Die Drei von der Müllabfuhr – Die Streunerin / Operation Miethai

Ochsenknecht, Hentschel, Arami, Griscksch/Körner, Bogdanski. Dramaturgisch zugelegt

Foto: Degeto / Britta Krehl
Foto Rainer Tittelbach

Auch in der fünften Episode der ARD-Freitagsreihe „Die Drei von der Müllabfuhr“ (Degeto / Bavaria Fiction) ist wieder reichlich was los. Der Kiez schläft nicht, und der Käpt’n kann und will sich nicht raushalten, wenn es um die Belange derer geht, die es nicht so leicht im Leben haben. Erfreulicherweise aber hilft die Ochsenknecht-Figur nicht mehr ganz so zwanghaft wie zuletzt. Der schleichende Veränderungsprozess des bisher betont schlichten Charakters zeigt sich unter anderem auch in der Haltung zum Thema Kultur, die ihm die Autoren Gernot Gricksch und Toks Körner in die Drehbücher geschrieben haben. Der kleine Mann legt mehr Toleranz an den Tag, gibt nicht immer sofort dickköpfig contra – wodurch die anderen Charaktere an Kontur gewinnen. Daraus ergibt sich eine Vielzahl an Episoden, an Szenen und Momenten, die das Konzept dieser etwas anderen Unterhaltungsfilm-Reihe, ein Bisschen vom (Großstadt-)Alltag erzählen zu wollen, noch besser einlösen. Zu diesem Konzept passt auch die Besetzung, die Inzenierung ist flott, die Dialoge besitzen häufig etwas Beiläufiges und die Dramaturgie, insbesondere die Verknüpfung der Szenen, ist ausgesprochen dicht.

Bei Werner (Uwe Ochsenknecht) läuft es privat und auch im Job gerade mal wieder nicht ganz rund. Die Überraschung für seine Herzdame Gabi (Adelheid Kleineidam) zum Zweijährigen, ein exquisiter Strandurlaub auf Fuerteventura, kommt nicht so gut an wie erhofft. Und dann macht Werner auch noch dieser schnöselige Consultant Felsenhain (Martin Brambach) ganz kirre, der seit ein paar Tagen mit ihm und seinen Jungs mitfährt. Hintergrund ist eine Studie, durch die ein höheres Werbebudget für die Berliner Stadtreinigung winken könnte. Also halten der Käpt‘n, Fahrer Ralle (Jörn Hentschel) und Youngster Tarik (Aram Arami) die Füße still. Man kann ja dem Boss Rüdiger (Rainer Strecker) auch mal einen Gefallen tun. Doch nach ein paar Tagen rastet zunächst diese pingelige Laptop-Nervensäge aus, dann platzt Werner der Kragen. Seine Nerven liegen blank. Denn neben der dicken Luft zu Hause und auf dem Wagen ist da noch Luna (Carolin Garnier), eine junge Obdachlose, die nicht mehr ein noch aus weiß. Die Drei nehmen sich ihrer rührend an, Ralle lässt sie vorübergehend auf seinem Hausboot wohnen, und als Luna von halbstarken Türken verfolgt wird, wartet auf die drei Kiez-Hilfssheriffs sogar noch eine Geiselbefreiung mit handgreiflicher Rechtsbelehrung.

Die Drei von der Müllabfuhr – Die Streunerin / Operation MiethaiFoto: Degeto / Britta Krehl
Sozialromantik ohne Kitsch. Werner (Ochsenknecht) erfüllt nicht mehr (ganz) das Klischee des Mannes im vermeintlich besten Alter, der den Anderen – insbesondere seiner Herzdame Gabi (Adelheid Kleineidam) – nie richtig zuhört. Erwachsene Konfliktlösung. Das Beziehungs-Wohlfühlende in der Berliner Laubenpieper-Kolonie in der zweiten Episode „Operation Miethai“ vermag auch den Kritiker zu berühren.

Auch in der fünften Episode der ARD-Freitagsreihe „Die Drei von der Müllabfuhr“ ist wieder reichlich was los. Der Kiez schläft nicht, und der Käpt’n kann und will sich einfach nicht raushalten, wenn es um die Belange derer geht, die es nicht so leicht im Leben haben wie andere. Ganz so zwanghaft jedoch, wie Uwe Ochsenknechts Werner Träsch sich bisher öffentlich eingemischt und sturköpfig auf Contra geschaltet hat, wenn er nicht so wollte wie seine Vorgesetzten, agiert die Hauptfigur in den beiden 2021er Filmen nicht mehr. Dies ist auch von der Geschichte motiviert: Träsch holt sich Altersweisheit von seinem alten Kumpel Werner (wunderbar: Axel Werner) und emotionale Intelligenz von seiner Gabi, einer modernen Frau, die ihr Späti mit Leidenschaft führt und die sagt, was sie denkt. So tappt er nun nicht mehr breitbeinig in jedes Fettnäpfchen, und obgleich er noch immer nicht alle weiblichen Signale zu lesen versteht, wird er zunehmend zu einer Figur, die nicht mehr länger nur obsessiver Helfer, Gerechtigkeitspinsel und ein Mann von gestern ist. Mehr und mehr entwickelt sich dieser Werner, der sein Leben nach dem Tod seiner ersten Frau viel zu lange spießig heruntergedimmt hat, zu einem glaubwürdigen Mann um die 60, ein Großstädter, nicht klassisch gebildet, aber mit gesundem Menschenverstand und dem Herz am rechten Fleck, den man nun auch als alltagsnahen, stimmigen Charakter einer etwas anderen Unterhaltungsfilm-Reihe ernst nehmen kann. Einer Reihe, die ja immerhin über das übliche öffentlich-rechtliche Wohlfühlfernsehen hinaus auch etwas soziale Wirklichkeit abbilden möchte.

Der schleichende Veränderungsprozess des bisher betont schlichten Charakters zeigt sich unter anderem auch in der Haltung zum Thema Kultur, die ihm die Autoren Gernot Gricksch und Toks Körner in die Drehbücher geschrieben haben. In „Die Streunerin“ erklärt Gabi ihrem Werner, dass sie nicht in der Sonne faulenzen möchte, sondern lieber einen Städtetrip machen würde, dass sie auf Museen und nicht auf Strand stehe. In „Operation Miethai“ geht es dann neben der systematischen Entmietung durch einen Berliner „Geldsack“ (Rainer Reiners) auch – und das ist gewiss kein Zufall – um eine Galerie; sie gehört Eddi (Silke Geertz), der Schwester von Specki (Frank Kessler), einem Kollegen in Orange, und steht kurz vor der Eröffnung. Unglücklicherweise ist bei einer Sperrmüllaktion ein Teil eines wertvollen Installationsobjekts mit entsorgt worden. Das Kunst-Motiv wird – sogar eine Spur hipper – noch einmal aufgenommen. So findet der Immobilienhai und Gentrifizierungsbetreiber, der mit Krach, Müll und anderen Schikanen die Mieter aus seinen Wohnungen rausekeln möchte, in Art-Sprayer Chris alias Flash (Max Woelky) seinen Meister. Der setzt ihm ein Denkmal auf einer Häuserwand: der Krötenkönig, der Geld scheißt… Es scheint also, als würde auch Werner langsam seinen Horizont erweitern, sich dabei aber dennoch treu bleiben (dürfen). Und wie die Jungs das Problem am Ende managen, das ironisiert einerseits die überkandidelte Kunstbranche, macht sie aber dennoch nicht lächerlich. Die Reihe legt zunehmend Wert auf Toleranz, die dem sogenannten kleinen Mann ja häufig ja eher abgeht. Warum soll der, der sich abends zur Vernissage aufbrezelt, sich nicht auch den Traum vom Laubenpieper erfüllen?!

Die Drei von der Müllabfuhr – Die Streunerin / Operation MiethaiFoto: Degeto / Britta Krehl
Beziehungsalltag, Entmietung, Kunst im Kiez – die etwas andere Unterhaltungsfilm-Reihe versucht, über das übliche öffentlich-rechtliche Wohlfühl-Fernsehen hinaus auch etwas soziale Wirklichkeit abzubilden. Art-Sprayer Chris alias Flash (Max Woelky) ist „hauptberuflich wütend“, seine Freundin Lea (Janina A. Schröder) ist aber auch nicht ganz fehlerfrei. Dreck am Stecken hat der Immobilienhai Waselitzki (Rainer Reiners). Die Müllwerker Ralle (Jörn Hentschel) und Tarik (Aram Arami) sowie Werners taffe Tochter Annika (Laura Louisa Garde) spielen soziale Kiez-Feuerwehr.

Die Reihe, deren Idee von Produzentin Doris Zander stammt, versöhnt also auch ein Stück weit die gesellschaftlichen Schichten. Das besitzt freitags in der ARD einen gewissen sozialromantischen Touch. Die Welt ein Stückchen besser machen – dieser Wunsch sollte in Unterhaltungsfilmen schon mal in Erfüllung gehen dürfen, solange die Figuren dem Zuschauer nicht ständig nur die Welt erklären. In „Die Drei von der Müllabfuhr“ gibt es zwar etliche Szenen, in denen eine Art Stammtischrunde ins Fahrerhaus des Mülltitalent-Brummis verlegt wird, aber diese Situationen besitzen über die Charakterisierung der Figuren hinaus durchaus auch etwas Realistisches, spiegeln sie doch das mögliche Geplauder der drei (oder vier, als Brambachs Consultant mitfährt) während der täglichen Arbeit. Das hat aber auch den Vorteil, dass hier jeder zu Wort kommt. So darf Ralle endlich mal wieder in beiläufig hingeworfenen Sätzen zu erkennen geben, dass er Akademiker ist, Godard schätzt, Staeck oder Heartfield kennt und es auch sonst nicht so kleinbürgerlich mag. Und auch Tarik, der ja liiert ist mit Werners Tochter Annika (könnte ruhig noch mehr zu tun kriegen: Laura Louisa Garde), darf mit ihr ein kurzes Gespräch führen über die Vorurteile gegenüber Türken und Arabern, wobei er weiß, dass seine Freundin auch Recht hat („Aber manchmal stimmen sie eben auch“: die Klischees). Tarik bekommt außerdem noch eine Rattenphobie verpasst und darf dem Banausen Werner, unterstützt von Ralle, auch noch etwas über den Wert moderner Comics verklickern.

Und so ist das Herzstück von „Die Drei von der Müllabfuhr“ nicht länger nur Uwe Ochsenknechts kerniger Kiez-Versteher. Sondern erzählt wird vom Alltag in einer deutschen Metropole, vom Leben im eigenen Stadtteil, überschaubar und liebevoll für zwei Mal 90 Minuten zurechtgestutzt, ein Leben, das die Balance hält zwischen Privatem und Beruf, mit einer Hauptfigur, die alles ziemlich persönlich nimmt. Eine rundum sympathische Sache. Und ebenso gelungen: wie sich das Ganze vermittelt. Die Besetzung stimmte schon immer, jetzt werden auch – wie bereits beschrieben – die Potenziale der Charaktere besser genutzt. Daraus ergibt sich eine Vielzahl an kleinen Episoden, an Szenen und Augen-Blicken, die das Konzept dieser Reihe, etwas vom (Großstadt-)Alltag erzählen zu wollen, noch besser einlösen.

Die Drei von der Müllabfuhr – Die Streunerin / Operation MiethaiFoto: Degeto / Britta Krehl
Keine One-Man-Show mehr für Werner/Ochsenknecht. Er ist nicht mehr länger der Super-Hero der Hinterhöfe – was in die Handlung leicht ironisiert Eingang findet. Und Comics auf Häuserwänden oder auf Müllwagen ist auch Kunst. Rainer Strecker

Dazu gehört, dass Gespräche oft nur angerissen werden. Wenn beispielsweise Werner seiner Tochter die Frage stellt „Hast du das Gefühl, dass ich nicht richtig zuhöre?“, dann braucht man als Zuschauer keine Antwort. Es genügt, was man aus diesem Satz über die Hauptfigur erfährt (Werner macht sich Gedanken – über sich und seine Beziehung). Und dass just in diesem Moment Tarik klingelt und die Situation unterbricht, ist typisch für eine dichte Dramaturgie, die auf ein Nebeneinander von Situationen abzielt. Auch die Szenen werden nicht immer ausgespielt, und manchmal enden sie mit einem Satz („Ich will nicht nach Fuerteventura“), der „Vielschichtigeres“ in Gang setzt als eine Fortsetzung der Szene. Man sieht und spürt auch viel von Berlin. Regisseur und Kameramann Hagen Bogdanski ist immer wieder auf den Straßen und in den Vierteln unterwegs, setzt dabei häufig auf eine flotte Montage und ein dynamisches Wechselspiel zwischen (Milieu-)Totalen und Naheinstellungen (ran an die Köp-fe). Das Personal ist groß, über 20 Figuren pro Film – und doch hat man nie den Eindruck, als würden sich die Macher bei den Plots verzetteln. Da kann es – wie bei der Gefahr, der die „Streunerin“ ausgesetzt ist – auch schon mal sein, dass mit knappem Dialog die Backstory durch Dritte vermittelt wird. Die ARD-Reihe hat also auch dramaturgisch deutlich zugelegt.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Uwe Ochsenknecht, Jörn Hentschel, Aram Arami, Rainer Strecker, Adelheid Kleineidam, Laura Louisa Garde, Martin Glade; (1): Martin Brambach, Carolin Garnier, Axel Werner; (2): Frank Kessler, Silke Geertz, Max Woelky, Janina Agnes, Rainer Reiners

Kamera: Hagen Bogdanski

Szenenbild: Sebastian Wurm

Kostüm: Riccarda Merten-Eicher

Schnitt: Aletta von Vietinghoff

Musik: Biber Gullatz, Lukas Kiedaisch

Redaktion: Barbara Süßmann, Stefan Kruppa (Degeto)

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Doris Zander

Drehbuch: Gernot Gricksch, Toks Körner

Regie: Hagen Bogdanski

Quote: (1): 4,42 Mio. Zuschauer (14,1% MA); (2): 4,65 Mio. (15,3% MA)

EA: 07.05.2021 20:15 Uhr | ARD

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