Die Bubi-Scholz-Story

Benno Fürmann, Götz George, Nicolette Krebitz. Aufstieg und Fall eines Idols

Foto: WDR / Mathias Bothor
Foto Rainer Tittelbach

Bubi Scholz war eine deutsche Sportlegende, ein Idol für die Masse, ein Spiegelbild der Wiederaufbaujahre. „Die Bubi Scholz Story“ nach dem Drehbuch von Uwe Timm erzählt von einem, der sich hochboxt in den 50er Jahren der Bundesrepublik und der nach seinem sportlichen Abgang zunehmend aus dem Tritt gerät; 1984 erschießt Bubi Scholz seine Frau. Der ARD-Zweiteiler ist großes, perfekt gemachtes Fernsehen; das Szenen- und Kostümbild sind perfekt, die Fotografie grandios. Kleines Manko: Der Film ist ein Kopf-Stück über einen Bauch-Menschen; weil sich die Macher wohl nicht rückhaltlos auf die Seite eines Mörders schlagen konnten, verschenkt diese „Story“ etwas von ihren emotionalen Möglichkeiten.

Er gehört zu den größten Sport-Legenden, die Deutschland je hervorbrachte, war mehr als nur ein Boxer – Bubi Scholz war ein Idol. „Er hat vielen Menschen in einer schwierigen Zeit irrsinnig viel Kraft und Selbstwertgefühl gegeben“, sagt Benno Fürmann, der den ehrgeizigen Aufsteiger in Roland Suso Richters zweiteiligem Bio-Pic pielt. „Die Bubi Scholz Story“, geschrieben vom Schriftsteller Uwe Timm („Morenga“, „Kopfjäger“), erzählt von einem, der sich hochboxt in den Wiederaufbaujahren der Bundesrepublik und der nach seinem sportlichen Abgang zunehmend aus dem Tritt gerät. 1984 erschießt Bubi Scholz seine Frau.

Dabei hat er doch eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Bereits 1946 weiß Gustav Scholz, wie man sich durchs Leben schlägt. Durch Zufall gerät er an seine ersten Boxhandschuhe. Sein bester Freund Klaus schenkt sie ihm. Nach Jahren der Freundschaft, kommt der Bruch wegen eines Mädchens. Ausgerechnet in Gustavs erstem Kampf muss er gegen den einstigen Busenfreund kämpfen. Er siegt. Nun ist er auf der Überholspur. Die Frauenherzen fliegen ihm zu. Er wird Deutscher Meister im Weltergewicht, heiratet – dann der Schock: Tuberkulose.

Die Bubi-Scholz-StoryFoto: WDR / Mathias Bothor
Regisseur Roland Suso Richter bekam für „Die Bubi-Scholz-Story den Bayerischen Fernsehpreis. Den Deutschen Fernsehpreis gab es für Benno Fürmann (Hauptrolle Fernsehfilm), Martin Langer (Kamera), Silke Sommer (Kostümbild) sowie Bettina Schmidt und Michael Pfalzer (Szenenbild). Und darauf heben wir einen. Fürmann & Krebitz

Kritik: „Die Bubi Scholz Story“

Ob Roy Black oder Romy Schneider, ob Marlene oder die Comedian Harmonists – auch das Land der Denker hat seine Populär-Mythen. Und langsam beginnt man, sich derer nicht nur zu erinnern, sondern sie zu Filmhelden zu machen. Jetzt war es Bubi Scholz, der Boxer, der wie kaum ein anderer zur nationalen Identifikationsfigur der Wiederaufbaujahre wurde. Es war denn auch die Stärke von Uwe Timms und Roland Suso Richters Film-Biographie, beiläufig dem Zuschauer etwas über die jüngere westdeutsche (Kultur-)Geschichte mitzugeben, über die dramaturgisch nach dem stets wirksamen Aufstiegs- und Fall-Muster verlaufende Story hinaus. Und wenn auch Politik vordergründig keine Rolle spielte, im Aufsteiger-Typus spiegelte sich vieles von der kollektiven Gefühlslage und den deutschen Kardinaltugenden: Bubi beißt sich durch. Er ist aber auch hart gegen die anderen. Keiner soll es besser haben. Auch der Lebemann bleibt Kleinbürger, der von der Nachkriegszeit geprägt wurde („Ohne Geld biste nix!“).
Der erste Teil ist höchst atmosphärisch geraten, getragen von der Physiognomie, den Gesten und Bewegungen von Benno Fürmann. Der zweite Teil hängt etwas durch – das bügelt Götz George als impotenter Schattenboxer und schwankender Partylöwe in den letzten 40 Minuten aus. Die visuelle Gestaltung ist perfekt, die Fotografie grandios, doch bei aller Sinnlichkeit wird vor allem Distanz vermittelt. „Die Bubi Scholz Story“ ist ein Kopf-Stück über einen Bauch-Menschen. Weil sich die Macher wohl nicht rückhaltlos auf die Seite eines Mörders schlagen konnten, verschenkt die Geschichte etwas von ihren emotionalen Möglichkeiten.      tit.

Für immer soll er die Boxhandschuhe an den Nagel hängen. Mit seinem Friseur- und Parfümerieladen ist er nicht glücklich. Das Comeback lässt also nur zwei Jahre auf sich warten. 1965 zieht er sich vom Boxsport endgültig zurück, geht in die Werbebranche. Seine Frau Helga macht noch immer in Parfüm, er als der Partylöwe der Berliner High-Society zunehmend in Alkohol. Im Vollrausch bringt er denn auch seine Frau um. Ein Schuss durch die geschlossene Toilettentür. Das Urteil fällt vergleichsweise milde aus: drei Jahre Gefängnis.

Die Bubi-Scholz-StoryFoto: WDR / Mathias Bothor
Ohne Drinks geht schon lange nichts mehr. Götz George & Angela Winkler. Bubi Scholz (Götz George) erschießt seine Frau Helga (Angela Winkler) und wird zu drei Jahren Haft verurteilt.

Blaue Augen, das frische Lachen, dazu ein Händchen frs Geschäftliche und für die Vermarktung der eigenen Person. Ein Gewinner-Typ. So spielt Fürmann seinen Scholz. Sechs Wochen hat er am Stück trainiert, hat sich alle Kämpfe angeschaut, zahlreiche Dokumentationen und viele Bilder von einem der größten deutschen Nachkriegsidole. „Ich musste ja auch wissen, wie er sich im Alltag bewegt“, betont Fürmann. Den späten Bubi Scholz der privaten Tiefschläge spielt Götz George. Ein einsames Wrack, alkoholkrank, cholerisch, egozentrisch. Produkt und Opfer der Wirtschaftswunderjahre: kaputt, aber zäh.

Die Rolle ist vergleichsweise klein, aber das Drehbuch und das starke (visuelle) Konzept von Richter (und Martin Langer) haben George überzeugt, „das Verfallsdatum“ von Scholz zu spielen. „Hier wurde ja keine Biographie nachgeschrieben, der Dichter hat schon mächtig in den Farbtopf gegriffen. Aber es wurde immer dabei auf die Stringenz, die Klarheit der Geschichte geachtet.“ Autor Uwe Timm spricht von „diesem wunderbaren Konjunktiv“ jeder guten Erzählung. Auch den wollte er für „Die Bubi Scholz Story“. Der Zweiteiler war für ihn dennoch auch sehr viel Erinnerungsarbeit. Die Geschichte eines Mannes, der Karriere macht und einen hohen Preis dafür bezahlt. Timm: „Das Spannende an Bubi Scholz ist, dass die Geschichte eines Mannes zugleich die Geschichte der Gesellschaft widerspiegelt.“

Der Film von Roland Suso Richter ist großes, perfekt gemachtes Fernsehen. Man spürt aber (nicht zuletzt in der kühlen Ästhetik der Bilder), dass Regisseur und Kameramann Martin Langer zu jung sind, um mit dem Mythos Bubi Scholz noch eine eigene Erfahrung, eine wahre Leidenschaft zu verbinden. „Die Bubi Scholz Story“ ist ein distanziertes Psychogramm. So sind denn auch die Boxkämpfe grandios gefilmt, mit der ganzen Wucht der modernen Kameratechnik, doch anders als in Scorseses „Wie ein wilder Stier“ (mit Robert de Niro) sind sie weniger Resonanzboden für Gefühle des Zuschauers. (Text-Stand: 30.12.1998)

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Arte, BR, NDR, rbb, WDR

Mit Benno Fürmann, Götz George, Nicolette Krebitz, Angela Winkler, Heinrich Schmieder, Dietmar Mues, Alexandra Maria Lara, Elisabeth Trissenaar, Harald Juhnke, Hanns Zischler, Horst Krause

Kamera: Martin Langer, Axel Fischer

Szenenbild: Bettina Schmidt, Michael Pfalzer

Kostüm: Silke Sommer

Schnitt: Eva Schnare

Musik: Ulrich Reuter

Produktionsfirma: MTM Medien & Television

Drehbuch: Uwe Timm

Regie: Roland Suso Richter

EA: 30.12.1998 20:15 Uhr | ARD

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