Einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag wird Laura mit einer Lebenslüge ihrer Mutter konfrontiert. Durch Zufall findet die junge Frau heraus, dass ihr Vater kein spanischer Kriegsfotograf war, der in der Nähe von Kabul vor den Augen ihrer Mutter auf eine Tellermine trat. Nein, ihr Vater lebt – vermutlich in Chile. Laura ist erschüttert – und sie ist wütend auf ihre Mutter, die bekannte Politjournalistin Katharina Hellmer, die im Fernsehen gerade mal wieder eines ihrer Plädoyers hält für die Unbeugsamkeit der Wahrheit. Die plakative Doppelzüngigkeit Katharinas veranlasst Laura zum Handeln. Kurzerhand macht sich die frisch volljährige Laura auf den Weg nach Südamerika. Sie weiß noch nicht genau, was sie in Chile erreichen möchte, aber bald lernt sie den Studenten Luis kennen, der ihr hilft, Antworten auf die Fragen zu finden, die die Briefe von Lauras Mutter aufgeworfen haben.
Laura begibt sich in Santiago auf die Spuren ihrer Mutter, die zu Beginn der 1990er Jahre offen über die Opfer der Pinochet-Diktatur berichtete. Katharina ahnt, was geschehen ist und reist ihrer Tochter hinterher. Als sie Laura gefunden hat, versucht sie, ihr die Gründe für ihre Geheimniskrämerei zu erklären, indem sie sie erneut belügt. Wer ist Lauras Vater? Der Gutsbesitzer Álvaro, jener „Julio Iglesias für Arme“, oder der übel gelaunte Cafébetreiber Ramon? Bis man endlich nach 78 Minuten von Katharina die ganze Wahrheit erfährt, gibt es zahllose wenig subtile Andeutungen… Laura drängt ihre Mutter, ihr endlich die Wahrheit zu sagen. Diese Wahrheit ist in der Tat grausam, doch den Weg zur erlösenden Auflösung hätte man für Laura – und vor allem die Zuschauer – dramaturgisch eleganter lösen können.
Leider lässt das Drehbuch dem historisch relevanten Anteil der Geschichte zu wenig Raum. Der thematisch spannende Teil des Stoffes, die Schwierigkeiten des gesellschaftlichen Übergangs von einer gewaltsam aufrechterhaltenen Diktatur hin zu einer Demokratie, wird mal zur Staffage, dann wieder stark überzeichnet. Einmal fragen sich Laura und Luis, ob sie lieber ein Picknick am Meer machen, oder die Gräber von Folteropfern besuchen. Ein anderes Mal übt Laura mit ihrem vermeintlichen Vater Schießen und findet: „Scheiße, ist das geil!“. Später zielt sie mit derselben Waffe auf einen ehemaligen Folterer und dann legt das Drehbuch der jungen Halbchilenin auch noch den Satz in den Mund: Kein Mensch kennt Pablo Neruda.
Foto: Degeto / Constanza Vablerrama
Hier passt einiges nicht recht zusammen: Der Mutter-Tochter-Konflikt wirkt in Anbetracht der Hintergründe der Geschichte zwar nachvollziehbar doch die großen Emotionen wirken in der Inszenierung überspannt und wenig stimmig. Und Komponist Maurus Ronner übertüncht leider mit seiner Musik allzu häufig die malerische Stimmung und schafft bisweilen eine bedrückende, beinahe schon einem Thriller angemessene Atmosphäre, die unpassend für die Geschichte erscheint. Und so haben Christine Neubauer, doppelte Grimme-Preisträgerin für „Löwengrube“ (1992) und „Krambambuli“ (1999), und Nilam Farooq („SOKO Leipzig“) nur selten die Gelegenheit, ihr Können und ihr emotionales Spiel nuanciert einzusetzen.
Das mag größtenteils an einem Drehbuch liegen, an dem sich gleich drei Autoren abmühten und das zu sehr auf ein überkommenes Schema der Degeto-Filme setzt: Schöne Landschaft + komplizierte Familienentwicklung = Erfolg. Es ist schade um das politisch interessante Thema, das die historischen Zusammenhänge eigentlich emotional treffsicher mit der Beziehungsgeschichte zwischen Mutter und Tochter hätte verbinden können. Schade auch um das Potenzial der durchweg erkennbar guten Schauspieler, die unter Wert verkauft werden. Bis in die Nebenrollen ist die Geschichte, beispielsweise mit Max Corvalán in der Rolle des ehemaligen Pinochet Anhängers und Folterers Chocolo, oder Julio Jung als griesgrämiger Aránguiz Julio Jung, gut und authentisch besetzt. (Text-Stand: 6.4.2014)