwinschuh („Im Spinnwebhaus“) und Lara Aylin Winkler („Deutscher“) als Teenager-Liebespaar ihre Sache gut machen. Vor allem sind es aber die vielen kleinen Momente und Randfiguren, die in „Kassensturz“ mehr überzeugen. Dagegen lahmt der Schüler-Plot vor allem auf der Zielgeraden deutlich. „Warum versaust du’s dir immer wieder?“, heißt es bereits nach 30 Minuten. Auch die restliche Stunde muss Dennis die Richtigkeit dieses Satzes ständig unterstreichen. Auch das Gefühls-Briefing seiner Mutter durch den ewigen Kümmerer ist ein dramaturgisches Klischee auf dem Weg zum Alles wird gut, welches man gern einmal durch eine elegantere und weniger naive Lösung – im ARD-Freitagsfilm – ersetzt sehen würde. Das Hin und Her am Ende der Eckkneipen-Episode lässt sich schon eher ertragen, da es der realen Situation entspricht und es sich hier nicht um so ein typisches Unterhaltungsfilm-Allerweltsproblem handelt. Und eine Feier am Ende eines Films, bei dem alle zusammenfinden, ist für Feelgood-Movies keine Seltenheit, kommt emotional aber immer gut, noch dazu, wenn die Hauptfiguren einen musikalischen Rausschmeißer präsentieren.

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Verdrängung. Die Sorge um ihre gemeinsame Kneipe belastet die Ehe von Regine (Birge Schade) und Lothar (Peter Trabner). „Die Traube“ steht vor der Insolvenz.

Uwe Ochsenknecht erwies sich zum Reihen-Auftakt im letzten Jahr als Glücksgriff für die Rolle von ‚Käpt’n“ Werner Träsch. Das führte offenbar dazu, ihn in den neuen Episoden noch deutlicher zum Nabel der Geschichten zu machen, zum Hans Dampf in allen Gassen, der für jeden da ist, der Hilfe braucht. Der 64jährige Schauspieler bleibt eine ideale Besetzung, aber für die Plots und die Dramaturgie, für die narrative Vielfalt, für Zwischentöne und Abwechslung ist die extreme Fokussierung kontraproduktiv. Von der originellen Idee, auf dem Bock auch einen Akademiker mitfahren zu lassen, ist nicht mehr viel geblieben. Ein, zwei intelligente Sätze vielleicht. Als Werner mal wieder die guten alten Zeiten besingt, in denen es noch „den Blick für den Mitmenschen“ gab, merkt Ralle beispielsweise beiläufig an: „Die hat’s so nie gegeben.“ Und so schwelgen die Filme in weitgehend ungebrochener Nostalgie, triumphieren die Gemeinplätze, die man beim Besuch in der Eckkneipe originell finden mag, derer man in 90 Filmminuten allerdings irgendwann überdrüssig werden kann. So liebenswert der Alltag auch dargestellt wird, so klein und fein die Beziehungsszenen und die Probleme mit der Liebe in der Großstadt auch sind, der sozialromantische Zuckerguss verdeckt mitunter die schönen, kleinen Momente. Die Moral ganz in die Hände einer Figur zu legen, ist die simpelste aller Dramaturgien. Ist dieser Charakter herzensgut und auf seine bodenständige Art charismatisch, ist das zusammen mit Ochsenknecht die halbe Miete für einen Film. Aber eben nur die halbe. Der Preis, den man dafür zahlen muss, ist im Falle von „Die Drei von der Müllabfuhr“ eine Schlichtheit, die von der Figur auf alles abfärbt. (Text-Stand: 7.5.2020)

Die kleinen Leute sind im ARD-Unterhaltungsfilm am Freitag in den letzten Jahren immer wieder ein Thema:
mal lebensklug & melancholisch („Besuch für Emma“ / „Anderst schön“), mal mit Witz & Ironie („Wir sind die Rosinskis“). Zuletzt sorgte Armin Rohde in „Werkstatthelden mit Herz“ für ein bisschen märchenhaft-sozialromantische Wärme. Vielschichtiger war die Treppenhaus-Tragikomödie „Meine Nachbarn mit dem dicken Hund“ mit Steffi Kühnert. Weibliche Charaktere, die sich offenbar auch mehr an weibliche Zuschauer richten, bringen in der Regel mehr Tiefgang ins Spiel. Das ist ein bisschen auch die Crux von „Käpt’n“ Werner Träsch: in Beziehungsfragen ist er einer jener Sorte Männer, die machen, Gefühle haben, die aber wenig verstehen, schon gar nicht, was in ihrer Partnerin vorgeht.

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Nicht nur der musikalische Rausschmeißer macht Laune. Uwe Ochsenknecht und Rainer Strecker

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Reihe

ARD Degeto

Mit Uwe Ochsenknecht, Jörn Hentschel, Aram Arami, Rainer Strecker, Adelheid Kleineidam, Axel Werner, Laura Louisa Garde, Martin Glade, Frank Kessler; (1): Ben Litwinschuh, Lara Aylin Winkler, Claudia Mehnert; (2): Birge Schade, Peter Trabner

Kamera: Hagen Bogdanski

Szenenbild: Stefan Lincke, Romy Gawlik

Kostüm: Riccarda Merten-Eicher

Schnitt: Aletta von Vietinghoff

Musik: Biber Gullatz, Lukas Kiedaisch

Redaktion: Barbara Süßmann, Stefan Kruppa

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Doris Zander

Drehbuch: Toks Körner, Christian Krüger, Sebastian Bleyl

Regie: Hagen Bogdanski

Quote: (1): 4,57 Mio. Zuschauer (16% MA); (2): 5,29 Mio. (17,5% MA); (Wh.) (1): 2,36 Mio. (10,3% MA); (2): 2,48 Mio. (10,6% MA)

EA: 29.05.2020 20:15 Uhr | ARD

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