Die zweite Staffel von „Die Chefin“ macht da weiter, wo die erste aufgehört hat. Noch immer ist Vera Lanz (Katharina Böhm), die Hauptkommissarin der Münchner Mordkommission, emotional mit sich selbst beschäftigt – und ein harter Hund der Internen Ermittlung ist beschäftigt mit ihr. Jener als Beamtenjäger verschriene Schneider (Bernhard Schir) würde am liebsten beweisen, dass Vera Lanz’ Todesschüsse auf einen mehrfachen Mörder, der auch ihren Ehemann auf dem Gewissen hatte, keine Notwehr waren. Die Kollegen, besonders Jungspund Jan Trompeter (Stefan Rudolf), werden von ihm in die Mangel genommen. Parallel muss in der Auftaktepisode „Wahrheiten“ ein psychologisch interessanter Fall gelöst werden. Eine traumatisierte Zeugin (Liane Forestieri) hat einen jungen Mann (Enno Hesse) als Raubmörder identifiziert. Diese Aussage ist nicht mehr viel wert, als sich ein weiteres Verbrechen ereignet nach ähnlichem Muster und mit derselben Waffe: ein Einbruch, diesmal ohne einen Toten. Hat der Bruder des Verhafteten (Maximilian Brückner) – beide verbindet eine selten große Nähe – die Tat begangen? Verdächtig macht sich auch dessen Freundin.
Auffallend unaufgeregt ermittelt das Münchner Trio im ersten der beiden vier neuen Fälle. Böhms Kommissarin lächelt nach wie vor gern, sieht noch immer adrett aus – doch das meiste ist Fassade. Vera Lanz macht nicht viele Worte im Umgang mit Kollegen, bei Verhören nimmt sie nicht nur mutmaßliche Täter, sondern auch Zeugen hart ran. Sie ist misstrauisch, keine Kommissarin zum Gernhaben, eine eher etwas schwierige Chefin, die an sich und der Welt zweifelt. Und weil das so ist, braucht sie ständig Nervennahrung und knabbert Nüsse. Ganz anders der junge Kollege, Everybody’s Darling – und Stefan Rudolf gibt ihn entsprechend: lässig, beiläufig, aber durchaus ernsthaft. Derrick hält zwar nach wie vor als Pappfigur im Büro die Stellung, aber mit Ermittlungsstil, Kommunikationsmethoden und dem Serien-Look des ehemaligen ZDF-Aushängeschilds hat „Die Chefin“ so gut wie nichts gemeinsam. Gesprochen wird knapp und lakonisch, die Dialogwechsel leben stark vom Nonverbalen und der Chemie der Schauspieler (sehr überzeugend auch Bernhard Schir). Der Fall ist zwar übersichtlich und szenisch strukturiert, wird aber nicht zum Staffellauf der Verdächtigen. Erzählt wird zeitökonomisch, aber stets entspannt. Die Eingangssequenz arbeitet mit Thriller-Spannung. Auch ästhetisch und stimmungstechnisch hat – zumindest die erste Folge – noch zugelegt. Die Regisseure sind „Tatort“-erfahren – und so sehen diese 60-Minüter auch aus. Überhaupt, ein passendes Format für diese Krimis mit Charakter.